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Andere Diabetesformen: Im Überblick

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Martin Heni, Dr. Oana Patricia Zaharia

Diabetes mellitus, im Volksmund auch Zuckerkrankheit genannt, ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Das Hauptmerkmal ist eine andauernde Überzuckerung. Das bedeutet, dass der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht ist. Ursache ist eine gestörte Aufnahme von Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Körperzellen.

Die häufigsten Formen sind Typ-1- und Typ-2-Diabetes sowie Schwangerschaftsdiabetes. Es gibt jedoch auch Mischformen und weitere, seltene Formen des Diabetes mellitus. Ursache dafür können genetische Defekte, Infektionen, eine Behandlung mit Medikamenten, eine gestörte Hormonproduktion oder Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sein.

Diese seltenen Formen der Zuckerkrankheit wurden in der Vergangenheit unter der Bezeichnung „Typ-3-Diabetes“ zusammengefasst. Dies ist in Deutschland keine offiziell anerkannte Bezeichnung mehr. Heute werden sie unter „Sekundäre Diabetesformen“ oder „Sonstige Diabetes-Typen“ gebündelt.



1. Genetische Defekte der Betazellfunktion: MODY-Diabetes

MODY ist die Abkürzung für Englisch „Maturity onset diabetes of the young“ – übersetzt bedeutet das so viel wie „Altersdiabetes bei jungen Menschen“. Beim MODY-Diabetes handelt es sich um eine Gruppe vererbbarer Diabetesformen, die selten auftreten. In der Regel machen sie sich zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr bemerkbar.

Die Ursache von MODY-Diabetes ist eine Veränderung einzelner Gene. Diese Genveränderung bewirkt Störungen in den insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Als Folge produzieren die Betazellen weniger Insulin und die Blutzuckerwerte steigen an. Oft dauert die Diagnose eines MODY-Diabetes sehr lange, da er häufig mit einem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes verwechselt wird.

Mehr Informationen über MODY-Diabetes finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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Gut zu wissen:

Insulin ist ein körpereigenes, lebenswichtiges Hormon, also ein Botenstoff, der in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse produziert und ins Blut abgegeben wird. Es ermöglicht die Aufnahme des Zuckers (Glukose) in die Körperzellen. Insulin hemmt auch die Abgabe von Glukose aus der Leber in das Blut. Als Folge sinkt der Blutzuckerspiegel. Ohne Insulin kommt es zu schweren Störungen des Zuckerstoffwechsels. Die Menge des Zuckers im Blut steigt an und es entsteht ein Diabetes.


2. Diabetes durch andere genetische Defekte

Verschiedene monogene Erbkrankheiten können Diabetes begünstigen oder auslösen. Unter anderem kann ein Diabetes durch Chromosomen-Anomalien wie das Down-Syndrom oder das Klinefelter- Syndrom ausgelöst werden. Weitere Ursache kann ein Basenpaar-Wiederholungs-Syndrom wie die Friedreichs-Ataxie oder die Huntington-Krankheit sein oder Krankheiten des endoplasmatischen Retikulums wie das Wolfram-Syndrom. Auch Erkrankungen des Fettgewebes wie Lipodystrophien können seltene Ursachen eines Diabetes sein. Personen mit einem schweren Adipositas-Syndrom, wie dem Bardet-Biedl- oder dem Prader-Willi-Syndrom, entwickeln häufig durch starkes Übergewicht zunächst eine Insulinresistenz und später einen Typ-2-Diabetes.

Mehr Informationen über Diabetes durch andere genetische Defekte finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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Gut zu wissen:

Unter den Menschen mit Diabetes haben in Deutschland die meisten einen Typ-2-Diabetes. Dieser tritt in der Regel erst nach dem 40. Lebensjahr auf. Bei dieser Erkrankung wird nicht mehr ausreichend Insulin produziert oder die Reaktion der Körperzellen auf das Hormon Insulin nimmt ab (Insulinresistenz).

Außerdem gibt es den Typ-1-Diabetes. Die Autoimmunerkrankung wird meist im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert. In manchen Fällen erkranken auch Erwachsene daran. Bei Typ-1-Diabetes sind die insulinproduzierenden Betazellen der Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse geschädigt.

Der Körper kann kein Insulin mehr produzieren und daher auch den Zucker nicht aus dem Blut in die Körperzellen aufnehmen. Die Folge ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel. Insulin muss hierbei immer von außen gegeben werden.

Schwangerschaftsdiabetes ist eine Stoffwechselstörung, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Ähnlich wie bei Typ-2-Diabetes reagieren die Körperzellen nicht mehr so sensitiv auf das Hormon Insulin – auch hier kommt es zu einer Insulinresistenz. Der Körper produziert zudem nicht genügend Insulin, um die Insulinresistenz auszugleichen. Da nicht genug Insulin zur Verfügung steht, verbleibt der Zucker im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt an. Überschreiten die Blutzuckerwerte dauerhaft einen gewissen Grenzwert, kommt es zu Schwangerschaftsdiabetes. 


3. Diabetes durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

Wird die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) bei einem Unfall verletzt oder muss aufgrund einer anderen Erkrankung entfernt werden, oder tritt eine Schädigung durch chronische Entzündungen auf, kann sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen. Kann in der Folge kein Insulin mehr produziert werden, kann der Körper den Zucker aus dem Blut nicht mehr in die Körperzellen aufnehmen. Als Folge steigt der Blutzuckerspiegel an und es kann ein pankreopriver Diabetes entstehen.

Gut zu wissen:

Die Bauchspeicheldrüse ist ein Organ, das im Oberbauch hinter dem Magen liegt. Sie gibt verschiedene Stoffe in den Darm oder direkt ins Blut ab und wirkt so an der Verdauung unserer Nahrung mit. Daneben produziert sie die Hormone Insulin und Glukagon.

Neben einer Verletzung des Pankreas können viele verschiedene Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse Auslöser eines Diabetes sein, beispielsweise eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, Bauchspeicheldrüsenkrebs, eine Mukoviszidose oder auch eine Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit). Die Therapie erfolgt je nach Schwere des Diabetes und der Bauchspeicheldrüsenerkrankung.

Mehr Informationen über Diabetes durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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4. Diabetes durch andere Hormon-Erkrankungen

Hormonstörungen, bei denen entweder die Produktion oder die Wirksamkeit von Hormonen nicht mehr richtig funktioniert, können sich auf den Zuckerstoffwechsel auswirken und einen Diabetes verursachen. Hormonelle Störungen Fachleute sprechen hierbei auch von Endokrinopathien , die einen Diabetes auslösen können, sind zum Beispiel eine Überproduktion von Kortisol, eine Schilddrüsenüberfunktion, eine Akromegalie oder auch Tumore an der Bauchspeicheldrüse oder dem Darm.

Gut zu wissen:

Hormone sind Botenstoffe, die in Drüsengeweben gebildet und über den Blutkreislauf transportiert werden. Sie steuern durch ihre Signale viele Vorgänge im Körper, zum Beispiel regulieren sie den Blutzuckerspiegel.

Zu einem Diabetes durch eine Endokrinopathie kommt es entweder durch eine zu hohe Menge an bestimmten Hormonen, die dafür sorgen, dass die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin herstellt. Oder indem eine übermäßig große Menge an Hormonen dazu führt, dass Insulin an den Körperzellen nicht mehr richtig wirkt. Dadurch kann der Zucker nicht in die Körperzellen aufgenommen werden und verbleibt im Blut. Der Blutzuckerspiegel steigt an und es entsteht Diabetes.

Mehr Informationen über Diabetes durch andere Hormon-Erkrankungen finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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5. Diabetes durch Medikamente

Ursache für eine Diabetes-Erkrankung können bestimmte Medikamente oder selten auch Giftstoffe sein. Diese können sich ungünstig auf den Zuckerstoffwechsel auswirken, woraufhin sich das Risiko erhöht, an Diabetes zu erkranken. Oft bildet sich der Diabetes wieder zurück, wenn die Medikamente nicht mehr eingenommen werden oder kein Kontakt mehr zu den Chemikalien besteht. In manchen Fällen können die Medikamente jedoch auch die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstören. Dann bleibt der Diabetes dauerhaft bestehen. 

Zu den Medikamenten und Wirkstoffen, die einen Einfluss auf den Zuckerstoffwechsel haben und möglicherweise einen Diabetes auslösen können, gehören unter anderem: Kortison-Präparate, Betablocker, Immunsuppressiva oder Antipsychotika (Neuroleptika). 

Mehr Informationen über Diabetes durch Medikamente finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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6. Können Infektionen Diabetes verursachen?

Es gibt mehrere Viren, die mit Diabetes in Verbindung gebracht werden. Die Studienlage weist darauf hin, dass das Risiko für Diabetes nach bestimmten Infektionen erhöht ist – auch wenn nur eine kleine Anzahl an Personen daraufhin tatsächlich die Stoffwechselerkrankung entwickelt.

Zu den Viren, die in seltenen Fällen zu Diabetes führen, gehören unter anderem Hepatitis-Viren, das Mumps- und Röteln-Virus oder auch Coxsackie-Viren, die unter anderem die Hand-Fuß-Mund-Krankheit auslösen. Es wird auch diskutiert, dass Atemwegsinfektionen bei Kleinkindern in den ersten Lebensjahren das Risiko für Typ-1-Diabetes erhöhen könnten.

Mehr Informationen über Diabetes durch Infektionen und zu den einzelnen Viren finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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7. Was sind seltene Formen des autoimmunvermittelten Diabetes?

Ein autoimmunvermittelter Diabetes entwickelt sich in seltenen Fällen durch das „Stiff-Person“-Syndrom oder durch sogenannte „Anti-Insulinrezeptor-Antikörper“. Beim „Stiff-Person“-Syndrom werden die Nervenzellen angegriffen. Viele betroffene Personen entwickeln außerdem eine Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse und schließlich einen Typ-1-Diabetes. Beim durch „Anti-Insulinrezeptor-Antikörper“ verursachten Diabetes blockieren die Antikörper die Insulinrezeptoren. Der Zucker verbleibt im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt sehr stark an, woraufhin sich ein Diabetes entwickelt.

Gut zu wissen:

Bei einer Autoimmunerkrankung funktioniert das Immunsystem, also das körpereigene Abwehrsystem nicht mehr. Das Immunsystem kann dann nicht mehr zwischen körpereigenen Zellen und fremden Eindringlingen, wie Bakterien oder Viren, unterscheiden. Beim Typ-1-Diabetes werden auf diese Weise die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört.

Mehr Informationen über die seltenen Formen des autoimmunvermittelten Diabetes finden Sie in unserem Hintergrundartikel.
 

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Quellen:

American Diabetes Association: Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. In: Diabetes Care, 2014, 37: S81-S90
Baumgartner-Parzer, S.: MODY-Diabetes. In: J Klin Endokrinol Stoffw, 2019, 12: 165-169
Beyerlein, A. et al.: Forschung: Können Infektionen das Diabetesrisiko erhöhen? In: Dtsch Arztebl, 2016, 113: 14
Fathallah, N. et al.: Drug-induced hyperglycaemia and diabetes. In: Drug Saf, 2015, 38: 1153-1168
Feingold, K. R. et al.: Atypical forms of diabetes. In: Endotext [Internet]. MDText.com, Inc. 2022
Ismail, A. A. et al.: The insulin autoimmune syndrome (IAS) as a cause of hypoglycaemia: an update on the pathophysiology, biochemical investigations and diagnosis. In: Clin Chem Lab Med, 2016, 54: 1715-1724
Landgraf, R. et al.: Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus: Update 2022. In: Diabetologie, 2022, 17: S98-S110
Orphanet: Stiff-Person-Syndrom und verwandte Krankheiten. (Letzter Abruf: 26.07.2023)
Stand: 26.07.2023