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Diabetes Typ 1: Psychische Belastung und Motivation

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Rainer Paust

Die Diagnose Typ-1-Diabetes bedeutet für viele Menschen einen deutlichen Einschnitt. Sie verändert nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Familienangehörigen. Gerade Eltern, deren Kinder an Typ-1-Diabetes erkranken, erleben die Diagnose oft zunächst als großen Schock.

Als chronische Erkrankung fordert Diabetes im Alltag viel Aufmerksamkeit und Einsatz. Für Menschen mit Typ-1-Diabetes bedeutet dies vor allem: Insulin dosieren und spritzen, Kohlenhydrate berechnen, regelmäßig den Blutzucker messen und sich mit Unterzuckerungen oder Folgeerkrankungen auseinandersetzen.

Dies alles berücksichtigen zu müssen, kann sehr belastend sein. Daher ist es wichtig, Mittel und Wege zu kennen, um sich immer wieder selbst zu einem achtsamen und bewussten Umgang mit der Diabetes-Erkrankung zu motivieren. Das gilt auch für die Partnerin oder den Partner sowie für Familienangehörige von Menschen mit Typ-1-Diabetes.



1. Mögliche Folgen der psychischen Belastung bei Diabetes Typ 1

Ängste können die Diabetes-Therapie stark beeinträchtigen: Vor allem die Angst vor Folgeerkrankungen und die andauernde Blutzuckerkontrolle kann für Menschen mit Typ-1-Diabetes sehr belastend sein. Die negativen emotionalen Reaktionen im Zusammenhang mit den alltäglichen Sorgen, Bedenken und Ängsten rund um die eigene Diabetes-Erkrankung werden auch als „Diabetes-Distress“ bezeichnet.

Wird die psychische Belastung im Laufe der Diabetes-Erkrankung zu groß, kann es zu psychischen Störungen kommen. Diabetesbedingte depressive Phasen und Ängste beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, sondern verschlechtern auch die Einstellung der Blutzuckerwerte. Dies kann den Erfolg einer Diabetes-Therapie erheblich beeinflussen.

Hier lesen Sie mehr dazu, wie Diabetes die Psyche beeinflussen kann.


2. Welche Probleme und Ängste belasten Menschen mit Diabetes Typ 1?

Die Diagnose Typ-1-Diabetes geht häufig mit Unsicherheiten und Ängsten einher. Zumal die chronische Stoffwechselerkrankung die betroffenen Personen ihr ganzes Leben lang begleiten wird. Auch nach der Diagnose bleiben oft viele Sorgen im Alltag bestehen. Fast die Hälfte aller Personen mit Typ-1-Diabetes gab in einer internationalen Studie an, aufgrund des Diabetes stark belastet zu sein.

 

Unterzuckerungen und diabetesbedingte Folgeerkrankungen

Menschen mit Typ-1-Diabetes können diabetesbezogene Ängste entwickeln, die ihren Alltag einschränken. Darunter fallen zum Beispiel die Angst vor Unterzuckerung oder Folgeerkrankungen. Problematisch werden solche Ängste insbesondere dann, wenn Menschen mit Diabetes erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf nehmen, um sich vor Unterzuckerungen (Hypoglykämien) zu schützen. Oder umgekehrt: Wenn Menschen sehr niedrige Blutzuckerwerte mit dem Risiko für Unterzuckerungen anstreben, um hohe Blutzuckerwerte und somit Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Ein Thema kann auch die Angst vor Unterzuckerungen beim Sport sein. Diese Sorge schreckt manchmal davon ab, regelmäßig körperlich aktiv zu sein. Doch wenn einige Faktoren beachtet werden, ist auch Sport mit Typ-1-Diabetes möglich.

Wie sehr einem die Erkrankung Diabetes zu schaffen macht, hängt immer von der persönlichen Belastbarkeit und dem individuellen Stressempfinden ab. Hier kann regelmäßige körperliche Aktivität ein wirksamer Ausgleich zum Alltag mit Typ-1-Diabetes sein. Das körperliche Wohlbefinden lässt sich mit Sport steigern.

Lesen Sie hier mehr zum Thema Typ-1-Diabetes und Sport.

 

Insulintherapie

Es kommt vor, dass Menschen aus Angst vor der Nadel (Spritzenphobie) kein Insulin mehr spritzen oder eine Insulintherapie verweigern.

Andere Personen entwickeln zwanghafte Gedanken in Hinblick auf ihr Körpergewicht und rutschen in eine Essstörung. Ein bekanntes Verhalten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer Essstörung ist das sogenannte „Insulin-Purging“. Dabei wird bewusst zu wenig Insulin gespritzt, um über den Urin vermehrt Zucker (Glukose) auszuscheiden. Die betroffenen Personen hoffen so, Kalorien einzusparen. Insulin-Purging kann jedoch ernste gesundheitliche Folgen haben.

 

Soziales Umfeld

Einige Menschen mit Typ-1-Diabetes verheimlichen ihre Erkrankung am Arbeitsplatz. Sie haben Angst davor, als chronisch krank und damit als nicht belastbar zu gelten und deshalb den Job zu verlieren. Wichtig ist jedoch, dass einige Kolleginnen und Kollegen über die Erkrankung Bescheid wissen und im Falle einer Unter- oder Überzuckerung helfen können. Auch Erste-Hilfe-Leistende sollten informiert sein.

Probleme in der Partnerschaft bei Diabetes Typ 1

Einige Patientinnen und Patienten wünschen sich in der Partnerschaft mehr Unterstützung bei der täglichen Bewältigung der Krankheit. Oft ist aber auch das Gegenteil der Fall, wenn Menschen mit Typ-1-Diabetes das Gefühl bekommen, von ihren Angehörigen bevormundet zu werden.

Die ständige Sorge vor Unterzuckerungen seitens der Partnerin oder des Partners kann dann zum Streitthema werden. Typische Anzeichen für eine Unterzuckerung sind unter anderem Müdigkeit, mangelnde Konzentration, Schweißausbrüche, Blässe und Unruhe. Aufgrund des Energiemangels im Gehirn kann es passieren, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes bei einer Unterzuckerung aggressiv werden und Hilfe ablehnen. Angehörige sollten dieses Verhalten nicht persönlich nehmen. Im Notfall sollten sie wissen, was zu tun ist.

Hier erfahren Sie, wie Sie im Notfall bei Diabetes richtig handeln.

 

Wer Typ-1-Diabetes nicht als Teil seines Lebens akzeptieren kann, neigt dazu, die Erkrankung und damit sich selbst zu vernachlässigen. Das kann in der Folge auch die Partnerin oder den Partner frustrieren, die oder der entweder mit noch größerer Sorge reagiert oder resigniert. Oft entstehen daraus Konflikte.

Bei solchen Problemen hilft meist ein offenes Gespräch. Eine gute Voraussetzung für eine entspannte Partnerschaft ist, der Partnerin oder dem Partner zu erklären, wie viel Selbstbestimmung oder Fürsorge man sich wünscht.

Zudem können bei einer Diabetes-Erkrankung sexuelle Funktionsstörungen auftreten. Auch darüber sollte offen gesprochen werden.

Gut zu wissen:

DiaLife – zusammen Leben mit Diabetes“ heißt ein Schulungsprogramm des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) für Angehörige von erwachsenen Menschen mit Diabetes. Dabei steht ein Schulungsprogramm speziell für Typ-1-Diabetes zur Verfügung.

Wie können Menschen mit Diabetes Typ 1 mit ihren Ängsten umgehen?

Als erste Anlaufstelle bei Ängsten steht immer die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt und das Diabetes-Team zur Verfügung. Seelische Belastungen stören meist das Diabetes-Management und sollten ernst genommen und behandelt werden.

Eignen Sie sich möglichst viel Wissen über die Krankheit an, beispielsweise in Schulungen. Hier erhalten Menschen mit Typ-1-Diabetes wichtige Informationen, um Unter- und Überzuckerungen vorzubeugen und lernen Ursachen und Anzeichen kennen. Darüber hinaus gibt es spezielle Kurse zur besseren Wahrnehmung von und einem verbesserten Umgang mit Unterzuckerungen. An diesen Schulungen können auch Angehörige teilnehmen.

Diabetes-Schulungen beschäftigen sich auch mit Alltagsfragen, unter anderem: Wie wirken sich die Erkrankung und die Insulintherapie auf mein Leben in der Schule oder im Beruf und im Umgang mit der Familie und Freundinnen und Freunden aus? Welchen und wie viel Sport kann ich treiben?

Wenn seelische Belastungen zu groß werden, kann die Hilfe von spezialisierten Psychologinnen und Psychologen oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten nötig werden. Auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) können Menschen mit Diabetes nach Fachkräften mit der Weiterbildung “Fachpsychologe Diabetes“ oder „Psychodiabetologe“ suchen.


3. Diabetes Typ 1 in der Familie

Bei etwa 35.000 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegt ein Typ-1-Diabetes vor. In Deutschland wird jährlich bei etwa 3.700 Kindern die Neudiagnose Typ-1-Diabetes gestellt.

Eltern, deren Kinder die Diagnose Typ-1-Diabetes erhalten, reagieren oftmals geschockt und erleben zahlreiche negative Empfindungen. Häufig haben sie auch das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Besonders Mütter haben nach der Diagnose Angst und reagieren depressiv. Viele Eltern fühlen sich zunächst überfordert und allein gelassen. Reaktionen von Verwandten, Freundinnen und Freunden, Lehrkräften oder Mitschülerinnen und Mitschülern können zusätzlich verunsichern.

Eltern sollten nach der Manifestation des Typ-1-Diabetes an Diabetes-Schulungen teilnehmen. Im Rahmen der Schulungen erhalten sie Informationen über die medizinische Behandlung und können zudem über ihre Gefühle im Zusammenhang mit der Erkrankung ihres Kindes sprechen. Auch Selbsthilfegruppen können unterstützen und bieten eine Anlaufstelle zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung.

Wie erleben Kinder mit Diabetes Typ 1 ihre Erkrankung?

Vor der Pubertät können jüngere Kinder die langfristigen Folgen der Diabetes-Diagnose noch nicht oder nur bedingt abschätzen. Wichtig sind altersgerechte Schulungsprogramme, die den Kindern den Umgang mit der Erkrankung im Alltag vermitteln. Blutzuckermessen können Kinder schon im Vorschulalter lernen und sind mitunter stolz über ihre Selbstständigkeit. Wichtig ist auch, dass die Eltern mit dem Kindergarten oder der Schule offen über die Diabetes-Erkrankung ihres Kindes sprechen.

Hier erfahren Sie mehr zum Thema Diabetes in Kindergarten und Schule.

 

Eine kritische Phase bei Jugendlichen ist die Pubertät: Ihnen wird bewusst, dass sie eine chronische Erkrankung haben und ihr ganzes Leben damit zurechtkommen und Insulin spritzen müssen. Neben der medizinischen kann dann auch psychologische Betreuung wichtig werden. Für die Jugendlichen besteht die Möglichkeit, regelmäßig Diabetes-Sprechstunden wahrzunehmen, um alltägliche Probleme zu besprechen, zum Beispiel: Wie gehe ich mit meiner Erkrankung in der Öffentlichkeit um?

Hier lesen Sie mehr zum Thema Diabetes in der Pubertät.

Die Eltern tragen die Hauptlast der Versorgung

Noch im Krankenhaus weist das Diabetes-Team die Eltern in die Diabetes-Therapie ein. Zu der Gewissheit, dass beim eigenen Kind eine chronische Krankheit vorliegt, kommen dann Blutzuckermessungen, Insulininjektionen und Kohlenhydratberechnungen hinzu. Oft geht dies mit einem Gefühl der Überforderung einher. Dazu kommt die Angst vor dem eigenen Versagen, die Behandlung nicht gut genug umzusetzen – besonders wenn die Blutzuckerwerte stark schwanken. Im weiteren Verlauf kann es zu einem vergleichbaren Zustand wie bei einem Burnout kommen.

Deshalb ist so früh wie möglich nach der Diagnose eine erste Schulung für die Familie sehr wichtig. Hier lernen die Eltern nicht nur das notwendige Wissen und die praktischen Fertigkeiten, sondern haben auch die Möglichkeit, viele Fragen zu stellen.

Im Alltag mit Kindern wird die Blutzuckereinstellung häufig durch Herumtoben, Lust auf Süßigkeiten oder Infekte erschwert. Festgelegte Regeln können helfen, mögliche Konflikte in der Familie zu vermeiden.

Als besonders belastend können Eltern die ständige Angst vor Unterzuckerungen (Hypoglykämien) empfinden, die das Kind selbst noch nicht erkennen oder benennen kann. Die geschulte Nutzung einer kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-System) mit Alarmfunktion kann den Eltern Sicherheit geben.

Insbesondere Mütter versuchen die Betreuung ihres erkrankten Kindes sicherzustellen. Viele reduzieren ihre Arbeitszeit oder geben ihre berufliche Tätigkeit ganz auf. Dies geht mit finanziellen Einbußen einher.

Hilfestellungen für Eltern bei psychischen Belastungen:

  • Eltern werden über kurz oder lang zu Diabetes-Expertinnen und -Experten. Trotzdem sollten Sie sich aktiv Wissen über die Erkrankung aneignen. Nehmen Sie beispielsweise an Schulungen teil. So gelingt es, Ärztinnen oder Ärzten auf Augenhöhe zu begegnen und Hintergründe der Therapie gut zu verstehen.
  • Nehmen Sie sich Zeit, die Krankheit zu akzeptieren und tauschen Sie sich so viel wie möglich aus: innerhalb der Familie, mit Verwandten, Freundinnen und Freunden oder Erziehungs- und Lehrkräften. Es ist wichtig, offen mit der Erkrankung umzugehen.
  • Nutzen Sie Selbsthilfegruppen, um sich sowohl digital als auch vor Ort mit anderen betroffenen Eltern auszutauschen und zu vernetzen. Die Kinderärztin oder der Kinderarzt und die Klinik können bei der Suche nach Gruppen oder Verbänden in der Nähe helfen. Eine zentrale, weitervermittelnde Anlaufstelle ist beispielsweise der Bund diabetischer Kinder und Jugendlicher oder die Initiative Diabetes-Kids.
  • Sie tragen keine Schuld an der Erkrankung Ihres Kindes – quälen Sie sich nicht mit der Frage, ob Sie die Krankheit hätten verhindern können. Die genauen Ursachen für die Entstehung von Typ-1-Diabetes sind bislang nicht geklärt.
  • Akzeptieren Sie, dass auch in der Diabetes-Therapie manchmal Fehler passieren. Es kann nicht immer alles nach Lehrbuch laufen.
  • Suchen Sie sich Hilfe bei Therapeutinnen und Therapeuten oder Psychodiabetologinnen und -diabetologen. Wer auf der Suche nach fachspezifischer Hilfe ist, kann hier nach einer psychodiabetologischen Fachkraft in der Nähe suchen.
  • Gerade nach der Neudiagnose Typ-1-Diabetes können die Diabetes-Nannys der Stiftung Dianiño Hilfe bieten. Sie unterstützen Eltern, wenn noch Angst oder Unsicherheit bei Insulininjektionen und Blutzuckermessungen besteht. Außerdem treten sie mit Institutionen wie Kindergarten, Schule, Hort oder Ausbildungsplatz in Verbindung, um ihnen die Krankheit und den Umgang mit Diabetes zu erklären.

Gut zu wissen:

Für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen stellt das Kindernetzwerk e.V. eine hilfreiche Informationsquelle dar.


4. Wie gelingt es, die Erkrankung Diabetes Typ 1 zu akzeptieren?

Die Erkrankung Typ-1-Diabetes zu akzeptieren, ist die Grundvoraussetzung dafür, sich sorgfältig um die Behandlung zu kümmern. Gefühle, wie Ärger oder Traurigkeit über die Erkrankung, dürfen dabei durchaus zugelassen werden. Es ist aber wichtig, sich einzugestehen, dass der Diabetes von nun an zum Leben gehört.

Viele Menschen mit Diabetes, die ihre Krankheit nur schwer akzeptieren können, fühlen sich von ihr stark eingeschränkt. Dies kann jedoch auf lange Sicht schwerwiegende Folgen haben. Denn eine unzureichende Blutzuckerkontrolle erhöht das Risiko für die Entwicklung von diabetesbedingten Folgeerkrankungen. Diese wiederum verschlechtern die Akzeptanz der Krankheit. Ein Teufelskreis entsteht.

Lesen und hören Sie hier Erfahrungsberichte von Menschen mit Diabetes.

Gut zu wissen:

Die chronische Erkrankung Diabetes erfordert eine lebenslange Anpassungsleistung.

Tipps, die helfen können, den Diabetes zu akzeptieren:

  • Kümmern Sie sich aktiv um Ihre Erkrankung und setzen Sie sich mit ihr auseinander. Sich dauernd über den Diabetes zu ärgern und dagegen anzukämpfen, raubt meist nur mehr Energie.
  • Nehmen Sie Ihren Diabetes emotional an. Hadern Sie nicht mit Ihrer Krankheit, versuchen Sie sie nicht zu verdrängen und hegen Sie keine Schuldgefühle.
  • Suchen Sie sich eine Ärztin oder einen Arzt beziehungsweise eine Psychologin oder einen Psychologen mit Diabetes-Erfahrung. Sie sollten Ihnen zuhören, Ihre Lebenssituation berücksichtigen und keine Vorhaltungen machen, wenn es einmal nicht optimal läuft.
  • Integrieren Sie die Erkrankung in Ihren Alltag mit Beruf und Familie. Der Therapieplan muss zu den eigenen Bedürfnissen passen.
  • Lassen Sie Ausnahmen zu und machen Sie sich keine Vorwürfe, wenn Sie einmal einen unerklärlichen Blutzuckerwert messen.
  • Verfolgen und verwirklichen Sie weiterhin Ihre Lebensziele und lassen Sie den Diabetes nicht Ihr Leben bestimmen.

5. Wie können sich Menschen mit Diabetes Typ 1 zur Behandlung motivieren?

Schätzungen zufolge gerät fast die Hälfte aller Menschen mit Diabetes im Laufe ihres Lebens einmal in eine Motivationskrise. Man hinterfragt den Sinn, täglich die Kraft für Messen, Spritzen oder Kohlenhydratberechnungen aufzubringen. Dies führt nicht selten zur Vernachlässigung der Behandlung. Umso wichtiger ist es, Mittel und Wege zu kennen, mit deren Hilfe sich Menschen mit Typ-1-Diabetes gerade in schwierigen Zeiten wieder selbst motivieren können.

Tipps für mehr Motivation zur Diabetes-Therapie im Alltag:

  • Tauschen Sie sich mit anderen Menschen mit Typ-1-Diabetes aus. Dafür gibt es zum einen Selbsthilfegruppen. Zum anderen beschäftigen sich mittlerweile zahlreiche Foren, Blogs oder Social Media-Kanäle mit der Erkrankung. Darüber können Sie sich beispielsweise Informationen über technische Neuentwicklungen oder Tipps von Gleichgesinnten einholen, Fragen stellen oder Ihren Frust loswerden. Das Lesen und Mitempfinden von praktischen, alltäglichen Gedanken anderer Menschen mit Typ-1-Diabetes bietet oftmals Hilfe und Motivation für den eigenen Umgang mit der Erkrankung.
  • Bleiben Sie informiert und eignen Sie sich neues Diabetes-Wissen an. Nutzen Sie Schulungsangebote. Auch für Menschen, die bereits viele Jahre mit Typ-1-Diabetes leben, können Schulungen noch neue Informationen bereithalten. Eine Liste anerkannter Schulungs- und Behandlungsprogramme stellt die Deutsche Diabetes Gesellschaft bereit.
  • Smartphone-Apps erleichtern den Alltag in vielen Lebenslagen. Auch wenn es um das Diabetes-Management geht, kann das Smartphone ein nützlicher Begleiter sein. Einige Apps starten zur Motivation auch Challenges, in denen man sich mit anderen Menschen mit Diabetes misst. Und natürlich gibt es auch Blutzucker-Tagebücher in elektronischer Form.
  • Beziehen Sie Ihre Familie und Bekannte mit ein und bitten Sie beispielsweise darum, dass Sie ans Blutzuckermessen erinnert werden.
  • Belohnen Sie sich, wenn Sie ein Ziel erreicht haben. Vielleicht ist es Ihnen gelungen Ihren Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) zu senken? Oder Sie hatten eine Woche lang keinen Blutzuckerwert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l)?
  • Suchen Sie sich eine Sportart, die Ihnen Freude macht – auch bei Typ-1-Diabetes profitieren Körper und Geist von Bewegung. Wenn Sie gelernt haben, Ihre Blutzuckerwerte dabei im Blick zu behalten, sind der sportlichen Aktivität keine Grenzen gesetzt.
  • Auch eine ausgewogene Ernährung, Stressreduktion und Entspannung sind für das körperliche und psychische Wohlbefinden förderlich.
  • Zögern Sie nicht, Ihr Diabetes-Team um Hilfe zu fragen.

Quellen:

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Stand: 22.04.2024