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Umweltfaktoren

Ist die Chemikalie Bisphenol A (BPA) ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes?

Viele verschiedene Faktoren begünstigen die Entstehung eines Typ-2-Diabetes. Im Vordergrund stehen vor allem ein ungesunder Lebensstil und eine erbliche Veranlagung. Doch auch bestimmte Umweltfaktoren können eine Rolle spielen. In letzter Zeit mehren sich die Belege für den Verdacht, dass insbesondere die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) die Entwicklung von Adipositas und Typ-2-Diabetes fördert.

Bei Typ-2-Diabetes sind verschiedene Vorgänge im Zuckerstoffwechsel gestört, wodurch der Blutzucker dauerhaft erhöht ist. Normalerweise sorgt das Hormon Insulin dafür, dass der Zucker zum Beispiel nach dem Essen aus dem Blut in die Zellen gelangt. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel wieder. Bei Typ-2-Diabetes reagieren die Zellen jedoch nicht mehr so sensitiv auf das freigesetzte Insulin. Diese Störung nennt man Insulinresistenz.

Neben Lebensstilfaktoren und genetischen Veranlagungen rücken zunehmend auch Umweltfaktoren in das Interesse von Forschenden, die die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördern könnten. So wurde kürzlich eine Forschungsarbeit veröffentlicht, in der die derzeitigen Erkenntnisse über die Rolle von BPA bei der Entwicklung von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes zusammengefasst wurden. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war insbesondere zu untersuchen, wie BPA den Zuckerstoffwechsel und die Insulinresistenz beeinflusst.

 

Bisphenol A kann das Hormonsystem beeinflussen

Die Substanz BPA, aus der der Kunststoff Polycarbonat hergestellt wird, ist in vielen Produkten des täglichen Gebrauchs enthalten. Im Vordergrund stehen insbesondere Lebensmittelverpackungen, Plastikflaschen, Plastikspielzeug und Dosenauskleidungen. BPA zählt zu den sogenannten endokrinen Disruptoren. Unter diesem Begriff versteht man Stoffe, die für den Menschen hormonell schädigend sind. Diskutiert wird vor allem, dass BPA die Wirkungen von natürlichen Östrogenen nachahmt und in der Lage ist, das Hormonsystem zu beeinflussen und auf diese Weise ähnliche Effekte wie beim metabolischen Syndrom erzeugt. Akut ist die Giftigkeit gering, jedoch ist der Mensch BPA ständig ausgesetzt, weshalb es als Umweltfaktor betrachtet werden kann.

 

Verschiedene Aspekte deuten auf Zusammenhänge hin

Die Forschenden werteten insgesamt 17 Artikel aus den letzten 10 Jahren aus. Alle Arbeiten beschäftigen sich mit dem endokrinen Disruptor BPA und dessen Zusammenhang mit Insulinresistenz oder Kohlenhydratintoleranz.

Einige Studien zeigten, wie sich die Zellen des Fettgewebes – ähnlich wie bei Übergewicht – vergrößern können, wenn sie bestimmten BPA-Konzentrationen ausgesetzt sind. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass BPA in der Lage ist, insbesondere in der embryonalen Entwicklung und nach der Geburt als endokriner Disruptor zu wirken. Die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft am häufigsten genannte Erklärung für dieses Phänomen liegt in den Eigenschaften dieser Verbindung: BPA kann an die Östrogenrezeptoren der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse binden, die eine insulinstimulierende Wirkung haben.

Zudem konnte gezeigt werden, dass die Nachkommen von Mäusen, die BPA ausgesetzt waren, eine erhöhte Insulinausschüttung aufwiesen, auch wenn diese selbst keinem BPA ausgesetzt waren. Dies ist eine physiologische Antwort des Körpers auf Kohlenhydratintoleranz, die beim metabolischen Syndrom und Typ-2-Diabetes auftritt.

Auch die Tatsache, dass die Spiegel von Leptin, Triglyzeriden und Glycerin ebenfalls erhöht waren, spricht für die Rolle von BPA als endokriner Disruptor. Diese Befunde ähneln denen des metabolischen Syndroms, bei dem eine der Hauptursachen die Fettleibigkeit ist. Das metabolische Syndrom gilt als eigenständige Erkrankung, die auch das Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht.

Mehrere Autorinnen und Autoren kamen darüber hinaus zu dem Schluss, dass es einen Unterschied zwischen der Wirkung bei Männern und Frauen geben könnte. Allerdings zeigten mehrere Studien, dass die Störungen des Zuckerstoffwechsels bei Männern größer waren, während andere Studien eher bei Frauen kritische Ergebnisse fanden. Gründe für diese Geschlechter-Unterschiede sind noch unklar und müssen weiter überprüft werden.

 

Wie viel BPA ist tatsächlich schädigend?

Derzeit unbeantwortet ist die Frage, bei welchen Konzentrationen BPA als endokriner Disruptor wirkt. Es wurde beobachtet, dass die Störungen hauptsächlich bei niedrigen BPA-Dosen auftraten und nicht bei höheren Dosen. Ob es tatsächlich einen bestimmten Wertebereich gibt, bei dem BPA-Konzentrationen weniger schädlich sind, muss jedoch in weiteren Studien noch genauer untersucht werden.

 

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus dieser Übersichtsarbeit ist, dass BPA in der Lage ist, das endokrine System zu stören, was zu Effekten führt, die denen des metabolischen Syndroms sehr ähnlich sind, wie zum Beispiel erhöhte Triglyzeridwerte und Insulinresistenz.

Eine wichtige Einschränkung der beschriebenen Forschungsarbeit ist, dass es sich bei den meisten analysierten Artikeln um Tierstudien und nicht um Humanstudien handelt. Zudem wurden die durch BPA hervorgerufenen Störungen im endokrinen System untersucht, ohne mögliche Wechselwirkungen mit anderen externen Faktoren zu berücksichtigen.

 

Quellen:

Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten. 2020. (Letzter Abruf: 14.07.2021)

Pérez-Bermejo, M. et al.: The Role of the Bisphenol A in Diabetes and Obesity. In: Biomed, 2021, 9: 666