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Diabetes und sexuelle Funktionsstörungen

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Gidon Bönhof

Bei Menschen mit Diabetes treten sexuelle Funktionsstörungen häufiger auf als bei Menschen ohne Diabetes. Bei der Hälfte aller Männer mit Diabetes kommt es zu einer sexuellen Funktionsstörung, zum Beispiel Orgasmusstörungen oder Ejakulationsstörungen.

Bei circa einem Drittel der Frauen mit Diabetes tritt im Laufe des Lebens eine sexuelle Funktionsstörung auf. Dazu zählen unter anderem verminderte Lust oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Allerdings ist die Datenlage zur Häufigkeit bei Frauen nicht vollständig und es könnte sein, dass noch mehr Frauen mit Diabetes von sexuellen Funktionsstörungen betroffen sind.

Die Gründe für das Auftreten einer sexuellen Funktionsstörung sind vielfältig. Sie kann durch diabetesbedingte Nervenschädigungen, Durchblutungs- oder Hormonstörungen ausgelöst und verstärkt werden. Bestimmte Medikamente können die Einschränkung zusätzlich verstärken.

Eine eingeschränkte sexuelle Funktion bei Diabetes hat jedoch oft viele weitere Ursachen, die sich nicht auf die Diabetes-Erkrankung beschränken. Unausgeglichene Bedürfnisse in der Partnerschaft, Stress am Arbeitsplatz oder depressive Phasen gehören zu den Umständen, die zu einer unbefriedigten Sexualität führen können. Dann sollte rechtzeitig ein Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt stattfinden und frühzeitig Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Gut zu wissen:

Sexuelle Störungen sind nicht selten eine Folge des Diabetes.

Erhöhte Blutzuckerspiegel, Insulinresistenz und auch schlechte Blutfettwerte verändern Mechanismen in den Geschlechtsorganen, die durch Nerven und Blutgefäße gesteuert werden. Zum Beispiel kann das Einströmen von Blut in die Geschlechtsorgane / Schwellkörper beeinträchtigt sein.



1. Was erhöht das Risiko für sexuelle Funktionsstörungen?

Die Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen nimmt mit dem Alter zu, insbesondere bei Männern, aber auch bei Frauen. Außerdem spielen der Lebensstil und verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen beziehungsweise Erkrankungen eine Rolle.

Faktoren, die neben Diabetes das Risiko für sexuelle Funktionsstörungen erhöhen, sind zum Beispiel:

  • Rauchen
  • Bluthochdruck
  • ungünstige Blutfettwerte

2. Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern mit Diabetes

Sehr häufig treten sexuelle Funktionsstörungen bei älteren Männer auf, die seit vielen Jahren an Diabetes erkrankt sind und langfristig erhöhte Blutzuckerwerte oder zusätzliche Erkrankungen wie Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinwerte aufweisen.

Die sexuellen Funktionsstörungen bei Männern können unterschiedlicher Art sein:

  • Erektionsstörungen (Erektile Dysfunktion)
  • Ejakulationsstörungen
  • Orgasmusstörungen

 

Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Männer mit Diabetes möglicherweise auch ein erhöhtes Risiko für niedrige Testosteronspiegel haben. Niedrige Testosteronspiegel können zu einem Rückgang des sexuellen Verlangens führen und direkt oder indirekt zu Erektionsstörungen beitragen.

Insgesamt finden sich sexuelle Funktionsstörungen wie die erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen häufiger bei Typ-2-Diabetes als bei Typ-1-Diabetes.

Erek­ti­ons­stö­run­gen (Erek­ti­le Dys­funk­ti­on) bei Dia­be­tes

Männer mit Diabetes sind von Erektionsstörungen etwa 3,5-mal häufiger betroffen als Männer ohne Diabetes-Erkrankung.

Bei einer Erektionsstörung, auch erektile Dysfunktion genannt, kann der Penis eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion nicht erreichen oder aufrechterhalten. Bei 50 Prozent der Männer mit sexuellen Funktionsstörungen ist die Erektionsstörung das primäre Problem. Bei Diabetes können langfristig erhöhte Blutzuckerwerte zum häufigeren und früheren Auftreten einer Erektionsstörung führen. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte.

An der Entstehung einer erektilen Dysfunktion bei Diabetes sind verschiedene Mechanismen beteiligt. Eine wichtige Rolle spielen geschädigte Blutgefäße und Nerven, die für die Erektion erforderlich sind.

Hier erfahren Sie mehr zur diabetischen Neuropathie.

Informationen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetes finden Sie hier.

Gut zu wissen:

Die erektile Dysfunktion bei Männern mit Diabetes gilt auch als Warnzeichen für ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko. Die sexuelle Funktionsstörung sollte daher frühzeitig mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden.

Ejakulationsstörungen bei Diabetes

Ejakulationsstörungen treten bei Diabetes mellitus vermutlich als Langzeitfolge einer diabetischen Neuropathie auf, bei der auch das vegetative Nervensystem betroffen ist. Es werden verschiedene Formen der Ejakulationsstörung unterschieden:

  • Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio Praecox)
  • Verzögerter Samenerguss (Ejaculatio Retarda)
  • Ausbleibende Ejakulation (Anejakulation)
  • Retrograde Ejakulation (das Ejakulat gelangt nicht vorn aus dem Penis, sondern in die Blase und wird dann später mit dem Urin ausgeschieden)

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit für Ejakulationsstörungen an. In Untersuchungen hatten Männer mit Diabetes, die älter als 50 Jahre waren, doppelt so häufig einen vorzeitigen Samenerguss im Vergleich zu jüngeren Männern mit einer Diabetes-Erkrankung. Häufig geht die Ejakulationsstörung – vor allem ein vorzeitiger Samenerguss – gleichzeitig mit einer erektilen Dysfunktion einher.


3. Wie wer­den se­xu­el­le Funk­ti­ons­stö­run­gen bei Män­nern mit Dia­be­tes be­han­delt?

Effektive verschreibungspflichtige Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen bei Männern mit Diabetes sind sogenannte Phosphodiesterase-Typ-5 (PDE-5)-Hemmer. Die Einnahme muss immer mit einer Ärztin oder einem Arzt besprochen werden, um Gesundheitsrisiken zu vermeiden und mögliche Nebenwirkungen abzuwägen.

Neben Tabletten gibt es mechanische Erektionshilfen wie Vakuumpumpen. Zudem besteht die Möglichkeit, gefäßerweiternde Substanzen in den Penis-Schwellkörper einzuspritzen oder über die Harnröhre zu applizieren. Auch diese Methoden sind nicht nebenwirkungsfrei und können als unangenehm empfunden werden.

Im Fall eines nachgewiesenen Testosteronmangels kann eine Hormonersatztherapie zum Einsatz kommen, die nur nach gründlicher Untersuchung und unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. In sehr seltenen Fällen und bei dringendem Potenzwunsch können chirurgische Eingriffe helfen, wenn zuvor alle Alternativen erfolgslos geblieben sind.

Bei den Ejakulationsstörungen hängt die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung in der Regel davon ab, ob und wie sehr der betroffene Mann sich durch die Störung eingeschränkt fühlt. Zur Verfügung stehen verschiedene verschreibungspflichtige Medikamente, die in Betracht gezogen werden können. Bei verzögerter oder ausbleibender Ejakulation ist die Vibroejakulation (engl.: Penile Vibration Stimulation, kurz PVS) eine weitere Behandlungsmöglichkeit: Bei diesem Verfahren wird versucht, den Ejakulationsreflex mithilfe von vibratorischer Stimulation auszulösen.

Fachärztinnen und Fachärzte für Urologie sind auf Erkrankungen der harnbildenden (Nieren) und harnableitenden (Harnblase, Harnleiter und Harnröhre) Organe sowie der männlichen Geschlechtsorgane (Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Samenbläschen, Penis und Prostata) spezialisiert und somit geeignete Ansprechpersonen bei sexuellen Funktionsstörungen.

Auch die Therapie der Diabetes-Erkrankung ist wichtig, insbesondere eine normnahe Blutzuckereinstellung, ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und gegebenenfalls eine Gewichtsabnahme. Oft kann auch eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll sein.

Weiterführende Informationen sowie eine Sammlung an Adressen der größten urologischen Kliniken in Deutschland bietet das Portal Impotenz.net.

Für Männer hat das Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e. V. einen Fragebogen zur Erektilen Dysfunktion (FRED) entwickelt. Dieser kann bei der Entscheidung helfen, eine ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen.


4. Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen mit Diabetes

Die genauen Zusammenhänge zwischen Diabetes und sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen sind noch nicht geklärt. Zudem ist bisher wenig über den Einfluss des Blutzuckermanagements und der Diabetes-Dauer bekannt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Folgen langfristig erhöhter Blutzuckerwerte, wie häufige Infektionen und Schäden an den Blutgefäßen sowie psychische Belastungen, nachteilig auf die Sexualfunktion auswirken. Folgende Symptome können bei Frauen mit Diabetes auf eine sexuelle Funktionsstörung hinweisen:

  • Verringerte Erregbarkeit beziehungsweise Orgasmusfähigkeit
  • Verminderte sexuelle Lust
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind oftmals dadurch bedingt, dass der natürliche Feuchtigkeitsgehalt in der Scheide (Vagina) vermindert ist. Eine unzureichend eingestellte Diabetes-Erkrankung kann auf Dauer Nerven und Blutgefäße schädigen, welche an der normalen Befeuchtung der Scheide (Lubrikation) beteiligt sind. Die Befeuchtung ist dann verlangsamt oder fällt insgesamt schwächer aus.


5. Wie wer­den se­xu­el­le Funk­ti­ons­stö­run­gen bei Frau­en mit Dia­be­tes be­han­delt?

Bei Frauen gibt es sogenannte Vaginal- oder Beckenbodentrainer, die die Muskeln und Durchblutung des Beckenbodens stärken und so bei Kontinenz- und Orgasmusproblemen helfen können. Bei Lubrikationsstörungen, also einem mangelndem Feuchtwerden der Schleimhäute, können Gleitmittel helfen oder hormonell lokal wirksame Cremes mit dem Wirkstoff Estriol. Bei sexuellen Funktionsstörungen im Rahmen der Menopause kann unter gynäkologischer und endokrinologischer ärztlicher Aufsicht eine Hormonersatztherapie erwogen werden. Ferner können unter ärztlicher Aufsicht Sexualhormone auch in Form von Pflastern, Vaginalkapseln oder -tabletten versucht werden.

Um selbst besser einordnen zu können, ob eine sexuelle Störung vorliegt, hat das Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e. V. für Frauen einen Fragebogen zu Störungen der Sexualität (STEFFI) entwickelt. Zusätzlich können sich betroffene Frauen von einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen untersuchen lassen. Auch eine Fachärztin oder ein Facharzt für Urologie kann die richtige Ansprechperson sein.

Sexuelle Funktionsstörungen können die psychologische Situation verschlechtern. Frauen mit Diabetes und einer depressiven Episode sollten die Situation daher ernst nehmen und bei Bedarf professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen.


6. Wie kann sexuellen Funktionsstörungen bei Diabetes vorgebeugt werden?

Eine möglichst normnahe Blutzuckereinstellung ist der Schlüssel, um sexuellen Funktionsstörungen bei Diabetes vorzubeugen beziehungsweise diese zu mindern. Zusätzlich sollte auf den Blutdruck und die Blutfettwerte geachtet werden.

Eine Anpassung des Lebensstils mit Gewichtskontrolle und ausgewogener, gesunder Ernährung sowie ausreichender Bewegung wirkt sich ebenfalls günstig auf die sexuelle Funktion aus. Beispielsweise gibt es Hinweise, dass eine Gewichtsabnahme bei manchen Männern eine erektile Dysfunktion (Erektionsstörung) verbessern oder sogar rückgängig machen konnte.

Andere Untersuchungen haben die Ernährung ins Visier genommen. Es wurde beobachtet, dass sich unter einer sogenannten mediterranen Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse die erektile Funktion bei Männern in einigen Fällen langfristig wieder normalisierte. Eine Untersuchung bei Frauen mit einer sexuellen Funktionsstörung und Metabolischem Syndrom zeigte ebenfalls Verbesserungen der sexuellen Funktion, wenn über einen längeren Zeitraum eine mediterrane Ernährung eingehalten wurde.


7. Welche Rolle spielen Blasenentzündungen?

Diabetes kann neben der sexuellen Funktion auch weitere Funktionen und Strukturen der unteren Harnwege beeinträchtigen, einschließlich Blase und Prostata. Dies kann unter anderem zu Komplikationen wie Harninkontinenz, unzureichender Blasenentleerung und Blasenentzündungen führen. Es wird geschätzt, dass das Risiko von Komplikationen in den unteren Harnwegen bei Männern mit Diabetes um mindestens 25 Prozent und bei Frauen mit Diabetes um mindestens 50 Prozent erhöht ist, verglichen mit Menschen ohne Diabetes-Erkrankung.

Wenn diabetesbedingte Nervenschäden die Harnblasen-Funktion beeinträchtigen, kann dies zu Problemen beim Entleeren der Blase führen. Die Folge ist ein Harnverhalt, der Nährboden für Bakterienwachstum bietet. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Blasenentzündungen.

Ein weiterer bedeutender Risikofaktor für Blasenentzündungen bei Frauen mit und ohne Diabetes ist Geschlechtsverkehr. Wer eine Diabetes-Erkrankung hat und unter häufigen Blasenentzündungen leidet, sollte daher besonders auf die richtige Pflege des Intimbereichs achten:

  • Waschen Sie sich vor dem Geschlechtsverkehr mit fließendem Wasser. Verzichten Sie dabei auf solche Seifen oder Intimwaschmittel, welche den Säureschutzmantel der Haut angreifen und damit den Bakterien Nährboden bieten können.
  • Suchen Sie nach dem Geschlechtsverkehr möglichst rasch die Toilette auf zum Wasserlassen. So können Keime ausgespült werden.
  • Achten Sie darauf, ausreichend zu trinken. So scheiden Sie ausreichend Harn aus, um die Ausbreitung von Bakterien einzudämmen.

Quellen:

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Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e. V.: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Sexualität. (Letzter Abruf: 17.04.2023)
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Stand: 17.04.2023