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Stress als Risikofaktor für Diabetes Typ 2

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Berthold Maier

Psychischer Stress gilt mittlerweile als eigenständiger Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Wie Übergewicht, Rauchen oder Bluthochdruck erhöht auch dauerhafter Stress das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Denn überschüssige Stresshormone wie Kortisol, Noradrenalin und Adrenalin schädigen die Gesundheit in mehrfacher Hinsicht: Sie erhöhen den Blutzuckerspiegel und die Blutfettwerte, schwächen die Wirkung von Insulin und führen zu Übergewicht und Bluthochdruck.

Mentaler Stress kann viele Ursachen haben. Rund jeder Fünfte beispielsweise ist von einer zu hohen Arbeitsbelastung betroffen und reagiert dauerhaft gestresst. Auch Depressionen und Angstzustände, Schlaflosigkeit oder ständig negative Stimmungen wie Wut und Feindseligkeit stellen Stressquellen dar und erhöhen damit das Risiko  für Typ-2-Diabetes. Leidet ein Mensch unter Stress, ist es besonders wichtig, auf seinen Körper zu achten. So helfen beispielsweise Sport, Stressbewältigungs-Programme oder Achtsamkeitsübungen, einem stressbedingten Typ-2-Diabetes vorzubeugen.



1. Risikofaktoren für die Entstehung von Diabetes Typ 2

Typ-2-Diabetes entsteht nicht zufällig. Eine Reihe von Einflussfaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck, die Genetik oder eine ballaststoffarme und fettreiche Ernährung erhöhen das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Daneben tragen psychische Störungen zur Entstehung der Stoffwechselerkrankung bei, beispielsweise Depressionen oder Angststörungen.

Seit Langem ist bekannt, dass Stressursachen wie Lärm, zu hohe Anforderungen im privaten und beruflichen Leben und einschneidende Schicksalsschläge wie der Verlust eines Angehörigen zu Typ-2-Diabetes führen können. Die permanente Anspannung am Arbeitsplatz birgt sogar ein bis zu 45 Prozent höheres Risiko für Typ-2-Diabetes. Dies ergab die Auswertung einer Bevölkerungsstudie, in der über 5.300 berufstätige Frauen und Männer über mehrere Jahre lang beobachtet wurden. Nach einer Beobachtungszeit von etwa 12 Jahren hatten knapp 300 Personen einen Typ-2-Diabetes entwickelt. Womit die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht gerechnet hatten: Die berufliche Dauerbelastung erhöhte das Risiko für Typ-2-Diabetes ganz unabhängig von den bekannten Einflussfaktoren wie Übergewicht oder Bluthochdruck. Stress stellt also einen eigenständigen Risikofaktor dar.

diabinfo-Podcast Diabetes-Vorsorge: Was ist neben Bewegung und Ernährung wichtig? (PD Dr. Andreas Lechner)

PD Dr. Andreas Lechner erklärt, welche Faktoren neben regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung bei der Typ-2-Diabetes-Vorsorge wichtig sind und was man bei Prädiabetes, erhöhten Blutfettwerten und Bluthochdruck tun kann.


2. Was löst Stress im Körper aus?

Stress ist keine neuzeitliche Erscheinung, sondern eine stammesgeschichtlich sehr alte körperliche Reaktion, um in lebensbedrohlichen Gefahren rasch fliehen oder kampfbereit sein zu können. Eine Stresssituation aktiviert innerhalb kürzester Zeit das sogenannte sympathische Nervensystem, Teile des Gehirns und die Nebennierenrinden, die in Folge zahlreiche Stresshormone produzieren und an den Körper abgeben.

Die Stresshormone wie Kortisol, Noradrenalin und Adrenalin erfüllen dann ihre Aufgaben, indem sie das Herz-Kreislauf-System, Immunsystem, Nervensystem und Gehirn aktivieren: Der Blutdruck steigt, wir atmen schneller und unsere Muskeln spannen sich an. Wer kämpft oder sprintet, ist außerdem auf ausreichend Energie angewiesen. Auch dafür sorgen die Stresshormone. Sie regen an, dass vermehrt Zucker und Fette ins Blut abgegeben werden und die Körperzellen mit Energie versorgen. Ist die Gefahr gebannt und die Sicherheit kehrt zurück, fahren die Systeme herunter und sorgen wieder für ein inneres Gleichgewicht.


3. Stress schadet der Gesundheit

In unserer heutigen Gesellschaft sind lebensbedrohliche Situationen eher selten, aber die Zahl der Stressauslöser (auch Stressoren genannt) ist hoch. Auch wenn äußere wie innere Stressoren wie Lärm, Luftverschmutzung oder Einsamkeit, Sorgen und zu hohe Anforderungen des Lebens nicht mehr lebensbedrohlich sind, reagiert der Körper ähnlich wie vor tausenden von Jahren: Der Blutdruck steigt und der Körper wird überflutet mit Zucker und Fetten zur Energieversorgung. Fehlen dem gestressten Organismus Erholungsphasen, können körperliche und psychische Gesundheitsschäden folgen.

Die sicht- und fühlbaren Reaktionen auf Stress sind

  • Schwitzen
  • Herzrasen
  • Innere Unruhe
  • Zähneknirschen
  • Muskelverspannungen
  • Durchfall und Verstopfung
  • Bauch- und Magenschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Ohrgeräusche
  • Schlaflosigkeit

Dauerhafter Stress beeinträchtigt außerdem die Gedächtnisleistung und kann die Lern- und Merkfähigkeit verschlechtern. Die Konzentration lässt nach, Entscheidungen werden schlechter getroffen oder negative Gedanken machen sich breit. Auf emotionaler Ebene führt chronischer Stress zu Sorgen, Zweifeln, Ängsten, Aggressionen, Lustlosigkeit und/oder Unzufriedenheit.

Langfristig stellt dauerhafter Stress einen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar, darunter koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Permanent erhöhte Level an Stresshormonen beeinflussen außerdem das Immunsystem nachteilig, was mit chronischen Entzündungsprozessen einhergeht und damit auch Krebserkrankungen und Typ-2-Diabetes fördert. Die stressbedingten Hormone verändern sogar die Gehirnstruktur und die psychische Gesundheit. Schlafstörungen, Angststörungen, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen zählen daher zu weiteren gesundheitlichen Folgeerkrankungen von Stress. Ein Zusammenhang von Stress und Epilepsie, Parkinson oder Multipler Sklerose konnte ebenfalls gezeigt werden.

Stress beeinflusst daher das körperliche, emotionale und psychologische Wohlbefinden und wirkt sich auf das soziale Leben sowie die Lebensqualität aus. Wer dauerhaft gestresst ist, sucht häufig nach einem Ventil zur Stressbewältigung. Anstatt auf Achtsamkeitsübungen, Erholungsphasen oder Sport zu setzen, kompensieren betroffene Personen ihre Anspannung mitunter über Rauchen, Alkoholkonsum, Medikamentenmissbrauch oder ein ungesundes Ernährungsverhalten, was die Abwärtsspirale in Richtung Krankheit verschlimmert.

diabinfo-Podcast Tipps für einen besseren Schla­f (Prof. Dr. Bern­hard Kul­zer)

Wir sprechen mit Prof. Dr. Bernhard Kulzer, Leiter der psychosozialen Abteilung der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim, unter anderem über die Auswirkungen von Schlafmangel, wann ein Schlafmangel ein Problem wird und welche Möglichkeiten es gibt den eigenen Schlaf zu verbessern.


4. Stress führt zur Entstehung von Diabetes Typ 2

Bereits kurzzeitiger Stress beeinträchtig die körperliche Gesundheit. So konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass das Stresshormon Kortisol an der Entwicklung von Typ-2-Diabetes beteiligt ist. Die Forschenden verabreichten gesunden Mäusen Kortisol über ihr Trinkwasser, das innerhalb kurzer Zeit seine Wirkung zeigte: Die Tiere fraßen deutlich mehr, bewegten sich aber weniger. Ihr Gewicht erhöhte sich daher bereits nach 4 bis 5 Wochen. Im Blut der Mäuse konnten stark erhöhte Zucker- sowie Fettwerte und insgesamt mehr Fetteinlagerungen nachgewiesen werden. Außerdem nahm die Wirkung des Insulins bis hin zur Insulinresistenz ab und der Blutdruck stieg.

Gut zu wissen:

Zu den wesentlichen Folgen von Stress gehören daher Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutzuckerwerte und veränderte Blutfettwerte. Genau diese Parameter definieren das sogenannte Metabolische Syndrom, das das Risiko für Typ-2-Diabetes deutlich erhöht.

Dass dauerhafter Stress auf das Immunsystem, das Nervensystem und das Gehirn, das Verhalten, den Stoffwechsel und das Hormonsystem einwirkt und die Entstehung von Typ-2-Diabetes begünstigt, konnten bis heute etliche, mitunter sehr große Bevölkerungsstudien belegen. Im Jahr 2013 befasste sich beispielsweise eine große dänische Bevölkerungsstudie mit dem Zusammenhang zwischen Straßenverkehrslärm und dem Risiko für Typ-2-Diabetes. Von den insgesamt 57.000 Teilnehmenden erkrankten fast 4.000 Menschen an Typ-2-Diabetes. Ein um 10 Dezibel höherer Straßenlärm führte zu einem relevanten Anstieg des Risikos, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.


5. Wie können Personen mit stressigen Situationen umgehen?

Manche Stressauslöser wie Straßenlärm, eine zu hohe Arbeitslast, Einsamkeit oder Schicksalsschläge können nicht einfach beseitigt oder überwunden werden. Daher brauchen wir geeignete Strategien, um die hohen Anforderungen nicht nur bewältigen zu können, sondern dabei auch gesund zu bleiben.

Entscheidend dabei ist, nach Phasen der Anspannung wieder zur Ruhe zu kommen und sich regenerieren zu können. Auch kurzfristig helfen „Blitzübungen“, sich rasch zu entspannen. Sie sind leicht in den Alltag zu integrieren und wirken gut. Daneben helfen progressive Muskelentspannung oder Stress-Management-Programme, um die innere Unruhe zu reduzieren und neue Energien aufzubauen. Bewegung und Sport fördern zudem den Stoffwechsel in Gang zu bringen und Stresshormone abzubauen. Wer sich einsam fühlt oder mit zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen hat, kann außerdem Unterstützung in Form von Psychotherapien erfahren.

diabinfo-Podcast Der richtige Umgang mit Stress (Prof. Dr. Bern­hard Kul­zer)

Ob eine Situation als stressig empfunden wird, hängt zum großen Teil vom individuellen Empfinden ab. Jeder Mensch kann lernen, eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit Stress zu entwickeln. Schon kleine Achtsamkeitsübungen können helfen, im Alltag zur Ruhe zu kommen. Darüber sprechen wir mit Prof. Dr. Bernhard Kulzer, Leiter der psychosozialen Abteilung der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim.


6. Entspannungs-Tipps

In unserem Video erhalten Sie einen Einblick in verschiedene Entspannungsübungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen.

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Quellen:

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Haring, R. (Hrsg.) (2019): Gesundheitswissenschaften. Springer-Verlag, Heidelberg, ISBN: 3662583135
Huth, C. et al.: Job strain as a risk factor for the onset of type 2 diabetes mellitus: findings from the MONICA/KORA Augsburg cohort study. In: Psychosom Med, 2014, 76: 562-568
Karatsoreos, I. N. et al.: Endocrine and physiological changes in response to chronic corticosterone: a potential model of the metabolic syndrome in mouse. In: Endocrinology, 2010, 151: 2117-2127
Kulzer, B. et al.: Psychosoziales und Diabetes. In: Diabetologie, 2021, 16: S389-S405
Kulzer, B. et al.: S2-Leitlinie Psychosoziales und Diabetes – Langfassung (Teil 2). In: Diabetologie, 2013, 8: 292-324 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Merabet, N. et al.: How exposure to chronic stress contributes to the development of type 2 diabetes: A complexity science approach. In: Front Neuroendocrinol, 2021, 65: 100972
Sørensen, M. et al.: Long-term exposure to road traffic noise and incident diabetes: a cohort study. In: Environ Health Perspect, 2013, 121: 217-222
Stand: 30.03.2023