Hauptinhalt anzeigen

Allgemeines zum Krankheitsbild Diabetes mellitus

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Kálmán Bódis

Wel­che Ne­ben­wir­kun­gen der In­su­li­ne kön­nen vor­kom­men? Wel­che Un­ter­su­chun­gen soll­ten bei Men­schen mit Dia­be­tes re­gel­mä­ßig statt­fin­den? Hier finden Sie eine Auswahl an häufig gestellten Fragen zum Krankheitsbild Diabetes, mit denen Ihnen Patientinnen und Patienten in der Praxis oder Apotheke möglicherweise begegnen. 

Wie hoch ist die Insulinproduktion eines gesunden Menschen?

Im Tagesverlauf gibt die Bauchspeicheldrüse kontinuierlich minimale Insulinmengen ab, um den Grundbedarf zu decken. Nach einer Mahlzeit erhöht sich die Abgabe von Insulin deutlich. Das Insulin sorgt dafür, dass die Glukose aus der Nahrung in die Zellen der verschiedenen Organe gelangt, zum Beispiel in die Leber, die Muskeln oder ins Fettgewebe.

Der Kohlenhydratstoffwechsel hängt zudem von vielen verschiedenen Faktoren ab. So kann die benötigte Insulinmenge individuell für jeden Menschen unterschiedlich sein und ist von Faktoren wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Training und Fitness, Essgewohnheiten (Menge, Zusammensetzung) oder auch Stress abhängig.

Wieso entstehen Blutergüsse nach der Injektion von Insulin?

Blutergüsse können insbesondere dann entstehen, wenn beim Spritzen kleine Blutgefäße getroffen werden. Insulin soll ins Unterhautfettgewebe verabreicht werden. Für die Injektion sucht man sich am besten eine gut sichtbare und gut zugängliche Körperstelle seitlich am Bauch. Der Einstich sollte senkrecht erfolgen. Nadeln von 4 bis 8 Millimeter Länge sind ausreichend. Diese sollten aber vollständig ins Unterhautfettgewebe eingebracht werden, damit das verabreichte Insulin tatsächlich ganz ins Gewebe injiziert wird. Die Einstichstellen sollten gewechselt werden, um Gewebeveränderungen zu vermeiden, die auch zu einer fehlerhaften Insulinaufnahme führen können.

Gut zu wissen:

Achtung: Patientinnen und Patienten sollten nicht zu tief spritzen! Sonst gelangt das Insulin in die Muskeln anstatt ins Fettgewebe, wo die Wirkung sehr rasch und weit weniger kontrolliert erfolgt.

Welche Nebenwirkungen der Insuline können vorkommen?

Auf dem Markt befinden sich viele Insuline mit unterschiedlicher Wirkdauer und verschiedenen Einsatzmöglichkeiten. In seltenen Fällen kann es durch die Verwendung eines Insulinpräparates zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen, die mit Hautausschlägen, Jucken, Schwitzen, Atemnot oder Herz-Kreislauf-Beschwerden einhergehen können (siehe auch Fachinformationen zu den einzelnen Präparaten). Diese Beschwerden werden zum Teil gar nicht durch das Insulin, sondern durch Zusatzstoffe in der Insulinlösung ausgelöst.

Hautreaktionen oder Allergien können auch durch das Kontaktallergen Acrylat auftreten, das sich in Insulinpumpen und Glukosesensoren für Menschen mit Diabetes befindet. Eine Untersuchung an Kindern mit Typ-1-Diabetes zeigte ein weiteres speziell für Diabetes-Patientinnen und -Patienten relevantes Kontaktallergen: Kolophonium, ein Baumharz. Es dient als Haftmittel, um zum Beispiel Glukosesensoren auf der Haut zu befestigen.

Welche Untersuchungen sollten bei Menschen mit Diabetes regelmäßig stattfinden?

Die folgenden Untersuchungen sollten bei Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes jährlich erfolgen:

  • Untersuchung auf Nervenstörungen: Bei einer bereits bekannten Neuropathie sollte die Verlaufskontrolle mindestens alle 6 Monate stattfinden. Bei Menschen mit einem Typ-1-Diabetes und einer schlechten Stoffwechsellage führen Ärztinnen oder Ärzte nach einer Diabetes-Dauer von 5 Jahren die ersten Untersuchungen durch, um eine Neuropathie zu erkennen. Bei Kindern erfolgen die ersten Untersuchungen ab dem 11. Lebensjahr. Danach werden die Untersuchungen jedes Jahr wiederholt. Bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes ohne Anzeichen einer Neuropathie führt die Ärztin oder der Arzt 1-mal jährlich Untersuchungen durch, um Nervenschäden frühzeitig zu erkennen.

Gut zu wissen:

Auch die Psyche sollte regelmäßig Thema sein zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient. Depressive Störungen treten bei Menschen mit Diabetes häufiger auf als bei Menschen ohne Diabetes.

  • Untersuchung der Füße: Wunden an den Füßen können Ausgangspunkt für das diabetische Fußsyndrom sein.
  • Untersuchung der Nierenfunktion: Eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion sollte bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ab dem 5. Jahr der Diabetes-Erkrankung beziehungsweise bei Kindern ab dem Einsetzen der Pubertät erfolgen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sollte die Ärztin oder der Arzt die Nierenfunktion sofort nach Diagnose der Diabetes-Erkrankung überprüfen.
  • Untersuchung der Augen: Menschen mit Diabetes sollten sich alle 2 Jahre auf Netzhautveränderungen untersuchen lassen, wenn keine Risikofaktoren vorliegen. Falls einer oder mehrere Risikofaktoren (zum Beispiel Rauchen, Bluthochdruck oder Nierenschädigung) für die Entwicklung einer diabetischen Augenerkrankung bestehen, sollte eine jährliche Untersuchung erfolgen. Die DDG empfiehlt Menschen mit Typ-1-Diabetes ab dem 11. Lebensjahr oder spätestens 5 Jahre nach der Diagnosestellung und bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sofort nach einer Diagnosestellung eine Kontrolle des Augenhintergrundes.

Mindestens alle 2 Jahre sollte eine Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems erfolgen: Liegt ein Bluthochdruck vor oder eine andere Herzerkrankung? Vor allem bei Raucherinnen und Rauchern ist diese Untersuchung sehr wichtig. Der Konsum von Tabak gilt als schwerwiegender Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Rauchen hat nicht nur langfristige Folgen, sondern wirkt auch akut auf den Körper: Noch während des Rauchens verengen sich die Gefäße, die Herzfrequenz erhöht sich und der Blutdruck steigt.

Zudem sollten Menschen mit Diabetes 2-mal jährlich Kontrollen der Zähne, des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut durchführen lassen.

Welche Rolle spielen Homöopathika oder andere „alternativmedizinische Mittel“ in der Therapie des Diabetes Typ 2?

Entsprechend der Nationalen Versorgungsleitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes“ spielen Homöopathika oder andere „alternativmedizinische Mittel“ in der Behandlung des Diabetes mellitus keine Rolle, weil sie entweder nicht wirksam sind oder ein sehr hohes Risiko unerwünschter Wirkungen haben. Studien mit patientenrelevanten Endpunkten fehlen ganz. Derzeit sind weit über 100 Arzneipflanzen mit hypoglykämischer Wirkung bekannt. Zu ihnen gehören Zimt (die Rinde von Zimtbäumen, Cinnamomum verum oder Cinnamomum cassia), Bittermelone (Momoridica charantia) und weitere pflanzliche Präparate.

Auch Bestandteile des unter der Bezeichnung Chaga bekannten Pilzes (lateinischer Name: Inonotus obliquus) werden mit einer blutglukosesenkenden Wirkung in Verbindung gebracht. Um beurteilen zu können, wie effektiv eine Behandlung, beispielsweise mit Chaga-Tee, wirklich ist und bei welchen Patientinnen und Patienten sein Verzehr hilfreich sein könnte, fehlen große, kontrollierte klinische Studien. Die Substanzen aus dem Pilz können zudem Wechselwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente auslösen. Fazit: Die Wirkung von Chaga-Pilzen ist bisher nicht in Studien mit Menschen untersucht worden. Wissenschaftliche Belege für eine Heilwirkung fehlen.

Besteht ein Zusammenhang zwischen Impfungen und der Entstehung von kindlichem Diabetes Typ 1?

Eine umfassende Analyse von 23 Studien zu insgesamt 16 verschiedenen Impfungen zeigte, dass kein Zusammenhang zwischen Routine-Impfungen und dem Ausbruch von kindlichem Typ-1-Diabetes gefunden werden kann.

Ebenso beschäftigt sich die TEDDY Studie (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young) mit möglichen Risikofaktoren für Typ-1-Diabetes. In einer Publikation der TEDDY-Studiendaten wird beschrieben, dass auch eine Grippeimpfung nicht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Inselzell-Autoantikörpern oder Typ-1-Diabetes einhergeht.

Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bezieht zum Thema Impfsicherheit Stellung und beschreibt einen Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und einer Mumpsimpfung, verabreicht als Kombinationsimpfstoff, als unwahrscheinlich.

Gut zu wissen:

Der wissenschaftlichen Literatur sind derzeit keine Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Impfungen und der Entstehung eines Typ-1-Diabetes zu entnehmen.

Eine Metaanalyse ergab ferner keinen Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Entwicklung eines Typ-1-Diabetes und der Hib-Impfung (Kombinationsimpfstoff gegen das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b) im frühen Kindesalter.

Wie kann man Menschen mit Diabetes Typ 2 den Einstieg in eine Insulintherapie erleichtern, wenn er aus medizinischer Sicht notwendig wird?

Der Einstieg in die Insulintherapie gelingt mit der basalunterstützten oralen Therapie (BOT). Das zur Nacht gegebene Verzögerungsinsulin entlastet die Bauchspeicheldrüse. Die Injektion des „Bedtime-Insulin“ können viele Patientinnen und Patienten nach erfolgter Schulung selbst durchführen und die Barriere vor der Injektion lässt sich durch eine einmalige Insulingabe besser überwinden. Die bislang verordneten oralen Antidiabetika werden unverändert weiter eingenommen. So lässt sich die Blutglukose über einen längeren Zeitraum gut stabilisieren.

Zudem stellt die BOT ein einfaches Behandlungsschema dar, das aus medizinischer Sicht, zum Beispiel bei älteren Menschen, häufig sinnvoll ist.

Darüber hinaus sollten Menschen mit Typ-2-Diabetes vor Beginn einer Insulintherapie Ängste genommen werden. Insulin führt nur im Übermaß zu einer Gewichtssteigerung, da nur so viel Insulin wie nötig und so wenig wie möglich injiziert wird. Auch ist man durch eine Insulintherapie nicht „besonders“ schwer krank, sondern bekommt ein wirkungsvolles Medikament, das eine gute Blutglukoseeinstellung ermöglicht.

Quellen:

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Hrsg.): Impfsicherheit versus Impfskepsis. In: Arzneiverordnung in der Praxis, Band 31, Ausgabe 4, 2004
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. Kurzfassung. 2014
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. 2. Auflage. 2018
Elding Larsson, H. et al.: Pandemrix® vaccination is not associated with increased risk of islet autoimmunity or type 1 diabetes in the TEDDY study children. In: Diabetologia, 2018, 61: 193-202
Haak, T.: Der sanfte Einstieg in eine Insulintherapie. In: Diabetes-Forum, 2018, 5
Johansen, J. D. et al.: Highlights in allergic contact dermatitis 2018/2019. In: Current Opinion in Allergy and Clinical Immunology, 2019, 19: 334-340
Lombardo, F. et al.: High prevalence of skin reactions among pediatric patients with type 1 diabetes using new technologies: the alarming role of colophonium. In: Diabetes Technology and Therapeutics, 2019, 22: 53-56
Lu, X. et al.: Phytochemical characteristics and hypoglycaemic activity of fraction from mushroom Inonotus obliquus. In: J Sci Food Agric, 2010, 90: 276-80
Morgan, E. et al.: Vaccinations and childhood type 1 diabetes mellitus: a meta-analysis of observational studies. In: Diabetologia, 2016, 59: 237-243
Robert Koch Institut: Gibt es Erkenntnisse darüber, dass die Diabeteserkrankung durch Impfungen verursacht werden kann? Artikel vom 14. Dezember 2012 (Letzter Abruf: 22.10.2020)
Stand: 22.10.2020