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Behandlung Typ-1-Diabetes

Betazellfunktion aufrechterhalten: Blutdrucksenker als mögliche Therapie bei Kindern und Jugendlichen

Die Betazellfunktion beizubehalten ist bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ein erstrebenswertes Ziel – bisher gibt es keine Therapiemöglichkeit für Menschen mit Neudiagnose. Nun untersuchte eine Studie die Wirkung des Medikaments Verapamil bei Kindern und Jugendlichen, das bereits bei Erwachsenen aussichtsreich war.

 

Der Einfluss von Verapamil auf den Zelltod von Betazellen

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen des Pankreas zerstört. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl an Stoffwechselwegen mit dem Krankheitsbild in Verbindung gebracht. Es hat sich unter anderem gezeigt, dass eine übermäßige Ausschüttung eines Proteins, das in Wechselwirkung mit dem Protein Thioredoxin steht, den programmierten Zelltod von Betazellen auslöst.

Sogenannte Kalziumkanalblocker wie Verapamil kommen in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen, Herz-Krankheiten und bei Bluthochdruck zum Einsatz. Sie reduzieren unter anderem auch die Expression des Thioredoxin-interagierenden Proteins und somit den Zelltod von Betazellen. Fachleute gehen davon aus, dass diese Kalziumkanalblocker bei dem Erhalt der Betazellen nach der Diagnose eines Typ-1-Diabetes von Vorteil sein können.

Eine Studie von 2018 hatte den Einfluss von Verapamil auf den Erhalt von Betazellen bei Erwachsenen mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes untersucht. Es zeigte sich, dass mittels Verapamil die Betazellfunktion bei Erwachsenen in Teilen aufrechterhalten werden konnte: Nach 12 Monaten lag in der Verapamil-Gruppe, im Vergleich zur Gruppe ohne Einnahme, ein relativer Anstieg der stimulierten C-Peptid-Spiegel um 35 Prozent vor. Der C-Peptid Spiegel ist ein Maß für die Betazellfunktion des Pankreas.

 

Wirkung von Verapamil bei Kindern und Jugendlichen

Eine aktuelle Studie untersuchte nun, ob eine einmal täglich eingenommene Dosis Verapamil die Betazellfunktion bei Kindern und Jugendlichen mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes aufrechterhalten kann.

An der US-amerikanischen Studie nahmen 88 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren teil. Die Teilnehmenden wurden 52 Wochen lang nachbeobachtet und nahmen 1 Jahr lang jeden Tag Verapamil ein.

 

Betazellfunktion kann durch Verapamil teilweise erhalten werden

Zu Beginn verbesserte sich in beiden Gruppen die stimulierte C-Peptid-Sekretion. Dies wird auf den natürlichen Verlauf von Typ-1-Diabetes zurückgeführt, die sogenannte Honey-Moon-Phase. In dieser beobachtet man generell eine leichte Verbesserung der C-Peptid-Sekretion unmittelbar nach der Diagnose und dem Beginn der Insulintherapie. Fachkreise sprechen hierbei auch von einer Remission des Typ-1-Diabetes. Auf diese Phase folgt dann jedoch ein fortschreitender Abfall der C-Peptid-Sekretion, der mit der Zerstörung der Betazellen zusammenhängt.

Anders sah dies in der Verapamil-Gruppe aus: Im Gegensatz zur Vergleichsgruppe erlebte diese einen längeren Zeitraum der Stabilität, bevor der C-Peptid-Spiegel zu sinken begann. In der Verapamil-Gruppe waren die C-Peptid-Spiegel um 30 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe, die ein wirkungsloses Präparat einnahm. Die Betazellfunktion konnte somit 1 Jahr nach der Typ-1-Diabetes-Diagnose mit Verapamil bei Kindern und Jugendlichen teilweise erhalten werden.

 

Verapamil als Therapiemöglichkeit

Selbst eine geringe Restfunktion der Betazellen aufrechtzuerhalten ist ein erstrebenswertes Ziel. Dies geht mit einem geringeren Risiko für diabetesbedingte Gefäßkomplikationen und Unterzuckerungen einher.

Die Forschenden sehen Verapamil als kostengünstige Therapie für neu diagnostizierte Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes. Es benötigt jedoch noch weitere und größere Studien. Zum einen, um die optimale Therapiedauer sowie die Dauer der Verbesserung des C-Peptid-Spiegels zu bestimmen. Zum anderen, um die Nebenwirkungen von Verapamil in der Behandlung von Typ-1-Diabetes besser abschätzen zu können. 

Das Medikament Teplizumab wurde vor kurzem für die Behandlung von Typ-1-Diabetes im Stadium 2 – dabei haben betroffene Personen positive diabetesbezogene Autoantikörper mit Anzeichen einer Störung des Glukosestoffwechsels – in den USA zugelassen. Teplizumab ist jedoch nicht für die Behandlung von Typ-1-Diabetes im Stadium 3, ein neu aufgetretener, manifester Diabetes, zugelassen. Hier könnten zukünftig Therapien wie das blutdrucksenkende Verapamil ansetzen.

 

Früherkennung und Einteilung in Stadien für eine optimale Behandlung

Damit Behandlungsoptionen in Zukunft möglichst schnell und optimal eingesetzt werden können, ist eine frühe Erkennung und Einteilung in die verschiedenen Stadien des Typ-1-Diabetes wichtig. Auf der Studienplattform von diabinfo.de finden Sie unter anderem Studien, die der Früherkennung des Typ-1-Diabetes nachgehen. So überprüft beispielsweise die Fr1da plus-Studie anhand von wenigen Blutstropfen, ob bei einem Kind ein frühes Stadium des Typ-1-Diabetes vorliegt. In Zukunft könnten diese Kinder dann potenziell für zugelassene Therapien in Frage kommen.  

 

Quelle:

Forlenza, G. P. et al.: Effect of Verapamil on Pancreatic Beta Cell Function in Newly Diagnosed Pediatric Type 1 Diabetes. In: JAMA, 2023 (online)