Was wird geforscht?
Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Michael Roden, Prof. Dr. Martin Hrabě de Angelis
Die Entstehung von Diabetes ist ein komplexer Prozess, der durch ein langjähriges Zusammenspiel von Genen, Lebensstil und Umweltfaktoren zur Erkrankung führt. Weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, dieses vielschichtige Geschehen der Diabetes-Entstehung zu entschlüsseln und neue personalisierte Präventions- und Therapiekonzepte zu entwickeln. Ihr Ziel ist es, für die verschiedenen Patientengruppen die passende Behandlung zur richtigen Zeit zu finden.
Schwerpunkte der Diabetesforschung
Welchen Einfluss haben Leber oder Gehirn auf die Entstehung von Diabetes? Welche Gene sind an der Entstehung der Stoffwechselerkrankung beteiligt? Wie kann man Betazellen schützen? Welche weiteren Erkrankungen treten häufig im Zusammenhang mit Diabetes auf? Warum greift das eigene Immunsystem bei Typ-1-Diabetes die insulinproduzierenden Zellen an und gibt es Ansätze, das zu vermeiden? Um diese und weitere Fragenstellungen beantworten zu können, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den folgenden Forschungsschwerpunkten:
Allein in Deutschland leben etwa 18 Millionen Menschen mit einer nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD). Zu viel Fett in der Leber führt nicht nur zu einer chronischen Erkrankung des Organs, es hat auch einen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel und kann zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes beitragen. Doch warum entsteht eine Fettleber? Wie schreitet sie voran? Wer ist besonders gefährdet? Forschende arbeiten an Antworten auf diese Fragen, um neue Strategien zu entwickeln, der Fettleber vorzubeugen beziehungsweise die Erkrankung im Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes besser zu behandeln.
Wie Fasten gegen Fettleber hilft
Studien zeigen, dass schon eine einzige fettreiche Mahlzeit den Stoffwechsel schädigen und den Weg zu Fettleber- und Diabetes-Erkrankungen bereiten kann.
Fasten oder Änderungen im Lebensstil wie eine proteinreiche Ernährung können helfen, den Fettanteil in der Leber zu verringern. Forschende konnten zeigen, dass bei Nahrungsentzug ein bestimmtes Protein hergestellt wird, das den Stoffwechsel in der Leber anpasst. Diese Ergebnisse wollen die Forschenden nutzen, um therapeutisch in den Fett- und Zuckerstoffwechsel einzugreifen und die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachzuahmen.
Arbeit an Wirkstoffen gegen Fettleber
Klinische Studien konnten zeigen, dass das Diabetesmedikament Empagliflozin (ein SGLT-2 Inhibitor) helfen kann, den Leberfettgehalt von Patienten deutlich zu senken.
Zudem arbeiten Forschende an der Entwicklung weiterer Wirkstoffe zur Behandlung der Fettleber. Ein Ansatz ist ein kombinierter Wirkstoff, mit dem neben Glucagon das Schilddrüsenhormon T3 in die Leber gelangt. Das Hormon hat eine positive Wirkung auf den Fettstoffwechsel.
Ein anderer Ansatzpunkt ist das Gen ‚Indy‘ (Abkürzung für englisch: ‚I´m not dead yet‘). Wird das Gen weniger häufig abgelesen, verlängert sich nicht nur die Lebenszeit bei Fadenwürmern und Taufliegen, sondern es verringert sich auch die Körperfettmasse. Bisherige Untersuchungen im Tiermodell aber auch an menschlichen Geweben lassen das Indy-Genprodukt als ein interessantes Ziel erscheinen für die zukünftige Behandlung von Stoffwechselerkrankungen.
Erhöhte Fettverbrennung ruft „Stress“ in der Leber hervor
Forschende konnten zeigen, dass übermäßige Fettverbrennung in der Leber eine Stressreaktion hervorruft, die den Zusammenhang zwischen Übergewicht, Insulinresistenz und Fettlebererkrankungen erklärt. Diese Erkenntnisse liefern neuartige Ansätze zur Vorbeugung und Behandlung von Fettlebererkrankungen.
Fettleber scheidet spezielle Eiweiße aus
Eine verfettete Leber gibt besondere Eiweiße in den Blutkreislauf ab – zum Beispiel das Protein Fetuin-A. Das Protein bindet u.a. an Insulinrezeptoren in der Muskulatur und kann so zu Insulinresistenz beitragen.
Das Gehirn spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit. Untersuchungen ergaben, dass das Hormon Insulin Gehirngebiete beeinflusst, die für die Nahrungsaufnahme oder den Stoffwechsel wichtig sind. Vermutlich dämpft das Hormon nach dem Essen im Gehirn das Hungergefühl.
Insulin wirkt auch im Gehirn
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass vor allem die Insulin-Wirkung im Gehirn bestimmt, wo sich Fett im Körper anlagert und wie stark man von einer Lebensstil-Intervention profitiert. Reagiert das Gehirn empfindlich auf das Hormon, nimmt man deutlich ab, reduziert ungesundes Bauchfett und kann auch langfristig das Gewicht halten. Reagiert das Gehirn nur wenig oder gar nicht auf Insulin (Insulin-Resistenz), verliert man nur zu Beginn der Maßnahme etwas Gewicht und nimmt dann wieder zu. Auch das Fett, welches sich im Bauchraum um die Organe herum ansammelt (viszerales Fett), steigt langfristig weiter an.
Insulinempfindlichkeit und Insulinresistenz im Gehirn
Wann im Lauf des Lebens sich die Insulinempfindlichkeit im Gehirn von Übergewichtigen verschlechtert, ist noch unbekannt. Möglicherweise geschieht dies schon sehr früh. Die Hirnfunktion des ungeborenen Kindes wird anscheinend vom Stoffwechsel der Mutter beeinflusst. Ungeborene, deren Mütter unter Schwangerschaftsdiabetes leiden, reagierten auf akustische Reize nach einer Mahlzeit verzögert mit messbarer Gehirnaktivität im Vergleich zu Kindern gesunder Mütter. Das könnte Folgen für das spätere Diabetes- und Übergewichtsrisiko des Kindes haben.
Eine wichtige Fragestellung in der Diabetesforschung ist, wie sich eine Insulin-Resistenz im Gehirn wieder aufheben lässt. Erkenntnisse dazu könnten neue Therapieansätze bei der Behandlung von Stoffwechselerkrankungen ermöglichen.
Leptin, das Sättigungshormon
Insulin im Gehirn steht mit einem weiteren Hormon in Wechselwirkung: Es heißt Leptin und spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation unseres Körpergewichtes, des Sättigungsgefühls und damit des Essverhaltens. Leptin wird bereits bei Menschen mit der Fettspeicherkrankheit Lipodystrophie eingesetzt und verbessert neben klinischen Symptomen, wie gestörtem Essverhalten und erhöhten Blut- und Leberfettwerten, auch die Insulinresistenz dieser Patienten.
Zusammenspiel zwischen Gehirn und Stoffwechsel
Noch sind wichtige grundlegende Fragen zum Zusammenspiel zwischen Gehirn und Stoffwechsel offen. Es konnte gezeigt werden, dass Stoffwechselprozesse im Körper nicht nur von Nervenzellen reguliert werden, sondern auch von anderen Zelltypen im Gehirn. Sogenannte Astrozyten – früher wurden sie als eher unbedeutende Stützzellen im Gehirn eingestuft – reagieren auf Insulin und Leptin und steuern darüber aktiv die Aufnahme von Zucker ins Gehirn.
Je differenzierter der Blick in das Gehirn, desto mehr Schaltstellen für die Entstehung von Typ-2-Diabetes werden sichtbar. Ein weiteres Puzzleteil ist Dopamin, das für die Regulierung des Appetits eine Rolle spielt.
Dreifach-Hormontherapie gegen Fettleibigkeit und Diabetes
Für Menschen mit Typ-2-Diabetes und Adipositas bieten hormonähnliche Stoffe neuartige Therapieoptionen. Forschende entwickeln unterschiedliche synthetische Hormonmoleküle, die jeweils die Wirkung von zwei oder drei natürlichen Darm- oder Pankreas-Hormonen vereinen. So ist es beispielsweise gelungen, ein chirurgisches Verfahren zur Gewichtsabnahme durch risikoärmere Methoden nachzuahmen. Ein Magenbypass kann imitiert werden, indem mehrere Hormone zu einem neuen Wirkstoff – einem Multihormonmolekül – vereint werden.
Forscherinnen und -Forscher suchen nach Genen, die für den Stoffwechsel wichtig sind. Ist die Wirkung dieser Gene auf Grund von Veränderungen (Mutationen) gestört, so kann dies zu einem erhöhten Diabetes-Risiko führen. Es wurden bereits mehr als 50 neue Gene identifiziert, die eine Rolle in der Regulation des Stoffwechsels spielen.
Schaltstellen im Erbgut
Doch nicht nur das Erbgut selbst beeinflusst das Diabetes-Risiko. Auch der Lebensstil kann Einfluss darauf nehmen, in welchem Ausmaß bestimmte Gene abgelesen werden (Epigenetik). Wer sich längere Zeit ungesund ernährt, verändert womöglich dauerhaft wichtige Schaltstellen in seinem Erbgut. Denn Rauchen und ungesunde Ernährung verändern den epigenetischen Code – und bestimmen dadurch mit, welche Gene aktiviert werden und welche nicht. Solche Veränderungen können sich beispielweise in Darm-, Fett- oder Leberzellen ereignen. Betreffen die Veränderungen aber Spermien und Eizellen, dann werden sie bei der Zeugung an den Nachwuchs vererbt.
Beim Typ-1-Diabetes sowie im fortgeschrittenen Stadium des Typ-2-Diabetes gehen die insulinproduzierenden Betazellen (Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse) zugrunde. Per Spritze oder Pumpe müssen die Betroffenen dann ihrem Körper künstlich Insulin zuführen. Forschende arbeiten an Verfahren, um die insulinproduzierenden Betazellen besser zu schützen beziehungsweise sie wiederherzustellen oder zu ersetzen.
Funktionsfähigkeit der Betazellen wiederherstellen
Bei vielen Diabetes-Patienten sind noch nicht sämtliche Betazellen zugrunde gegangen, sie haben jedoch ihre Fähigkeit zur Insulinproduktion eingebüßt. Forschende entwickeln neue Ansätze, um die Regenerationsfähigkeit der Bauchspeicheldrüse zu mobilisieren und sie zur Neubildung leistungsfähiger Betazellen anzuregen.
Dafür setzen sie unter anderem auf eine Wirkstoffkombination, die einen stressmindernden Einfluss auf die Betazellen ausübt. In zuckerkranken Mäusen zeigte das Kombinationspräparat Wirkung. Der gestörte Glukosestoffwechsel der behandelten Tiere normalisierte sich, und ein Teil der geschädigten Betazellen nahm ihre Insulinproduktion wieder auf. Ähnliche Wirkungen zeigten sich auch in kultivierten menschlichen Inselzellen. Ein anderer Ansatz ist es, Betazellen aus Stammzellen zu gewinnen. Im Labor ist dies Forschenden schon gelungen. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Betazellersatztherapie.
Künstliche Bauchspeicheldrüse
Forschende arbeiten zudem an einer künstlichen Bauchspeicheldrüse. Das etwa handtellergroße künstliche Mini-Organ enthält gesunde Inselzellen, die selbständig den Blutzuckerspiegel messen und passgenau Insulin produzieren. Die Zellen sind von einer speziellen Schutzhülle (Teflon-Membran) umgeben, die zwar Hormone, Nährstoffe und Sauerstoff ungehindert passieren lässt, nicht aber die körpereigenen Immunzellen. Nach erfolgreichen Vorversuchen im Tiermodell und in einem Menschen wird die künstliche Bauchspeicheldrüse derzeit im Rahmen einer klinischen Studie an weiteren Patientinnen und Patienten getestet.
Lesen Sie hier mehr zu den Themen Betazellersatztherapie und Inselzelltransplantation!
Biobank mit Proben der Bauchspeicheldrüse
Wichtige Erkenntnisse für die Erforschung der Betazellen liefert die Biobank des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) mit Proben aus der menschlichen Bauchspeicheldrüse. Durch den Vergleich der Proben von Menschen mit Diabetes, einer Vorstufe des Diabetes und ohne Diabetes können u.a. Biomarker entdeckt werden, die mit der Anfälligkeit für die Entwicklung sowie dem Fortschreiten des Diabetes verbunden sind. Diese könnten dann für die Früherkennung oder die Entwicklung neuer Blutglukose-senkender Therapien genutzt werden.
Diabetes kann zu verschiedenen schwerwiegenden Komplikationen führen wie Schädigungen an den Blutgefäßen, die Herzkreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, den Diabetischen Fuß, Augenerkrankungen und Nierenfunktionsstörungen bedingen. Aber auch neuropathische Störungen und gelegentlich auch Krebs sind Folgen von einem unzureichend behandelten Diabetes. Um solche Folgen künftig vermeiden beziehungsweise hinauszögern zu können, gilt es zu erkennen, welche Patientinnen und Patienten ein hohes Risiko für Komplikationen haben.
Forscher unterscheiden 5 Typen von Diabetes
Die herkömmliche Einteilung in nur zwei häufige Diabetes-Typen – Typ-1 und Typ-2 – spiegelt die vielfältigen Ursachen und Auswirkungen eines gestörten Glukosestoffwechsels nicht angemessen wider. Vielmehr kennt man heute fünf Subtypen von Diabetes: Dies zeigen aufwändige Untersuchungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Deutschen Diabetes-Studie. Zwei dieser neu entdeckten Subtypen zeichnen sich durch weniger schwere Krankheitsverläufe aus; die drei übrigen Subtypen gehen mit einem hohen Risiko von Folgeerkrankungen einher.
Jeder Diabetes-Subtyp äußert sich anders
Personen mit schwerem insulinresistentem Diabetes (bei welchen Insulin schlechter wirkt) haben vermutlich ein höheres Risiko für Erkrankungen der Leber und Nieren. Dagegen leiden Personen, bei denen der Körper zu wenig Insulin produziert, eher an Netzhautschäden und einem gestörten Schmerzempfinden wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl an Händen und Füßen (schwerer insulindefizitärer Diabetes). Der dritte Subtyp mit häufigen Komplikationen ist der schwere autoimmune Diabetes, der dem klassischen Typ-1-Diabetes entspricht. Mit der Entdeckung der Diabetes-Subgruppen, die eine unterschiedliche Anfälligkeit für verschiedene Diabetes-Folgeerkrankungen zeigen, wurde die Grundlage für präzise Präventionsstrategien geschaffen.
Lesen Sie hier, welche Folgen für die verschiedenen Organe Diabetes nach sich ziehen kann!
Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken an Diabetes. Derzeit leiden etwa 7 Mio. Menschen daran. Bis zum Jahr 2040 wird die Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes auf bis zu 12 Millionen steigen. Diese Zahlen machen deutlich, wie dringend neue wirksame Präventionsmaßnahmen und innovative Behandlungsformen benötigt werden.
Nicht jeder Mensch, der an einer Vorstufe der Stoffwechselerkrankung (erhöhte Blutzuckerwerte, Prädiabetes) leidet, bekommt auch Diabetes. Viele können mit mehr Bewegung und gesunder Ernährung ihre Blutzuckerwerte wieder in den Griff bekommen. Eine herkömmliche Lebensstilintervention reicht aber nicht bei allen Menschen mit Prädiabetes aus, um einen Typ-2-Diabetes zu verhindern.
Hier kann nur eine individuell abgestimmte Prävention greifen. In der multizentrischen Prädiabetes Lebensstil-Interventions-Studie (PLIS) setzt sich das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) die Entwicklung solch personalisierter Vorsorgemaßnahmen zum Ziel.
Prädiabetes Lebensstil-Interventions-Studie (PLIS)
Nach einer umfangreichen Untersuchung durchlaufen die PLIS-Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer unterschiedliche Lebensstilprogramme mit Ernährungsberatung und überwachter körperlicher Aktivität. Ziel ist, die Menschen zu finden, die trotz vermehrter Anstrengung im Alltag ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes haben. Sie werden dann mit einer intensivierten und von Fachpersonal begleiteten Lebensstilintervention betreut, damit auch sie von einer Lebensstilmodifikation profitieren. Die Studie wird deutschlandweit an acht Standorten im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen: Intensive Lebensstilintervention – also viel Bewegung und eine engmaschige Begleitung durch Fachleute – zeigt Wirkung auch bei Menschen, bei denen die mäßige Lebensstiländerung keinen Effekt hatte. Aktuelle Studien zeigen zudem, dass es bereits beim Prädiabetes unterschiedliche Subgruppen gibt. Forschende arbeiten nun daran, diese unterschiedlichen Untergruppen des Prädiabetes zu identifizieren und für diese jeweils eine passende Vorbeugung zu entwickeln.
Persönliches Diabetes-Risiko kennen
Typ-2-Diabetes entwickelt sich schleichend über Jahre, so dass die Erkrankung oftmals viel zu spät erkannt wird – nämlich erst dann, wenn bereits die verschiedenen Organe in Mitleidenschaft gezogen wurden. Forschende haben deshalb einen Test entwickelt, mit dem jede und jeder Erwachsene feststellen kann, wie hoch ihr oder sein persönliches Risiko ist, in den kommenden fünf Jahren an Diabetes zu erkranken. (Die online-Version des Tests finden Sie auf hier auf unseren Seiten)
Wer den Test macht und ein erhöhtes oder gar hohes Risiko feststellt, kann rechtzeitig etwas gegen den Ausbruch der Erkrankung tun und sich ggf. medizinisch behandeln lassen. Denn die Erkrankung und ihre Folgen lassen sich gut durch frühzeitig angewandte und gezielte vorbeugende oder therapeutische Maßnahmen verhindern oder zumindest deutlich hinauszögern.
Diabetes vorbeugen – Was kann ich tun? Wo finde ich Hilfe und wie kann ich mich motivieren?
In Deutschland leben etwa 370.000 Menschen mit der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes. Die körpereigene Immunabwehr zerstört die insulinproduzierenden Zellen. Patientinnen und Patienten müssen ein Leben lang Insulin spritzen.
Bisher sind die Ursachen für die Entstehung von Typ-1-Diabetes noch unzureichend verstanden, aber ausschlaggebend ist ein erhöhtes familiäres Risiko. Bislang gibt es keine Heilung für Typ-1-Diabetes und der Erkrankung kann auch nicht durch gesunde Ernährung oder einen aktiven Lebensstil vorgebeugt werden.
Ziel der Forscherinnen und Forscher ist, Kinder mit einem erhöhten genetischen Risiko früh zu erkennen und künftig vorbeugend zu behandeln. Die Forschenden haben bereits einen Risikotest für Typ-1-Diabetes entwickelt. Nun arbeiten sie an einer Therapie, die das Immunsystem so steuert, dass die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen verhindert wird.
Gentest gibt Auskunft über das Typ-1-Diabetes-Risiko bei Neugeborenen
Forschende des Helmholtz Zentrums München haben einen Gentest entwickelt, mit dem sich bereits bei Neugeborenen das Risiko einschätzen lässt, ob sie später an Typ-1-Diabetes erkranken. Der Test analysiert mehr als 50 Regionen im Erbgut, die bei Menschen mit Typ-1-Diabetes häufig andere Genvarianten aufweisen als bei Gesunden und deshalb einen Bezug zur Ausprägung der Krankheit haben. In Deutschland entwickeln durchschnittlich 4 von 1.000 Menschen irgendwann im Leben einen Typ-1-Diabetes. Für jede und jeden von uns liegt also das Erkrankungsrisiko über die komplette Lebenszeit hinweg bei ca. 0,4 Prozent. Von jenen Kindern, denen der in München entwickelte Gentest ein hohes Erkrankungsrisiko voraussagt, werden 10 Prozent oder mehr vor ihrem 6. Geburtstag krank. In verschiedenen Studien können Eltern ihre Kinder auf ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes testen lassen.
Wo werden Studien zur Früherkennung eines Typ-1-Diabetes-Risikos durchgeführt?
Regulierung des Immunsystems durch Probiotika
Noch ist Typ-1-Diabetes nicht heilbar. Wenn es aber gelänge, die zugrundeliegende Autoimmunreaktion zu verhindern, könnte die Krankheitsentstehung bei Kindern mit erhöhtem genetischen Risiko verhindert werden. Die SINT1A-Studie (Supplementation With B. Infantis For Mitigation Of Type 1 Diabetes Autoimmunity) prüft, ob bei Kindern mit einem erhöhten Typ-1-Diabetes-Risiko durch die Verabreichung des Probiotikums B. infantis die Entstehung von Typ-1-Diabetes verhindert werden kann. Die Gabe des Probiotikums soll einen positiven Einfluss auf die Darmflora haben und dadurch regulierend auf das Immunsystem wirken. In der Studie wird untersucht, ob auf diese Weise fehlerhafte und krankmachende Immunreaktionen wie beim Typ-1-Diabetes aber auch bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel Zöliakie, verringert werden und die Erkrankung dadurch verhindert werden kann.
Wo werden Studien zur Prävention von Typ-1-Diabetes durchgeführt?
Diabetesforschung in Deutschland
In Deutschland bündelt das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD) die Expertise auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel dieser translationalen Diabetesforschung ist es, die Erkenntnisse und Ergebnisse der Forschung möglichst schnell vom Labor in klinische Studien und dann zu den Patientinnen und Patienten zu bringen, um Diabetes besser vorbeugen, gezielter behandeln und Folgeerkrankungen vermeiden zu können.
Als eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) wird das DZD vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie den Ländern seiner Standorte gefördert.
Partner des DZD sind:
- Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU),
- Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ),
- Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE),
- Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen,
- Paul-Langerhans-Institut Dresden (PLID) des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden.
Assoziierte Partner sind Forschungsgruppen aus dem Bereich Stoffwechsel und Diabetes an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, München und Schleswig-Holstein.
Weitere Informationen zur Diabetesforschung unter dem Dach des DZD finden Sie unter www.dzd-ev.de.
Klinische Studien sind ein wichtiger Baustein zur Erforschung von Diabetes. Dafür ist die Wissenschaft auf Ihre Hilfe angewiesen. Haben Sie Interesse, sich an einer klinischen Studie zu beteiligen?
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Stand: 10.02.2022