Hauptinhalt anzeigen
Nachrichten
SARS-CoV-2

Mehr SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern in Bayern als bekannt

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Anette-Gabriele Ziegler

Eine Früherkennungsstudie zu Typ-1-Diabetes bezog einen Antikörpertest gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in ihre Untersuchungen mit ein, um Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus bei Kindern in Bayern zu gewinnen. Die Studienergebnisse enthüllen eine 6-mal höhere Antikörperhäufigkeit als die gemeldeten Fälle vermuten ließen. Dies unterstreicht die Bedeutung bevölkerungsweiter Antikörper-Screenings zur Überwachung des Pandemieverlaufs.

"Fr1daplus" ist eine bayernweite Bevölkerungsstudie zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes bei Kindern, die noch keine Diabetes-Symptome zeigen. Das Forschungsteam erweiterte die bestehenden Tests der Studie nun um einen neuen Ansatz für SARS-CoV-2-Antikörper. Rückwirkend wurden Proben von August 2019 bis heute auch auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 getestet.

Neuer Ansatz zur Messung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2

Derzeitige Antikörpertests weisen eine mangelnde Spezifität auf, was zu einem großen Anteil falsch-positiver Ergebnisse führt. Das bedeutet, dass die Tests viele Menschen als infiziert oder ehemals infiziert anzeigen, die das Virus in Wirklichkeit noch nie hatten. Forschende entwickelten nun einen neuen, zweistufigen Ansatz zur Messung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2. Dieser führt zu besonders genauen Ergebnissen mit einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent. Das heißt, dass dieser Test nahezu keine falsch-positiven Ergebnisse hervorbringt (Spezifität). Weniger als 5 Prozent der tatsächlich Infizierten werden hingegen nicht erfasst (Sensitivität). 

Ergebnisse des SARS-CoV-2-Antikörper-Screenings

Zwischen Januar und Juli 2020 untersuchten die Forschenden knapp 12.000 Blutproben von Kindern in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren auf SARS-CoV-2-Antikörper.

  • Zwischen April und Juli wiesen im Schnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf, also 87 von 1000 Kindern.
  • Im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) gemeldeten Fällen von Kindern in Bayern (zwischen 0 und 18 Jahren), die zwischen April und Juli positiv auf das Virus getestet wurden, war die Antikörperhäufigkeit damit 6-mal höher.  
  • Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigte sich nicht.
  • Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern hatte keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung gezeigt.
  • Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getesteten Familienmitglied zusammenlebten, wies Antikörper auf. Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben.
  • Zudem zeigten die Ergebnisse innerhalb Bayerns deutliche regionale Unterschiede. Am meisten positive Antikörpertests gab es im Süden Bayerns.

Eine Zunahme von Typ-1-Diabetes-Autoantikörpern wurde nicht beobachtet. Die Forschenden schlussfolgern, dass COVID-19 und Typ-1-Diabetes bei Kindern nicht miteinander assoziiert sind.

Nach Einschätzung der Autorinnen und Autoren könnten nationale Programme, die mit hoher Spezifität und Sensitivität auf Antikörper testen, den Ländern zuverlässige Daten liefern, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Maßnahmen zu überprüfen. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reiche es nicht aus, auf das Virus selbst zu testen, da vor allem Kinder häufig keine COVID-19-typischen Symptome zeigten.

Einschränkungen der Studie

Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind erst nach einer bis vier Wochen nachweisbar. Deshalb können diese Messwerte nicht dafür genutzt werden, um Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen zu treffen. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass SARS-CoV-2-Antikörper zu einer Immunität gegen das Virus führen. Falls dies belegt werden sollte, könnten die Ergebnisse Informationen zur Immunitätslage der Kinder in Bayern liefern.


Quelle:
Hippich, M. et al.: Public health antibody screening indicates a six-fold higher SARS-CoV-2 exposure rate than reported cases in children. In: Med, 2020


Dashboard
Die Studienergebnisse sind gemeinsam mit einer Übersicht zur geografischen Verteilung der Antikörperhäufigkeit in einem Online-Dashboard verfügbar. Die Zahlen werden monatlich aktualisiert.