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Infekte: Was ist bei Diabetes zu beachten?

Wissenschaftliche Unterstützung: PD Dr. Martin Füchtenbusch

Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes haben gegenüber Stoffwechselgesunden ein leicht erhöhtes Risiko für verschiedene Infektionskrankheiten. Diese können durch Viren, Bakterien oder Pilze ausgelöst werden.

Die höhere Anfälligkeit für Infekte ist vor allem dann gegeben, wenn das Diabetes-Management nicht optimal ist und die Blutzuckerwerte dauerhaft erhöht sind. Denn dadurch ist das Immunsystem geschwächt.

Umgekehrt können Infektionskrankheiten den Blutzucker beeinflussen. Bei Infekten ist daher eine häufigere Blutzuckerkontrolle und gegebenenfalls auch eine Anpassung der Diabetes-Medikation notwendig. Impfungen verringern das Risiko für schwere Krankheitsverläufe.



1. Wie beeinflusst Diabetes das Infektionsrisiko?

Hohe Blutzuckerspiegel verringern die Aktivität des Immunsystems. Dadurch steigt insbesondere das Infektionsrisiko von Haut, Knochen, Auge, Ohr, Magen-Darm-Trakt und der Harn- und Atemwege.

Eine gute Blutzuckereinstellung bei Diabetes wirkt sich hingegen günstig auf das Immunsystem aus.

Neben dem Einfluss auf das Immunsystem bewirkt ein langfristig erhöhter Blutzucker auch Veränderungen in den Geweben, der Haut, den Nerven und beim Blutfluss. Diese Veränderungen lassen das Risiko für Infektionen ebenfalls ansteigen. Ein Beispiel ist der diabetische Fuß, der durch Nerven- und Durchblutungsstörungen bei langjährig erhöhten Blutzuckerwerten entsteht: Die Wunden und Gewebsschäden beeinträchtigen die natürliche Schutzbarriere und damit die Immunabwehr gegen krankmachende Eindringlinge.

Gut zu wissen:

Diabetes erhöht nicht nur das Risiko für verschiedene Infektionskrankheiten. Auch das Risiko für schwere Verläufe bei Infekten ist erhöht.

Ein Beispiel sind Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus: Personen mit Diabetes zeigen häufiger einen schweren Krankheitsverlauf als gleichaltrige stoffwechselgesunde Personen. Hier finden Sie weitere Informationen zum Coronavirus SARS-CoV-2 bei Diabetes.

Die schwerste Komplikation einer Infektionserkrankung ist die sogenannte Blutvergiftung (Sepsis). Hier sind die körpereigenen Abwehrkräfte und natürlichen Schutzbarrieren derart geschwächt, dass die Erreger (Bakterien, Viren oder Pilze) in den Blutkreislauf eindringen. Als Folge aktiviert der Körper nochmals alle Abwehrsysteme. Dies führt jedoch dazu, dass neben den Erregern auch körpereigene Organe wie Niere, Herz und Lunge von der Abwehr geschädigt werden.

Bei Verdacht auf eine Blutvergiftung muss sofort die Ärztin beziehungsweise der Arzt informiert werden. Mögliche Anzeichen sind: schweres Krankheitsgefühl, plötzlich auftretende Verwirrtheit, schnelle und schwere Atmung, hoher Puls, niedriger Blutdruck, Fieber.

diabinfo-Podcast Diabetes und Infekte – was muss man beachten? (Prof. Dr. Michael Hummel)

Wir sprechen mit Prof. Dr. Michael Hummel, Diabetologe und Mitglied der Forschergruppe Diabetes e.V. bei Helmholtz Munich, unter anderem darüber, warum Menschen mir Diabetes ein erhöhtes Risiko für Infekte haben und wie Infekte den Blutzucker beeinflussen können.


2. Wie verhalten sich Blutzuckerwerte bei Infektionen?

Blutzuckerwerte können bei Infekten, beispielsweise bei Erkältungen, Grippe oder Magen-Darm-Infekten, stark schwanken. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Körper seine Immunabwehr hochfährt, um Eindringlinge wie Bakterien oder Viren bekämpfen zu können. Dabei wird auch das Stresshormon Adrenalin freigesetzt. Besonders viel Adrenalin schüttet der Körper bei Fieber aus. Das Adrenalin regt die Leber dazu an, die körpereigene Herstellung von Zucker (Glukose) anzukurbeln. Als Folge steigt der Blutzuckerspiegel. So kann bereits ein Schnupfen die Blutzuckerwerte bei Diabetes verschlechtern und zu einer Überzuckerung (Hyperglykämie) beitragen.

Aber auch eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) ist möglich: Bei Erbrechen oder Durchfall gehen Kohlenhydrate verloren. Möglicherweise werden gleichzeitig auch zu wenige Kohlenhydrate aufgenommen. Hierdurch kann der Blutzucker abfallen. Kürzlich gespritztes Insulin oder eingenommene blutzuckersenkende Tabletten können die Unterzuckerung in dieser Situation weiter verstärken.

Bei Infektionen mit Bakterien ist manchmal eine Antibiotika-Einnahme notwendig. Das kann zu Wechselwirkungen mit den Diabetes-Medikamenten führen. Die Folge ist möglicherweise ebenfalls eine Unterzuckerung.

Gut zu wissen:

Bei Infekten sollten Menschen mit Diabetes ihren Blutzucker engmaschig kontrollieren. Fachleute empfehlen, den Blutzucker etwa alle 3 Stunden zu messen: Es kann sein, dass die Dosis der Diabetes-Medikamente in Absprache mit der behandelnden ärztlichen Fachkraft angepasst werden muss.


3. Wie sollte die Diabetes-Therapie bei Infektionen angepasst werden?

Infekte und Diabetes-Tabletten

Bei schweren Infekten kann es für Menschen mit Typ-2-Diabetes nötig werden, von Tabletten auf Insulin umzusteigen. Sie sollten die Ärztin oder den Arzt kontaktieren und eine eventuell notwendige Umstellung der Therapie besprechen. Dies gilt umso mehr, wenn noch wenig Erfahrung mit Fieber und dessen Wirkung auf den eigenen Blutzucker vorliegt. Im Normalfall lässt Fieber den Blutzuckerspiegel ansteigen.

Tabletten mit dem Wirkstoff Metformin können bei schweren Infekten eine gefährliche Übersäuerung (Laktatazidose) auslösen. Die Behandlung mit Metformin sollte dann unterbrochen und das weitere Vorgehen mit der ärztlichen Fachkraft besprochen werden. Ähnliches gilt für SGLT-2-Hemmer, unter denen das Risiko einer Stoffwechselentgleisung mit Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose) ansteigen kann.

Bei Magen-Darm-Infekten gehen durch Durchfall und Erbrechen Kohlenhydrate verloren. In der Folge können dann Unterzuckerungen auftreten. Wer blutzuckersenkende Tabletten einnimmt, sollte möglicherweise die Dosis verringern oder sie weglassen. Auch hier sollte die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt beraten. Insbesondere erhöhen Sulfonylharnstoffe und Glinide das Unterzuckerungsrisiko. Diese blutzuckersenkenden Medikamente steigern die Insulinausschüttung unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Wer aufgrund des Infekts keinen Hunger hat oder nichts bei sich behält, sollte daher die weitere Behandlung mit der behandelnden Diabetes-Fachkraft abstimmen und die Tabletten gegebenenfalls weglassen.

Infekte und Insulin

Bei Menschen mit Diabetes, die Insulin spritzen, können die Blutzuckerwerte bei einem Infekt besonders stark schwanken. Fieber erhöht den Insulinbedarf. Wie viel Insulin dann zusätzlich gespritzt werden muss, hängt vom Einzelfall ab. Wer noch nicht lange mit Insulin behandelt wird oder ein Mischinsulin spritzt, sollte die Veränderung der Insulinmenge mit seiner Diabetologin oder seinem Diabetologen besprechen. Der Blutzucker muss besonders engmaschig kontrolliert werden.

Wenn der Blutzuckerwert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) steigt, ist ein Urintest auf Aceton (Ketonkörper) nötig. Der Körper kann dann gefährlich übersäuern. Es kann zur Ketoazidose, einer schweren Stoffwechselentgleisung, kommen. Erbrechen und Bauchschmerzen können mögliche Anzeichen sein. Sie können im Falle eines Infekts allerdings leicht mit den Krankheitssymptomen verwechselt werden. Der typische säuerliche Acetongeruch aus dem Mund kann ein weiterer Hinweis auf eine drohende Stoffwechselentgleisung sein. Ein von der Diabetologin oder dem Diabetologen erstellter Korrekturplan legt fest, was im Falle einer Ketoazidose zu tun ist.

  • Als Faustregel bei Fieber ohne Durchfall oder Erbrechen gilt, die Menge des Basal- und Mahlzeiteninsulins pro Grad Fieber über 37,5 Grad Celsius um 10 bis 20 Prozent zu erhöhen. Zusätzlich kann Korrekturinsulin notwendig werden. 
  • Bei Durchfall oder Erbrechen braucht der Körper möglicherweise weniger Insulin. Dann kann eine Verringerung des Basalinsulins sinnvoll sein. Insulin darf aber nie ganz weggelassen werden. Bei Erbrechen oder Durchfall ist es besser, das Mahlzeiteninsulin erst nach dem Essen zu spritzen. Dann ist die Gewissheit größer, dass die aufgenommene Nahrung tatsächlich auch im Körper verbleibt.
  • Erhöhte Blutzuckerwerte lassen sich mit schnellwirkendem (Mahlzeiten-)Insulin senken. Wer weder feste noch flüssige Nahrung bei sich behalten kann, einen zu hohen Blutzuckerspiegel oder Ketonkörper im Urin hat, sollte ein Krankenhaus aufsuchen. Es kann sein, dass der Körper dann Flüssigkeit über die Vene braucht. Dies gilt insbesondere für Kinder.
  • Auch wenn niedrige Blutzuckerwerte nicht mehr mit kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln behandelt werden können, sollte frühzeitig ärztliche Hilfe angefordert werden.
  • Bei Personen mit Typ-2-Diabetes, die neben der Insulintherapie einen SGLT-2-Hemmer einnehmen, kann es bei Infekten – wenn auch selten – zu einer euglykämischen Ketoazidose kommen. Bei dieser Stoffwechselentgleisung übersäuert das Blut, während die Blutzuckerwerte noch relativ normal sein können. Bei dieser Therapieform sollten daher mit dem behandelnden Diabetes-Team sogenannte „sick-day-rules“ festgelegt werden. Diese Regeln stellen sicher, dass das Insulin bei Infekten (insbesondere bei Magen-Darm-Infekten mit Durchfällen) nicht zu stark reduziert wird, und gleichzeitig für die Dauer des Infekts der SGLT-2-Hemmer pausiert wird.

Hier erfahren Sie mehr zur Ketoazidose.


4. Wie kann Infekten bei Diabetes vorgebeugt werden?

Um Infekten vorzubeugen, achten Sie insbesondere auf Hygienemaßnahmen. Bakterien oder Viren werden oft durch eine sogenannte Tröpfcheninfektion übertragen. Dabei gibt eine erkrankte Person kleinste erregerhaltige Tröpfchen beim Sprechen, Niesen oder Husten ab.

 

Folgende Tipps können helfen:

  • Waschen Sie regelmäßig gründlich Ihre Hände.
  • Halten Sie sich, wenn möglich, in der Erkältungszeit von Menschenmassen fern.
  • Vermeiden Sie den Kontakt zu Personen mit Atemwegsinfektionen.
  • Lassen Sie sich nicht anhusten oder anniesen.
  • Lüften Sie mehrmals täglich.
  • Stärken Sie Ihr Immunsystem, indem Sie sich ausgewogen ernähren, sich regelmäßig draußen bewegen und ausreichend schlafen.
  • Trinken Sie ausreichend. So sind die Schleimhäute gut durchblutet und widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger.

 

Auch beim Blutzuckermessen und Spritzen von Insulin sollte die Hygiene im Blick behalten werden. Benutzen Sie Lanzetten nur jeweils 1-mal und waschen Sie vor der Messung die Hände. Achten Sie darauf, die Einstichstelle vor und nach der Blutzuckermessung oder Injektion sauber zu halten. Pen-Nadeln werden ebenfalls nur 1-mal verwendet.

Gut zu wissen:

Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) finden Sie weitere Informationen zu Hygienetipps im Alltag unter www.infektionsschutz.de.

An Impfungen denken

Impfungen gehören zu den wirksamsten Maßnahmen, um schweren Infektionen bei Diabetes vorzubeugen. Die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO) gibt Empfehlungen, welche Impfungen bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes besonders sinnvoll sind. Dazu gehören Impfungen gegen:

  • Grippe (Influenza): Auffrischung jährlich
  • COVID-19: Hier kann geprüft werden, ob eine Impfung empfohlen wird
  • Pneumokokken-Erkrankungen: Auffrischung alle 6 Jahre
  • Gürtelrose (Herpes zoster): Ab einem Alter von 50 Jahren (2-malige Impfung im Abstand von 2 bis 6 Monaten)
  • Tetanus (Wundstarrkrampf): Auffrischung alle 10 Jahre
  • Diphtherie: Auffrischung alle 10 Jahre
  • Polio (Kinderlähmung): Nur bei unvollständiger Grundimmunisierung notwendig

 

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über notwendige Impfungen. Die Kosten für alle Impfungen werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.

Quellen:

Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. Langfassung. 1. Auflage. Version 4. 2014 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes. Langfassung. Version 3.0. 2023
Deutsche Diabetes Gesellschaft et al.: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. Langfassung. Version 3.1. 2015 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. 2. Auflage. 2018
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S2k-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. Langfassung. 2. Auflage. 2018
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Floyd, J. S. et al.: Association Between Diabetes Severity and Risks of COVID-19 Infection and Outcomes. In: J Gen Intern Med, 2023, 16: 1-9 (online)
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Moeser, A. et al.: Wichtige Impfempfehlungen für Diabetiker. In: MMW Fortschr Med, 2023, 165: 61-66
Pearson-Stuttard, J. et al.: Diabetes and infection: assessing the association with glycaemic control in population-based studies. In: Lancet Diabetes Endocrinol, 2016, 4: 148-158
Piccolo, G. et al.: Infectious diseases associated with pediatric type 1 diabetes mellitus: A narrative review. In: Front Endocrinol (Lausanne), 2022, 13: 966344
Robert Koch-Institut: Grippeschutzimpfung: Häufig gestellte Fragen und Antworten. (Letzter Abruf: 24.05.2023)
Stand:  24.05.2023