Hauptinhalt anzeigen

Diabetes durch andere Hormon-Erkrankungen

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Martin Heni, Dr. Oana Patricia Zaharia

Wenn die Hormonproduktion oder -wirksamkeit gestört ist, sprechen Fachleute auch von Endokrinopathien. Solche Hormonstörungen können sich auf den Zuckerstoffwechsel auswirken und einen Diabetes verursachen.

Beispiele für Endokrinopathien, die Diabetes auslösen können, sind unter anderem eine Akromegalie, ein Hypercortisolismus, eine Schilddrüsenüberfunktion oder Tumore an der Nebenniere, der Bauchspeicheldrüse oder am Darm.

Oft wird durch diese Hormonerkrankungen die Wirkung des Insulins eingeschränkt und Glukagon freigesetzt. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel, sodass Diabetes entsteht. Im Fokus der Behandlung steht die zugrundeliegende Endokrinopathie.



1. Wenn das Hormonsystem krank ist – Endokrinopathien

Ein lebenswichtiges Hormon für den Menschen ist Insulin. Es wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und sorgt dafür, dass der Zucker, der in der Nahrung enthalten ist, aus dem Blut in die Körperzellen gelangt. Aus dem Zucker gewinnen die Zellen Energie.

Gut zu wissen:

Hormone sind wichtige Botenstoffe im Körper. Zahlreiche Drüsen in unterschiedlichen Körperregionen schütten Hormone aus. Sie erfüllen unterschiedliche Funktionen, wie beispielsweise die Übermittlung von Informationen. Hormone steuern so tausende verschiedene Vorgänge im Körper. Die Lehre von Hormonen wird auch Endokrinologie genannt.

Kommt es zu Funktionsstörungen der Hormondrüsen oder wirken die Hormone fehlerhaft auf das Zielorgan, kann es zu einer sehr hohen Ausschüttung bestimmter Hormone kommen. Diese falschen Wirkungsweisen nennen Fachleute Endokrinopathien.

Manche Endokrinopathien können zu Diabetes führen. So kann eine zu hohe Menge an bestimmten Hormonen dafür sorgen, dass die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin herstellt. Bei anderen Hormonen wiederum führt eine übermäßig große Menge dazu, dass Insulin an den Körperzellen nicht mehr richtig wirkt. Dadurch kann der Zucker nicht in die Körperzellen aufgenommen werden. Der Zucker verbleibt im Blut, der Blutzuckerspiegel steigt an und es entsteht Diabetes.

Um den Diabetes, der durch eine gestörte Hormonproduktion verursacht wurde, in den Griff zu bekommen, behandeln Ärztinnen und Ärzte – wenn möglich – als erstes die zugrundeliegende Erkrankung.


2. Bei welchen Hormonsystem-Erkrankungen kann ein Diabetes auftreten?

Es gibt verschiedene Erkrankungen des Hormonsystem, bei denen Diabetes auftreten kann. Zum einen kann ein Überschuss an Hormonen zu einem Diabetes mellitus führen, wie beispielsweise ein Überschuss an Wachstumshormonen, Kortisol oder eines Nebennierenhormons. Auch bei Tumoren an der Nebenniere, der Bauchspeicheldrüse oder des Darms kann ein Diabetes auftreten. In den folgenden Abschnitten finden Sie mehr Informationen dazu.


3. Diabetes durch eine Akromegalie (Überschuss an Wachstumshormonen)

Bei Menschen mit Akromegalie schüttet eine der wichtigsten Hormondrüsen im Gehirn, die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), zu viel des Wachstumshormons aus. Ursache dafür ist in 99 von 100 Fällen ein Tumor der Hirnanhangsdrüse. Dieser ist in den allermeisten Fällen gutartig.

Eine Folgeerkrankung der Akromegalie ist unter anderem Diabetes. Die Stoffwechselerkrankung entsteht, indem das Wachstumshormon als Gegenspieler von Insulin dafür sorgt, dass Insulin am Insulinrezeptor nicht mehr wirkt. Als Folge kann das Insulin die Zelltüren für den Zucker nicht mehr richtig öffnen. Fachleute sprechen dann von einer Insulinresistenz. Die Bauchspeicheldrüse muss immer mehr Insulin bereitstellen, damit der Zucker in die Zellen gelangt. Kann die Bauchspeicheldrüse dies nicht mehr leisten, entstehen hohe Blutzuckerspiegel und somit ein Typ-2-Diabetes.


4. Diabetes durch Hypercortisolismus (Überschuss an Kortisol im Blut)

Die Nebenniere ist eine Hormondrüse, die an den Nieren angelagert ist. Sie bildet unter anderem das Stresshormon Kortisol. Produziert die Nebenniere jedoch zu viel Kortisol, entsteht das Cushing-Syndrom. Regt die Hirnanhangsdrüse die Nebenniere zu einer übermäßigen Kortisol-Produktion an, spricht man von Morbus Cushing. Durch die erhöhten Kortisol-Spiegel nehmen die Patientinnen und Patienten an Gewicht zu, entwickeln Bluthochdruck sowie eine Muskelschwäche und ihr Gesicht sowie der Nacken werden dicker.

Gut zu wissen:

Kortisol wird als Stresshormon bezeichnet. Es wird verstärkt ausgeschüttet, wenn der Körper erhöhten Anforderungen ausgesetzt ist. Das Hormon ist lebenswichtig und wirkt auf das Herz-Kreislauf- sowie Nervensystem.

Das Hormon Kortisol ist ein Gegenspieler von Insulin, das beispielsweise auch bei Unterzuckerungen vermehrt ausgeschüttet wird. Kortisol sorgt dafür, dass die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin herstellt und dieses die Zelltüren für den Zucker (Glukose) nicht mehr richtig öffnen kann. Fachleute sprechen dann von einer Insulinresistenz. Der Zucker verbleibt im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt an.

Zudem lagert sich beim Hypercortisolismus Fett im gesamten Körper an. Dies kann zum Metabolischen Syndrom führen. Dabei treten verschiedene Symptome gemeinsam auf: Bauchbetontes Übergewicht, Bluthochdruck, Fettleber, veränderte Blutfettwerte sowie erhöhte Nüchternblutzuckerwerte oder ein bestehender Typ-2-Diabetes.

Gut zu wissen:

Es gibt verschiedene Ursachen für das Cushing Syndrom. So kann ein Tumor oder eine starke Vergrößerung der Nebenniere zu einer erhöhten Ausschüttung von Kortisol führen. Ein weiterer Grund kann sein, dass die Nebenniere durch ein anderes Hormon besonders stark angeregt wird.

Bei manchen Erkrankungen schüttet die Hypophyse – die Hirnanhangsdrüse – hohe Mengen eines bestimmten Hormons aus, das wiederum die Nebenniere befeuert. Die Nebenniere setzt dann besonders viel Kortisol frei.


5. Diabetes durch ein Phäochromazytom (Tumor in der Nebenniere)

Einen Tumor in der Nebenniere bezeichnen Fachleute als Phäochromazytom. Er kommt sehr selten vor und ist in den meisten Fällen gutartig. Die Nebenniere ist eine Hormondrüse, die an die Nieren angelagert ist. Sie schüttet verschiedene Hormone aus, sogenannte Katecholamine wie Noradrenalin und Adrenalin.

Diese Hormone sind Gegenspieler von Insulin. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin herstellt. Außerdem setzt die Leber ihren gespeicherten Leberzucker frei und schüttet ihn ins Blut aus. Durch diese beiden Vorgänge kann der Blutzuckerspiegel ansteigen und Typ-2-Diabetes entstehen.


6. Diabetes durch eine Schilddrüsenüberfunktion

Die Schilddrüse ist eine wichtige Hormondrüse im menschlichen Körper. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion, auch Hyperthyreose genannt, ist die Schilddrüse überaktiv und produziert zu viel Schilddrüsenhormone.

Diese Schilddrüsenhormone sind Gegenspieler von Insulin. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin herstellt. Hohe Mengen von Schilddrüsenhormonen führen dazu, dass die Leber ihren gespeicherten Leberzucker freisetzt und diesen ins Blut ausschüttet. Beide Vorgänge bewirken, dass der Blutzuckerspiegel ansteigt und ein Typ-2-Diabetes entstehen kann.


7. Diabetes durch ein Glukagonom (Tumor der Bauchspeicheldrüse)

Ein Glukagonom ist ein extrem seltener Tumor in der Bauchspeicheldrüse. Er stellt große Mengen des Hormons Glukagon her. Auch dieses Hormon hält das Insulin in Schach. Glukagon sorgt dafür, dass die Leber ihren gespeicherten Leberzucker ins Blut ausschüttet. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel an und es entsteht Typ-2-Diabetes.


8. Diabetes durch ein Somatostatinom (Tumor der Bauchspeicheldrüse oder des Darms)

Ein Somatostatinom ist ein extrem seltener Tumor. Er entsteht entweder in der Bauchspeicheldrüse oder im Darm. Ein Somatostatinom produziert große Mengen des Hormons Somatostatin. Dieses Hormon hemmt die Herstellung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse. Wenn nicht genug Insulin vorhanden ist, kann der Zucker aus dem Blut nicht in die Körperzellen aufgenommen werden. Der Blutzucker steigt und es entsteht ein Typ-2-Diabetes.


9. Diabetes durch das Conn-Syndrom (Überschuss eines Nebennierenhormons)

Das Conn-Syndrom (primäre Hyperaldosteronämie) entsteht in der Nebenniere. Die Nebenniere ist eine Hormondrüse, die an die Nieren angelagert ist. Sie schüttet verschiedene Hormone aus. Menschen mit einem Conn-Syndrom haben einen Tumor oder eine starke Vergrößerung der Nebenniere. Deshalb schüttet die Nebenniere ein bestimmtes Hormon besonders stark aus: das Aldosteron.

Aldosteron dient zur Aufrechterhaltung des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes im Körper und reguliert den Blutdruck. Hohe Mengen von Aldosteron können dazu führen, dass die Bauchspeicheldrüse nicht genug Insulin herstellt. Außerdem sorgt das Hormon dafür, dass Insulin die Zelltüren für den Zucker aus dem Blut nicht mehr richtig öffnen kann. Fachleute sprechen dann von einer Insulinresistenz. Beide Vorgänge führen dazu, dass die Zellen den Zucker nicht aufnehmen können. Der Zucker verbleibt im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt. Dies kann zu einem Typ-2-Diabetes führen.

Quellen:

American Diabetes Association: Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. In: Diabetes Care, 2014, 37: S81-S90
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Phäochromazytom / Paragangliom. (Letzter Abruf: 25.07.2023)
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom). (Letzter Abruf: 25.07.2023)
Feingold, K. R. et al.: Atypical forms of diabetes. In: Endotext [Internet]. MDText.com, Inc. 2022
Fuss, C. T. et al.: Das Conn-Syndrom – häufig, und immer noch zu selten diagnostiziert. In: Der Internist, 2022, 63: 25-33
Koop, I. (2013): Gastroenterologie compact. Alles für Klinik und Praxis. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, ISBN: 9783131263131
Lehnert, H. (2014): Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. 4. Auflage. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, ISBN: 9783131295545
Petersenn, S. et al.: Diagnostik und Therapie der Akromegalie: Notwendigkeit der gezielten Überwachung von Komorbiditäten. In: Der Internist, 2017, 58: 1171-1182
Pfeiffer, M. et al.: Somatoforme Störungen und Diabetes. In: Der Diabetologe, 2021, 17: 733-738
Pivonello, R. et al.: Pathophysiology of Diabetes Mellitus in Cushing’s Syndrome. In: Neuroendocrinology, 2010, 92: 77-81
Schumm-Draeger, P. M.: Schilddrüse und Diabetes: Interaktion wird unterschätzt. In: Dtsch Arztebl, 2016, 113: 4
Vogel, F. et al.: Morbidität und Mortalität beim Cushing-Syndrom. In: Der Internist, 2021, 63: 34-42
Zimmermann, A. et al.: Hypophysenstörungen und sekundärer Diabetes mellitus. In: Der Diabetologe, 2010, 6: 29-36
Stand: 25.07.2023