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SARS-CoV-2

Kann COVID-19 das Risiko für Diabetes Typ 2 erhöhen?

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Wolfgang Rathmann

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Welt weiterhin im Griff. Eine Vielzahl an Studien wird durchgeführt, um mehr Erkenntnisse über die kurz- und langfristigen Auswirkungen einer Infektion auf die Gesundheit zu erlangen. Im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie wurde nun das Risiko für das Auftreten von Typ-2-Diabetes nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 untersucht.

 

Effekte einer COVID-19-Erkrankung auf den Glukosestoffwechsel

Die bisherige Studienlage zeigt, dass das Coronavirus die Funktion der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigen kann. Zusätzlich löst eine Infektion mit SARS-CoV-2 eine Entzündungsreaktion im Körper aus, die über einen längeren Zeitraum andauern kann. Daraus kann sich eine Insulinresistenz entwickeln – eine der wesentlichen Krankheitsursachen von Typ-2-Diabetes.

Ob die beobachteten Veränderungen des Glukosestoffwechsels vorübergehend sind oder Menschen nach einer COVID-19-Erkrankung ein erhöhtes Risiko für einen manifesten Typ-2-Diabetes aufweisen, konnte bisher nicht geklärt werden.

 

Auswertung einer repräsentativen Stichprobe

Die retrospektive Kohortenstudie wertete die Daten von 35.865 Patientinnen und Patienten aus. Die Daten stammen aus der repräsentativen Datenbank „Disease Analyzer“ (IQVIA, Frankfurt), die insgesamt 1.171 deutsche Arztpraxen umfasst. Die Teilnehmenden waren im Zeitraum März 2020 bis Januar 2021 an COVID-19 erkrankt. Die Erkrankung verlief überwiegend mild, da nur 3 Prozent im Verlauf stationär behandelt wurden. Anschließend wurden alle neu diagnostizierten Diabetes-Fälle bis Ende Juli 2021 erfasst.

Um herauszufinden, ob das Risiko für das Auftreten von Typ-2-Diabetes nach einer SARS-CoV-2-Infektion erhöht ist, wurden die erhobenen Daten der Studienteilnehmenden mit COVID-19 mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Kontrollgruppe umfasste 35.865 Personen, die in dem genannten Zeitraum an einer akuten Infektion der oberen Atemwege erkrankt waren, aber keine SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen. Beim Vergleich der beiden Gruppen, wurden die Teilnehmenden in Bezug auf

  • Geschlecht,
  • Alter,
  • Krankenversicherung,
  • Zeitpunkt der Infektion und
  • weitere Begleiterkrankungen wie Adipositas, Hypertonie, erhöhte Blutfettwerte, Herzinfarkt oder Schlaganfall

gematcht. So konnte ein möglicher Einfluss dieser Faktoren auf die Auswertung ausgeschlossen werden.

 

COVID-19 und Inzidenz von Diabetes Typ 2

Im ersten Jahr nach der Infektion wurde bei 189 Teilnehmenden mit COVID-19 und bei 175 Teilnehmenden mit einer Erkrankung der oberen Atemwege ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Daraus ergab sich eine Typ-2-Diabetes-Inzidenz von 15,8 pro 1.000 Personen pro Jahr bei Personen mit SARS-CoV-2-Infektion im Vergleich zu 12,3 pro 1.000 Personen pro Jahr bei Personen mit einer Infektion der oberen Atemwege.

Insgesamt war das relative Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bei den Teilnehmenden mit einer COVID-19-Erkrankung um 28 Prozent höher als bei den Teilnehmenden mit einer Erkrankung der oberen Atemwege. Das bedeutet, dass innerhalb von einem Jahr nach einer SARS-CoV-2-Infektion etwa 3 bis 4 Personen pro 1.000 Menschen mehr an Typ-2-Diabetes erkranken als nach einer anderen Infektion der oberen Atemwege.

 

Einordnung der Ergebnisse

Die Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen überwiegend milden COVID-19-Erkrankungen und neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes hin. Allerdings lässt sich nicht vollständig ausschließen, dass andere Faktoren als die Virusinfektion selbst die Typ-2-Diabetes-Manifestation beeinflussen. So wurde bei den Analysen, aufgrund von fehlenden Daten, zum Beispiel nicht der Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmenden berücksichtigt. Der veränderte, überwiegend sitzende Lebensstil während des Lockdowns und ein verändertes Ernährungsverhalten könnten das Körpergewicht und damit das Typ-2-Diabetes-Risko erhöht haben.

Zudem ist unklar, ob ein zuvor bereits bestehender, unentdeckter Typ-2-Diabetes erst durch die SARS-CoV-2-Infektion und die damit einhergehenden Untersuchungen diagnostiziert wird. Ebenfalls sollte untersucht werden, ob es bei einem neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes nach vollständiger Genesung der COVID-19-Erkrankung möglicherweise zur Remission kommen kann und ob sich der Verlauf und die Behandlung von neu aufgetretenem Typ-2-Diabetes nach COVID-19 zur Typ-2-Diabetes-Erkrankung ohne COVID-19 unterscheidet.

Sollten sich die vorliegenden Ergebnisse in weiteren Analysen bestätigen, empfehlen die Autoren, dass Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf die Warnzeichen und Symptome von Typ-2-Diabetes achten und sich frühzeitig behandeln lassen sollten.

 

Quellen:
Aerzteblatt online: SARS-CoV-2: Milde Erkrankungen scheinen Diabetesrisiko zu erhöhen. (Letzter Abruf: 11.04.2022)

Deutsche Diabetes Gesellschaft: Studie zeigt erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach Corona-Infektion. Pressemitteilung (Letzter Abruf: 13.04.2022)

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung: COVID-19 erhöht Risiko für Typ-2-Diabetes. Pressemitteilung (Letzter Abruf: 11.04.2022)

Rathmann, W. et al.: Incidence of newly diagnosed diabetes after Covid-19. In: Diabetologia, 2022 (online)