Die Unterscheidung von Diabetesformen verfeinern
Etwa 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche leben weltweit mit Diabetes. Am häufigsten tritt dabei die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes auf. Seltener gibt es in dieser Altersgruppe den durch Insulinresistenz geprägten Typ-2-Diabetes sowie andere spezifische Formen, wie den MODY-Diabetes.
Eine bisher ungelöste Frage ist, ob es innerhalb dieser Diabetesformen weitere Subgruppen gibt, die aufgrund von Unterschieden in der Krankheitsentstehung von verschiedenen Therapieformen profitieren könnten. Forschende haben nun in einer repräsentativen Kohorte von 1.192 Kindern und Jugendlichen mit neu diagnostiziertem Diabetes insgesamt 10 Subgruppen identifiziert.
Auf der Suche nach Algorithmen
Die Forschenden suchten nach Algorithmen, um bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren mit neu aufgetretenem Diabetes Subgruppen zu ermitteln, die sich hinsichtlich der C-Peptid-Konzentrationen im Blut unterscheiden. Das C-Peptid ist ein Indikator für die Insulinsekretion beziehungsweise die Restfunktion der Beta-Zellen. Bekannt ist, dass eine gegenläufige Beziehung zwischen der Menge an Beta-Zell-Restfunktion und dem Schweregrad der Diabeteserkrankung sowie der Krankheitsprognose besteht.
Die Analyse wählte Alter, Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) und Body-Mass-Index (BMI) als Kriterien, die die Teilnehmenden in 7 Inselautoantikörper-positive und 3 Inselautoantikörper-negative Subgruppen einteilten.
Subgruppen unterscheiden sich durch Merkmale verschiedener Diabetesformen und hinsichtlich der Prognose
Es wurden zusätzliche biochemische Messungen einbezogen, um nach Unterschieden in der Krankheitsentstehung und der Therapie zwischen den identifizierten Subgruppen zu suchen. Zwischen den Gruppen gab es erhebliche Unterschiede in Bezug auf C-Peptid, Genetik, Entzündungsmarker, Diabetes-Familienanamnese, Lipide, 25-OH-Vitamin D3, Insulinbehandlung, Insulinsensitivität und Insulin-Autoimmunität. Die Methode stratifizierte die Patientinnen und Patienten mit potenziell unterschiedlichen Pathogenesen und Prognosen.
Interferon-ɣ- und/oder Tumornekrosefaktor-Entzündungsprofile und Insulin-Autoimmunität waren in den jüngsten Inselautoantikörper-positiven Subgruppen und bei Probanden mit den niedrigsten C-Peptid-Werten angereichert. Demgegenüber standen Subgruppen älterer Patientinnen und Patienten mit Inselautoantikörpern und höherem C-Peptid, die Merkmale aufwiesen, die üblicherweise mit Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht werden, darunter Insulinunempfindlichkeit oder ein hoher BMI.
Unter den Inselautoantikörper-negativen Probanden identifizierte die Analyse eine weitere Subgruppe mit deutlichen Merkmalen von Typ-1-Diabetes sowie Subgruppen, die mit MODY-Diabetes oder Typ-2-Diabetes angereichert waren.
Die Robustheit des verwendeten Analyse-Ansatzes wurde in einer unabhängigen zweiten Patientenkohorte mit 2.722 Teilnehmenden bestätigt. Diese wurde im Median 7 Jahre lang nachbeobachtet. Es zeigte sich, dass die definierten Subgruppen prognostische Bedeutung hatten. Bei Probanden der jeweiligen Subgruppen wurden nach 7 Jahren noch vergleichbare Unterschiede im HbA1c-Wert wie nach Diabetesmanifestation nachgewiesen.
Parameter in der Praxis bereits vorliegend
Die Forschenden weisen auf einen entscheidenden Vorteil in Bezug auf die Kriterien hin, mithilfe derer sie die Subgruppen gebildet haben: Es sind einfach verfügbare Parameter, die dem medizinischen Personal kurz nach Beginn der Erkrankung zur Verfügung stehen und daher in der Klinik leicht verwendet werden können.
Die Ergebnisse zeigen auf, dass Diabetes im Kindes- und Jugendalter in prognostisch relevante Gruppen mit unterschiedlichen Merkmalen wie Entzündung oder Insulinunempfindlichkeit eingeteilt werden können. Dies bietet Chancen für eine subgruppenspezifische Anwendung von Therapien, die auf solche Merkmale abzielen.
Quelle:
Achenbach et al.: A classification and regression tree analysis identifies subgroups of childhood type 1 diabetes. In: eBioMedicine, 2022, 82: 104118