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Diabetes durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Martin Heni, Dr. Oana Patricia Zaharia

Wenn die Bauchspeicheldrüse wegen Erkrankungen oder Verletzungen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommt, kann der Blutzucker steigen und ein Diabetes entstehen. Während man früher von „Typ-3c-Diabetes“ sprach, wird heute der Begriff „pankreopriver Diabetes“ verwendet. Bei 1 bis 1,5 Prozent der Menschen mit Diabetes liegt diese Form vor.  

Pankreopriver Diabetes wird am häufigsten durch eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung ausgelöst. Aber auch Bauchspeicheldrüsenkrebs, Verletzungen der Bauchspeicheldrüse (beispielsweise nach einem Unfall), Mukoviszidose oder eine Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) können Diabetes auslösen.



1. Wenn die Bauchspeicheldrüse Ihre Aufgaben nicht ausführt

Die Bauchspeicheldrüse – auch Pankreas genannt – liegt im Oberbauch hinter dem Magen. Sie ist eine der größten Drüsen des menschlichen Körpers und erfüllt lebenswichtige Funktionen. Zum einen stellt sie Verdauungssäfte her, welche die Nahrung im Darm zerkleinern und aufschlüsseln, zum anderen bildet sie Hormone, unter anderem Insulin und Glukagon.

Wenn die Bauchspeicheldrüse aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen beschädigt ist, kann sie ihre Aufgaben in manchen Fällen nicht mehr richtig ausführen. Fehlt dem Körper Insulin, kann er den Zucker aus dem Blut nicht mehr in die Körperzellen aufnehmen. Als Folge steigt der Blutzuckerspiegel an und es kann ein Diabetes entstehen.


2. Wie läuft die Diagnose ab?

Der pankreoprive Diabetes wird mit den gleichen Untersuchungen festgestellt, die auch für die Diagnose des Typ-1- und Typ-2-Diabetes genutzt werden. Manchmal ist es für Fachleute nicht leicht, diesen Diabetes-Typ vom Typ-1- oder Typ-2-Diabetes zu unterscheiden. Daher wird in manchen Fällen zunächst die falsche Diabetesform diagnostiziert. Wenn jedoch zusätzlich eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse festgestellt wird, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um pankreopriven Diabetes handelt.

Mit einem Elastase-Stuhltest kann bestimmt werden, inwieweit die Bauchspeicheldrüse noch Verdauungsenzyme herstellt. Das gibt Auskunft darüber, wie funktionsfähig die Bauchspeicheldrüse ist und kann die Diagnose unterstützen.

Hier erfahren Sie mehr zur Diagnose von Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes.


3. Welche Möglichkeiten gibt es bei der Behandlung?

Bei der Behandlung gibt es bisher keine einheitlichen Standards. Daher erfolgt die Therapie je nach Schwere des Diabetes und der Bauchspeicheldrüsenerkrankung.

Häufig müssen Medikamente wie Metformin eingenommen oder Insulin gespritzt werden, um die Blutzuckerwerte zu senken. Oft hilft auch eine Umstellung des Lebensstils hin zu mehr Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und Alkoholverzicht.

Diabetes aufgrund einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse lässt sich oft schwerer einstellen als andere Diabetesformen. So kann es häufig zu Unterzuckerungen und zu Überzuckerungen kommen, die schnelles Handeln erfordern und lebensbedrohlich sein können.

Gut zu wissen:

Da der Stoffwechsel bei pankreoprivem Diabetes sehr instabil ist, können im Alltag akute Notfälle auftreten. Hier finden Sie Tipps zur Vorbeugung von Stoffwechselentgleisungen. Um für schwere Unterzuckerungen gewappnet zu sein, sollte zum Beispiel immer Traubenzucker mitgenommen werden.

Autologe Transplantation insulinproduzierender Zellen

Wenn die Bauchspeicheldrüse beispielsweise nach einem Autounfall operativ entfernt werden muss, würde infolgedessen ein Diabetes entstehen. Fachleute sprechen in diesem Fall auch von einem kompletten Insulinmangel-betontem Diabetes.

Mittlerweile kann in manchen Fällen ein solcher Diabetes verhindert werden, indem die eigenen insulinproduzierenden Zellen vor der Operation "gerettet" werden. Die Zellen können im Labor aufbereitet und nach der Entnahme der Bauchspeicheldrüse wieder in den Körper eingesetzt werden. Durch eine sogenannte autogene Transplantation bleibt ein Teil der Funktion erhalten. So kann der Körper weiterhin Insulin produzieren – das vereinfacht die zukünftige Stoffwechselregulation nach einer Entfernung der Bauchspeicheldrüse stark. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Standardverfahren.

Weitere Informationen hören Sie in unserem Podcast zu „Transplantationen bei Diabetes Typ 1“ mit Prof. Dr. Barbara Ludwig ab Minute 39:52.

Gut zu wissen – Diabetes-Symptome:

Es kommt vor, dass eine Diabetes-Erkrankung bereits vor der Bauchspeicheldrüsenerkrankung oder auch erst viele Jahre nach der Erkrankung auftritt. Um den Diabetes rechtzeitig zu erkennen, ist es daher wichtig, die Symptome von Diabetes zu kennen – auch wenn diese erst auftreten, wenn die Blutzuckerwerte sehr hoch sind.

Auf folgende Symptome sollte geachtet werden:

  • Starkes Durstgefühl
  • Häufiges Wasserlassen
  • Gewichtsabnahme
  • Müdigkeit
  • Abgeschlagenheit
  • Sehstörungen

4. Bei welchen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse kann ein Diabetes auftreten?

Es gibt verschiedene Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, bei denen ein Diabetes auftreten kann. Auch ein Unfall, bei dem die Bauchspeicheldrüse verletzt wird, oder eine Operation an dem Organ können Ursache für einen Diabetes sein.

Im Folgenden finden Sie mehr Informationen zu den folgenden Erkrankungen und Auslösern von Diabetes:

  • Diabetes durch chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis)
  • Diabetes durch Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom)
  • Diabetes durch Verletzungen der Bauchspeicheldrüse
  • Diabetes durch Mukoviszidose (cystische Fibrose)
  • Diabetes durch Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose)

5. Diabetes durch eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis)

Bei 3 von 4 Personen ist eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung der Grund für den pankreopriven Diabetes. Aufgrund der Entzündung werden sowohl Verdauungssäfte als auch Hormone, darunter Insulin, nicht mehr hergestellt und ausgeschüttet. Dadurch kann ein starker Insulinmangel entstehen, der zum Diabetes führt.

Die häufigste Ursache einer Bauchspeicheldrüsenentzündung ist Alkoholmissbrauch, gefolgt von Gallensteinen. Seltenere Ursachen sind Tumore, bestimmte Medikamente oder eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen. Symptome für eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung sind starke Schmerzen im Oberbauch, die bis in den Rücken reichen. Die Erkrankung wird chronisch, wenn sich die Bauchspeicheldrüse immer wieder entzündet.


6. Diabetes durch Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom)

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ein bösartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse, der bei vielen betroffenen Personen einen Diabetes auslöst. Tritt der Krebs im Bauchspeicheldrüsenkopf auf, kann eine akut auftretende Gelbsucht ohne jegliche Schmerzen ein Alarmsignal sein.

Weil der Tumor im Frühstadium wenig Beschwerden macht, ist es möglich, dass der Diabetes vor der Krebsdiagnose festgestellt wird. Außerdem ist es schwierig, den Krebs von einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung zu unterscheiden. Wird der Tumor jedoch früh genug erkannt und hat er sich noch nicht zu stark ausgebreitet, kann er in manchen Fällen operativ entfernt werden.


7. Diabetes durch Verletzungen der Bauchspeicheldrüse

Verletzungen der Bauchspeicheldrüse können beispielweise durch einen Unfall entstehen. Dann kann der Pankreas sowohl Verdauungssäfte als auch Hormone, darunter auch Insulin, nicht mehr herstellen und ausschütten. Möglich ist auch, dass die Bauchspeicheldrüse durch eine Operation entfernt werden muss.


8. Diabetes durch Mukoviszidose (Cystische Fibrose)

Mukoviszidose ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, bei der in den inneren Organen zähflüssige Sekrete entstehen. Auch die Bauchspeicheldrüse ist davon betroffen. Durch das Sekret werden Insulin und andere Hormone nicht mehr ausreichend hergestellt. Außerdem werden die Ausfuhrgänge verstopft.

Aufgrund des Insulinmangels können die Blutzuckerwerte steigen und ein Diabetes entstehen. Da sich ein Diabetes ungünstig auf den Krankheitsverlauf der Mukoviszidose auswirken kann, sollte ab dem 10. Lebensjahr bei den Patientinnen und Patienten mindestens einmal im Jahr überprüft werden, ob ein Diabetes vorliegt.


9. Diabetes durch die Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose)

Bei der Eisenspeicherkrankheit nimmt der Darm besonders viel Eisen aus der Nahrung auf. Das Eisen lagert sich in den einzelnen Organen im Körper an. Wenn die Bauchspeicheldrüse von der Eisenüberladung betroffen ist und nicht mehr ausreichend Insulin hergestellt wird, kann Diabetes entstehen. Es ist möglich, dass zuerst die Diabetes-Erkrankung festgestellt wird, bevor die Hämochromatose erkannt wird.

Das Eisen lagert sich auch in der Haut ab und nimmt nach längerer Erkrankung einen bronzefarbenen Ton an. Daher wird die Erbkrankheit auch als Bronzediabetes bezeichnet.

Die frühen Symptome einer Hämochromatose – dazu gehören beispielsweise Müdigkeit oder Gewichtsverlust – sind oft nicht spezifisch. Im Erwachsenenalter treten schließlich Komplikationen der Eisenspeicherkrankheit in Form von Störungen von verschiedenen Organfunktionen auf.

Quellen:

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Stand: 25.07.2023