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Folgeerkrankungen

Besteht ein Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Polyneuropathie?

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Christian Herder

Seit einiger Zeit werden Luftschadstoffe als möglicher Risikofaktor für Typ-2-Diabetes und diabetesbedingte Folgeerkrankungen diskutiert. In vorherigen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass höhere Konzentrationen von Luftschadstoffen mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Nun hat ein Forschungsteam untersucht, ob dieser Zusammenhang auch zwischen Luftschadstoffen und Nervenerkrankungen, der sogenannten peripheren Polyneuropathie, besteht.

Die Bedeutung von Luftverschmutzung durch Feinstaub und Stickoxide ist für die meisten Diabetes-Komplikationen, insbesondere für die periphere Polyneuropathie, bislang noch unklar. Bei der peripheren Polyneuropathie sind die Nerven, die für die Bewegung der Muskeln (Motorik) und das Berührungsempfinden der Haut (Sensorik) zuständig sind, geschädigt. Die häufigste Form dieser Erkrankung ist die sogenannte distale sensomotorische Polyneuropathie, kurz DSPN. Sie zählt zu den häufigsten Begleiterkrankungen des Diabetes. Neueren Studien zufolge tritt sie jedoch auch zunehmend bei Personen mit starkem Übergewicht (Adipositas) auf. Eine distale sensomotorische Polyneuropathie kann sich auf unterschiedliche Weise zeigen. Manche Menschen spüren Berührungen, Temperaturunterschiede oder Schmerzreize immer schlechter. Bei anderen betroffenen Personen kommt es hingegen zu Missempfindungen, wie Kribbeln, Pelzigkeit oder Brennen bis hin zu starken Schmerzen, zumeist in den Füßen und Unterschenkeln.

Querschnittsanalysen anhand von Daten aus der KORA-Studie

Um den Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und der Häufigkeit sowie dem Risiko für eine distale sensomotorische Polyneuropathie zu untersuchen, wurden Daten von älteren Teilnehmenden mit einem hohen Anteil an Menschen mit Typ-2-Diabetes und Adipositas aus der KORA-Studie (KORA: Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) ausgewertet.

Die Querschnittsanalysen in Bezug auf die Häufigkeit einer Nervenschädigung basierten auf 1.075 Personen im Alter von 62 bis 81 Jahren. Zur Berechnung des Risikos für die Entwicklung einer distalen sensomotorischen Polyneuropathie, wurden Daten von 424 Personen verwendet, die zu Beginn der Studie keine Nervenerkrankung aufwiesen. Innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 6,5 Jahren entwickelten 188 dieser Teilnehmenden eine Polyneuropathie. Die Belastung durch Luftschadstoffe wurde anhand der jährlichen Durchschnittskonzentrationen am Wohnort erfasst.

Risikofaktor starkes Übergewicht

Die Auswertung ergab, dass Personen mit Adipositas ein erhöhtes Risiko für das Auftreten und die Entwicklung einer distalen sensomotorischen Polyneuropathie bei höherer Luftschadstoffbelastung aufwiesen. Bei den Studienteilnehmenden mit Typ-2-Diabetes zeigte sich hingegen kein Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und einer peripheren Polyneuropathie.

Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung und Adipositas-Vorbeugung fördern

Diese Studiendaten deuten darauf hin, dass nicht alle Personen in gleicher Weise auf Luftschadstoffe reagieren, sondern, dass es bestimmte Gruppen in der Bevölkerung gibt, für die Luftschadstoffe mit besonders hohen gesundheitlichen Risiken verbunden sind, schlussfolgern die Forschenden. In weiteren Studien gilt es nun diesen Zusammenhang zu bestätigen.

Da bislang die Ursachen, die zur peripheren Polyneuropathie führen, nur unzureichend bekannt sind, identifiziert diese Erhebung die Luftverschmutzung als einen neuen potentiell beeinflussbaren Risikofaktor. Zudem unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung von Maßnahmen zur Verringerung der Ausschüttung von Luftschadstoffen sowie von Strategien zur Vorbeugung und Behandlung von Adipositas in der Allgemeinbevölkerung.
 

Quelle:
Herder, C. et al.: Association of Long-Term Air Pollution with Prevalence and Incidence of Distal Sensorimotor Polyneuropathy: KORA F4/FF4 Study. In: Environ Health Perspect, 2020, 128: 127013