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Überzuckerung (Hyperglykämie) und diabetische Ketoazidose

Wissenschaftliche Unterstützung: Andreas Vosseler M.A.

Bei einer Überzuckerung (oder auch Hyperglykämie) steigt der Blutzuckerwert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l). Bei sehr hohen Werten handelt es sich um einen akuten Notfall. Es kann zum lebensbedrohlichen diabetischen Koma kommen.

Symptome von Überzuckerungen können Müdigkeit, starker Durst, erhöhter Harndrang und Übelkeit sein. Die Ursache für hohe Blutzuckerwerte ist vorrangig ein Insulinmangel.

Überzuckerungen kommen bei Menschen Diabetes vor. Eine gefährliche Situation ist die diabetische Ketoazidose, die mit süßlich riechendem Atem, vertiefter Atmung und Übelkeit einhergeht und in erster Linie bei Typ-1-Diabetes auftreten kann. Bei Typ-2-Diabetes treten Ketoazidosen seltener auf. Dafür kann es zu einem hyperglykämischen hyperosmolaren Syndrom kommen. Auch hierbei handelt es sich um einen akuten, lebensbedrohlichen Notfall.

In der Regel können Menschen mit Diabetes hohe Blutzuckerwerte selbst ausgleichen. Diabetes-Fachkräfte stellen insulinspritzenden Personen oft ein Korrekturschema zur Verfügung. Dieses zeigt, bei welchen Blutzuckerwerten wie viel Korrekturinsulin injiziert werden soll.

Achtung: Nach einer Mahlzeit sollte nicht zu früh mit Insulin korrigiert werden. Das birgt das Risiko für eine Unterzuckerung, weil das zur Mahlzeit gespritzte Insulin im Körper noch wirkt. Fragen Sie Ihr Diabetes-Team, ab welchem Zeitpunkt nach einer Mahlzeit bei erhöhten Blutzuckerwerten mit Insulin gegengesteuert werden kann.



1. Symptome: Woran erkennt man eine Überzuckerung?

Ab welchem Blutzuckerwert die ersten Anzeichen einer Überzuckerung bemerkt werden, ist individuell verschieden. Häufige Symptome für hohe Blutzuckerwerte sind:

  • Starker Durst
  • Erhöhter Harndrang
  • Trockener Mund
  • Müdigkeit
  • Sehstörungen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Bauchschmerzen
  • Appetitlosigkeit
  • Süßlich riechender Atem
  • Vertiefte Atmung (Kußmaul-Atmung)
  • Krämpfe
  • Bewusstseinsveränderungen

Bei einer vertieften Atmung und süßlich riechendem Atem kann es sich um eine diabetische Ketoazidose handeln. Eine gefährliche Situation, die sofortiges Handeln erfordert.

Gut zu wissen:

Sie sind sich nicht sicher, ob es sich um eine Über- oder Unterzuckerung handelt? Sehen Sie sich unser Video zu akuten Notfällen bei Diabetes an.


2. Was sind die Ursachen einer Überzuckerung?

Verschiedene Situationen können zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Die Ursachen sind teilweise auf die Therapie-Technik zurückzuführen. Beispielsweise, wenn das Infusionsset einer Insulinpumpe lange nicht gewechselt wurde und das Insulin nicht mehr richtig wirkt. Auch das Diabetes-Management kann eine Rolle spielen: Zum Beispiel dann, wenn der Kohlenhydratanteil einer Mahlzeit zu niedrig eingeschätzt und zu wenig Insulin gespritzt wurde oder Medikamente beziehungsweise Insulin nicht verabreicht wurden. Zudem kann der Blutzucker bei Stress oder einer Krankheit ansteigen, weil der Insulinbedarf erhöht ist. Auch veränderte Spritzstellen können zu erhöhten Blutzuckerwerten beitragen.

 

Mögliche Ursachen hoher Blutzuckerwerte sind im Folgenden aufgelistet:

  • Der Diabetes ist bislang noch nicht bekannt (Neumanifestation)
  • Vergessen, Insulin zu spritzen oder der Kohlenhydratanteil einer Mahlzeit wurde zu niedrig eingeschätzt
  • Erhöhter Insulinbedarf infolge eines Infekts oder Stress
  • Insulin wirkt nicht mehr ausreichend (zum Beispiel durch starke Hitze)
  • Defekt des Insulinpens, der Pennadel, der Insulinpumpe oder des Infusionssets
  • Veränderte Spritzstellen (Lipohypertrophien)
  • Medikamente, die die Insulinempfindlichkeit verringern (zum Beispiel Glukokortikoide) oder den Blutzuckerspiegel stark ansteigen lassen

3. Wie kann einer Überzuckerung vorgebeugt werden?

Starken Überzuckerungen sowie auch Unterzuckerungen kann durch bestimmte Maßnahmen vorgebeugt werden. Beispielsweise ist es sinnvoll, immer ein „Notfall-Päckchen“ dabei zu haben. In dieses „Notfall-Päckchen“ gehören alle Utensilien, auf die Sie bei der Diabetes-Therapie angewiesen sind, wie zum Beispiel Traubenzucker, Insulinpen, eine zusätzliche Insulinampulle, Batterien für die Insulinpumpe. Auch ist es sinnvoll, das Umfeld über die Erkrankung zu informieren. So sorgen Sie für Verständnis, falls Sie eine Pause aufgrund hoher oder niedriger Blutzuckerwerte benötigen. Wenn die Schulklasse oder das Arbeitsteam über mögliche Stoffwechselentgleisungen Bescheid weiß, können schlimmere Notfälle vermieden werden. Weitere Tipps zur Vorbeugung von Notfällen lesen Sie hier.


4. Erste-Hilfe-Schema bei einer Überzuckerung


5. Was ist eine diabetische Ketoazidose?

Bei einer diabetischen Ketoazidose können Blutzuckerwerte von weit über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) auftreten. Sie entsteht als Folge eines starken Insulinmangels und muss sofort behandelt werden. Eine Ketoazidose trifft hauptsächlich Menschen mit Typ-1-Diabetes, da bei ihnen die Bauchspeicheldrüse kein oder nur sehr wenig Insulin herstellt. Aber auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kann eine diabetische Ketoazidose auftreten.

Was passiert bei einer Ketoazidose?

Insulin ist ein lebensnotwendiges Hormon. Es sorgt dafür, dass der Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen wird, um daraus Energie zu gewinnen.

Wenn zu wenig Insulin im Blut ist, gelangt kein Zucker in die Zellen und der Blutzuckerspiegel steigt an. Um den Energiebedarf anders zu decken, baut der Körper vermehrt Fettreserven ab. Bei diesem Vorgang entstehen saure Ketonkörper. Diese reichern sich im Blut an und führen zu einer Übersäuerung, einer sogenannten Azidose.

Ein Teil der Ketonkörper wird mit dem Harn ausgeschieden und über die Atemluft abgeatmet. Der Atem riecht dann süßlich. Durch den stark erhöhten Blutzucker kommt es zu vermehrtem Harndrang. Das führt zu einem großen Verlust an Flüssigkeit und Elektrolyten. Austrocknung und Kreislauf-Versagen drohen. Deshalb braucht eine Patientin oder ein Patient mit einer diabetischen Ketoazidose zur Behandlung vor allem eine große Menge an Flüssigkeit. Ohne Gegenmaßnahmen und eine geeignete Therapie führt eine Ketoazidose zu einem diabetischen Koma und ist lebensgefährlich.

Welche Symptome treten bei einer Ketoazidose auf?

Eine diabetische Ketoazidose geht in der Regel mit stark erhöhten Blutzuckerwerten über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) einher. Ein hoher Blutzuckerwert bedeutet aber nicht, dass automatisch eine Ketoazidose vorliegt.

Neben den typischen Anzeichen für eine Überzuckerung (starker Durst, erhöhter Harndrang, trockener Mund, …) gibt es Symptome, die auf eine diabetische Ketoazidose hinweisen:

  • Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
  • Süßlich riechender Atem
  • Vertiefte Atmung (Kußmaul-Atmung)
  • Bewusstseinsveränderungen

Wie wird auf eine Ketoazidose getestet?

Stellen Menschen mit Typ-1-Diabetes die oben genannten Symptome bei sich fest, sollten sie sofort den Blutzucker messen. Liegt der Wert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l), steht ein Test auf Ketonkörper an. Die Ketone können im Urin oder im Blut gemessen werden. Urin- oder Blutketon-Teststreifen können von der Diabetes-Praxis rezeptiert werden. Manche Blutzuckermessgeräte können mit speziellen Teststreifen auch Ketone im Blut messen.

Ketone im Blut testen

Ketone im Urin testen

Die Messung wird wie eine Blutzuckermessung durchgeführt.

  1. Materialien bereitlegen
  2. Hände waschen und abtrocknen
  3. Teststreifen in das Messgerät einführen
  4. Mit einer Stechhilfe den Finger seitlich punktieren
  5. Leicht drücken, bis Blut erscheint
  6. Das Blut mit dem Teststreifen aufsaugen
  7. Das Messergebnis wird angezeigt

 

Auswertung:

Die Ergebnisse sind abhängig vom Analysegerät und der Analysemethode. Informieren Sie sich daher bei der jeweiligen Firma, welche Werte wie einzuordnen sind. Folgende Werte bieten eine Orientierung:

 

Normal: 0,0 bis unter 0,6 mmol/l

Leicht erhöht: 0,6 bis 1,5 mmol/l

Erhöht: über 1,5 mmol/l

 
  1. Urin in einem Behälter auffangen
  2. Das Testfeld des Teststreifens kurz in den Urin eintauchen
  3. Nach 15 Sekunden (je nach Hersteller auch andere Zeitangabe möglich) die Farbe mit der Teststreifen-Verpackung abgleichen

 

Auswertung:

Je nach Menge an Ketonkörpern im Harn verfärbt sich der Teststreifen von hell bis dunkel.

Je dunkler die Farbe, desto mehr Ketonkörper sind im Blut.

 

Gering (+/- bis +)

Mittel (++)

Hoch (+++ oder ++++)

Gut zu wissen:

Der Blutzuckerwert sollte bei einer Ketoazidose nicht zu schnell reduziert werden, um negativen Auswirkungen (zum Beispiel einem Hirnödem) vorzubeugen.

Was tun bei einer Ketoazidose?

Fällt das Ergebnis des Ketonkörper-Tests positiv aus, sind schnelle Gegenmaßnahmen erforderlich. Um im Notfall richtig handeln zu können, sollten Menschen mit Typ-1-Diabetes diese vorab einmal mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprochen haben.

Zu Beginn einer diabetischen Ketoazidose können geschulte Patientinnen und Patienten sich in der Regel selbst helfen. Wichtig ist, viel zu trinken und kurzwirksames Insulin zu spritzen. Zudem sollte in kurzen Abständen (in der Regel alle 2 Stunden) der Blutzucker kontrolliert und körperliche Anstrengungen meiden werden. Bessern sich weder Werte noch Symptome innerhalb weniger Stunden oder liegen bereits starke Symptome vor (wie Erbrechen, Bauchschmerzen, Schläfrigkeit), sollte umgehend eine Ärztin oder ein Arzt gerufen werden. Auch bei starkem Unwohlsein oder Unsicherheit bezüglich der Behandlung sollte stets ärztliche Hilfe gesucht werden.

Was sind die Ursachen einer diabetischen Ketoazidose?

Es kann aus unterschiedlichen Gründen zu einer diabetischen Ketoazidose kommen. In dieser Situation ist kein oder fast gar kein Insulin mehr vorhanden.

Diabetes Typ 1: Ketoazidosen treten vor allem bei Typ-1-Diabetes auf, wenn Überzuckerungen über lange Zeit nicht erkannt und behandelt werden und ein massiver Insulinmangel entsteht.

Weil die Symptome eines Typ-1-Diabetes oft nicht bekannt sind, kommt es bei einer Neumanifestation häufig zu einer gefährlichen Ketoazidose. Aber auch bei bestehendem Typ-1-Diabetes kann es aufgrund folgender Ursachen zur diabetischen Ketoazidose kommen:

  • Schwere Infektionen
  • Akute Herz-Kreislauf-Ereignisse
  • Zu wenig Insulin gespritzt oder vergessen, Insulin zu spritzen
  • Starker Insulinmangel aufgrund technischer Probleme

 

Diabetes Typ 2: Bei Typ-2-Diabetes sind diabetische Ketoazidosen selten. Ursachen können sein:

  • Schwere Infektionen
  • Massiver Alkoholkonsum mit und ohne Metformin-Therapie
  • Starker Insulinmangel bei länger bestehendem Typ-2-Diabetes

 

Ein Grund für den Insulinmangel kann beispielsweise auch ein Defekt am Katheter einer Insulinpumpe oder unwirksames Insulin sein. Weitere Ursachen sind unter „Was sind die Ursachen einer Überzuckerung?“ aufgeführt.

Diabetes-Notfallausweis

Ein Diabetes-Notfallausweis informiert zu Hilfe kommende Personen im Ernstfall über die bestehende Diabetes-Erkrankung und eingenommene Medikamente.

Das Diabetesnetz Deutschland bietet den Diabetes-Notfallausweis in 7 verschiedenen Designs an. Von schlicht bis bunt gemustert ist für alle etwas dabei: für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Die Ausweise können auf diabetesnetz.info kostenlos bestellt oder direkt als PDF-Dokument heruntergeladen und ausgedruckt werden:

Download „Diabetes-Notfallausweis“


6. Hyperglykämisches hyperosmolares Syndrom (HHS) bei Diabetes Typ 2

Auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kann der Blutzuckerspiegel stark nach oben ausreißen, wenn kaum noch Insulin vorhanden oder wirksam ist. Da bei ihnen die Bauchspeicheldrüse aber in der Regel zumindest noch kleine Mengen an Insulin ausschüttet, kommt es bei ihnen nicht zu einer massiven Bildung an Ketonkörpern, wie bei der Ketoazidose. Die Abkürzung “HHS“ steht für hyperglykämisches hyperosmolares Syndrom.

Sehr gefährlich ist diese Stoffwechselentgleisung dennoch. Betroffene Personen haben zum Teil extreme Blutzuckerwerte über 600 mg/dl (33,3 mmol/l) oder gar 1.000 mg/dl (55,5 mmol/l). Zudem weisen sie einen starken Flüssigkeitsmangel auf.

 

Das hyperglykämische hyperosmolare Syndrom kann durch folgende Situationen ausgelöst werden:

  • Infektionen
  • Akute Herz-Kreislauf-Ereignisse
  • Erbrechen
  • Schwere Durchfälle
  • Nierenerkrankungen
  • Große Mengen zuckerhaltiger Getränke (beispielsweise Fruchtsäfte oder Limonaden)
  • Medikamente wie Diuretika, bestimmte Psychopharmaka und Glukokortikoide

 

Typische Anzeichen sind:

  • Starker Durst
  • Häufiges Wasserlassen
  • Sehstörungen
  • Wadenkrämpfe
  • Müdigkeit
  • Herzrasen
  • Niedriger Blutdruck
  • Schwindel
  • Schwächeanfälle
  • Krämpfe

 

Ohne Gegenmaßnahmen droht ein hyperosmolares Koma. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes. Betroffene Personen sollten bei Verdacht umgehend den Notdienst 112 rufen.



Quellen:

American Diabetes Association: Diabetes & DKA (Ketoacidosis). (Letzter Abruf: 05.04.2023)
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. Langfassung. 1. Auflage. Version 4. 2014 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes. Teilpublikation der Langfassung. 2. Auflage. Version 1. 2021
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. 2. Auflage. 2018
Häring, H.-U. et al. (2021): Diabetologie in Klinik und Praxis. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag KG, ISBN: 9783132428911
Hien, P. et al. (2013): Diabetes Handbuch. 7. Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg, ISBN: 978-3-642-34944-7
Kitabchi, A. E. et al.: Hyperglycemic Crises in Adult Patients With Diabetes. In: Diabetes Care, 2009, 32: 1335-1343
Beipackzettel: Ketostix® Teststreifen. Bayer HealthCare
Nyenwe, E. A. et al.: The evolution of diabetic ketoacidosis: An update of its etiology, pathogenesis and management. In: Metabolism, 2016, 65: 507-521
Stand: 05.04.2023