Hauptinhalt anzeigen

Diabetes und Krebs

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Stephan Herzig

Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass es zwischen den beiden Volkskrankheiten Diabetes mellitus und Krebs eine Verbindung zu geben scheint. Dies betrifft vor allem Typ-2-Diabetes. Die Datenlage zu Typ-1-Diabetes ist weniger eindeutig.

Die genauen Ursachen sind gegenwärtig noch nicht bekannt. Die Wissenschaft arbeitet allerdings mit Hochdruck daran, die Mechanismen zu enträtseln, um geeignete Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Wichtig für Menschen mit Diabetes sind – wie für stoffwechselgesunde Menschen auch – vor allem die regelmäßige Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen sowie ein gesunder Lebensstil.



1. Diabetes und Krebs – wie hängt das zusammen?

Das Zusammenspiel von Diabetes und Krebs ist sehr komplex und schwer zu entschlüsseln. Beide chronischen Krankheitsbilder werden durch viele Faktoren beeinflusst und können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Festzustehen scheint aber, dass eine Diabetes-Erkrankung das krankhafte Wachstum mancher Körperzellen begünstigen und das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen kann.

Gut zu wissen:

Zahlreiche Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und verschiedenen Krebsarten hin. Die genauen Mechanismen sind aber noch nicht klar.

Eine 16 Jahre andauernde Studie mit über 1 Million Teilnehmenden zeigte, dass verschiedene Krebsarten bei Menschen mit Diabetes häufiger auftreten als bei stoffwechselgesunden Menschen. Der Diabetes-Typ oder das Alter bei Diagnose wurde bei dieser Studie nicht abgefragt. In den meisten Studien, die über einen Zusammenhang zwischen Diabetes und Krebs berichten, wird nicht zwischen den verschiedenen Diabetes-Typen unterschieden. Da Typ-2-Diabetes wesentlich häufiger ist als Typ-1-Diabetes, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse überwiegend für Typ-2-Diabetes gelten. Es gibt jedoch zunehmend mehr Studien, die darauf hindeuten, dass auch Menschen mit Typ-1-Diabetes häufiger Krebserkrankungen entwickeln. Ein zentraler Faktor könnte dabei die tägliche Insulindosis spielen: Eine große Bevölkerungsstudie aus den USA ergab, dass Menschen, die sich täglich mindestens 0,8 Einheiten Insulin pro Kilogramm Körpergewicht spritzen müssen, häufiger an Krebs erkrankten als insulinpflichtige Menschen mit einer niedrigeren Insulindosis. Ob Insulin aber tatsächlich ein Risikofaktor für Krebs sein könnte, muss noch näher erforscht werden.


2. Welche Krebsarten treten bei Diabetes häufiger auf?

Wie in der allgemeinen Bevölkerung treten auch bei Menschen mit Diabetes einige Krebsarten gehäuft auf. Dazu zählen Darmkrebsarten, Leberkrebs, Brustkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber auch seltenere Krebsarten wie Magenkrebs. Beispielsweise ist das Darmkrebsrisiko bei Menschen mit einem Diabetes-Beginn vor dem 50. Lebensjahr etwa genauso hoch wie in Familien, in denen gehäuft Darmkrebs auftritt.

Unabhängig vom Geschlecht werden folgende Krebsarten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes gehäuft neu diagnostiziert:

  • Leberkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Nierenkrebs
  • Speiseröhrenkrebs
  • Magenkrebs
  • Lungenkrebs
  • Schilddrüsenkrebs
  • Plattenepithelkrebs
  • Leukämien

Interessanterweise sterben verglichen mit der allgemeinen Bevölkerung jedoch nicht mehr Menschen mit Typ-1-Diabetes an Krebs als Menschen ohne Diabetes. Studien zeigen, dass Brustkrebs sogar seltener bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auftritt als in der allgemeinen Bevölkerung. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Typ-1-Diabetes vor Brustkrebs schützt. Denn die Daten zum Risiko für Krebserkrankungen bei Diabetes können nur anzeigen, dass eine Beziehung zwischen beiden Erkrankungen besteht, aber nicht, dass Diabetes Krebs verursacht.

 

Einige Krebsarten treten sowohl bei Menschen mit Typ-2-Diabetes als auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auf. Dazu zählen:

  • Leberkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Nierenkrebs
  • Lungenkrebs
  • Leukämien

Es werden aber noch weitere Krebsarten bei Menschen mit Typ-2-Diabetes öfter neu diagnostiziert als bei Menschen ohne Diabetes. Diese sind:

  • Tumore der Gallenwege
  • Gallenblasenkrebs
  • Magen-Darm-Krebsarten
  • Blasenkrebs
  • Eierstockkrebs
  • Gebärmutterkrebs (Endometriumkrebs)
  • Krebsarten des Mundraums
  • Gliome (Tumore des zentralen Nervensystems, überwiegend Gehirntumore)
  • Melanome (Hautkrebs)

 

Generell treten bei Frauen mit Diabetes mellitus die folgenden Krebsarten häufiger auf als bei Frauen ohne Diabetes:

  • Darmkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Brustkrebs (bei Typ-2-Diabetes)

 

Bei Männern mit Diabetes mellitus treten die folgenden Krebsarten häufiger auf als bei Männern ohne Diabetes:

  • Darmkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Leberkrebs
  • Non-Hodkgin-Lymphom, bösartige Erkrankungen des Lymphgewebes (bei Typ-1-Diabetes)

 

Allerdings handelt es sich bei den Zusammenhängen zwischen Diabetes und Krebs keineswegs um eine Einbahnstraße: So können auch Krebserkrankungen (zum Beispiel der Bauchspeicheldrüse) Diabetes auslösen. Zudem können auch bestimmte Krebs-Medikamente zu einem gestörten Zuckerstoffwechsel führen.


3. Welche Faktoren erhöhen das Krebsrisiko?

Das Krebsrisiko kann durch viele verschiedene Faktoren ansteigen. Dazu zählen bekannte Risikofaktoren wie

  • bestimmte genetische Veränderungen
  • Rauchen
  • Übergewicht und Adipositas
  • Bewegungsmangel
  • ungesunde Ernährung
  • bestimmte Infektionen, zum Beispiel durch das Humane Papilloma Virus (HPV)
  • Alkoholkonsum
  • Umweltgifte
  • chronische Entzündungen

 

Gemeinsam mit Typ-2-Diabetes tritt häufig Übergewicht oder starkes Übergewicht (Adipositas) auf. Inzwischen ist bekannt, dass das Fettgewebe Hormone ausschüttet, welche das Krebswachstum fördern. Bei starkem Übergewicht befindet sich der Körper in einem chronisch-entzündlichen Zustand. Die zahlreichen Entzündungszellen im Fettgewebe geben entzündungsfördernde Botenstoffe ab, die die Krebsentstehung begünstigen können.

 

Auch Medikamente können das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöhen. Dazu zählen unter anderem Immunsuppressiva. Aber auch bestimmte Diabetes-Medikamente stehen im Verdacht das Krebsrisiko zu erhöhen. Dazu zählen GLP-1-Rezeptoragonisten und DPP-4-Hemmer ebenso wie Insulin und Insulinanaloga. Auch Sulfonylharnstoffe könnten möglicherweise das Krebsrisiko erhöhen. Ob die Diabetes-Medikamente jedoch wirklich an der Krebsentstehung beteiligt sind, ist in der Wissenschaft zum Teil sehr umstritten: Die bisherigen Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Für zugeführtes Insulin zeigte sich in den meisten Studien ein Zusammenhang zwischen der täglichen Insulindosis und dem Auftreten von Krebserkrankungen: Menschen, die täglich eine hohe Insulindosis benötigen, hatten ein höheres Risiko an Krebs zu erkranken als Menschen, die kein oder wenig Insulin brauchen. Allerdings wurden in den Studien weitere mögliche Risikofaktoren nicht berücksichtigt, sodass unklar ist, inwieweit das erhöhte Krebsrisiko tatsächlich auf das verabreichte Insulin zurückzuführen ist.

Bei anderen blutzuckersenkenden Medikamenten (orale Antidiabetika, kurz OAD) wird hingegen vermutet, dass sie sich positiv auf Krebs auswirken können. Eine Behandlung mit Metformin beispielsweise scheint die Neuerkrankungsrate und die Sterblichkeit durch Krebs zu senken. Bisher lässt sich jedoch nur sagen, dass das Krebsrisiko unter Metformin sinken könnte. Inwieweit Metformin tatsächlich Krebserkrankungen verhindern kann, wird noch erforscht. Auch der Effekt auf das Krebsrisiko ist in der Wissenschaft weiterhin umstritten.

Bis geklärt ist, ob bestimmte Diabetes-Medikamente das Krebsrisiko erhöhen, werden wahrscheinlich noch einige Jahre vergehen. Denn die Entwicklung der meisten Krebsarten dauert in der Regel länger als diese Medikamente bisher auf dem Markt sind und in der Diabetes-Therapie eingesetzt werden. Sollte ein solches Risiko tatsächlich vorliegen, wären die Auswirkungen demzufolge erst später nachzuweisen.

 

Neben Medikamenten scheint vor allem der Stoffwechsel das Krebsrisiko zu erhöhen: Ist der Blutzuckerspiegel zu hoch, kann das Krebsrisiko steigen. Dies ist bereits bei Prädiabetes der Fall. Besonders das Risiko für Darmkrebs ist bei Menschen mit Prädiabetes erhöht im Vergleich zu gleichaltrigen stoffwechselgesunden Personen.


4. Kann eine Krebserkrankung Diabetes auslösen?

Eine Krebsdiagnose stellt einen schweren Einschnitt im Leben der betroffenen Personen dar. Neben Operationen werden oft Chemotherapien, Bestrahlung, Immuntherapien oder andere medizinische Behandlungen notwendig, die im Körper viel verändern können. Das kann unter anderem auch zu Diabetes führen. Meist ist jedoch nicht die Krebserkrankung selber verantwortlich für den Diabetes, sondern die Behandlung. Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs und anderen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse wird, sofern möglich, ein Teil oder die ganze Bauchspeicheldrüse entfernt oder es kommt zum Funktionsverlust aufgrund der Erkrankung. Dies führt zu einem relativen oder absoluten Insulinmangel, wodurch sich ein Diabetes entwickelt.

Es kann jedoch auch eine Chemotherapie verantwortlich dafür sein, dass Diabetes entsteht. Das bedeutet nicht, dass jeder Mensch, der eine Chemotherapie bekommt, Diabetes entwickeln wird. Vielmehr ist nur bei einzelnen Chemotherapien bekannt, dass sie das Risiko für Diabetes erhöhen. Dazu zählen beispielsweise Alpha-Interferon, Tegafur-Uracil (UFT) und Paclitaxel. Auch Glukokortikoide oder andere Kortison-artige Präparate können den Blutzucker erhöhen und langfristig einen Diabetes begünstigen – unabhängig davon, ob eine Krebserkrankung vorliegt oder nicht. Deshalb werden Glukokortikoide, wenn möglich, immer nur kurz und möglichst niedrig dosiert eingesetzt und der Blutzucker dabei regelmäßig kontrolliert. Auch zielgerichtete (engl.: targeted) Krebstherapien, zum Beispiel Antikörpertherapien oder Immuntherapien wie sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, können das Diabetes-Risiko erhöhen. Warum das so ist, lässt sich bei all diesen Therapien bisher nur bedingt erklären.

Wichtig ist, dass der Blutzucker während und nach der Krebstherapie regelmäßig kontrolliert wird. Besonders während und in den ersten Wochen bis Monaten nach einer Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor kann ein sich sehr rasch entwickelnder Typ-1-Diabetes auftreten. Deshalb sollte im Vorfeld mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzte über mögliche Warnzeichen für die Erkrankung Typ-1-Diabetes gesprochen werden. Falls Sie Anzeichen für einen Typ-1-Diabetes während oder nach der Therapie bei sich bemerken, kontaktieren Sie umgehend Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte.


5. Wie kann einer Krebserkrankung vorgebeugt werden?

Wichtig für alle Menschen – ob mit Diabetes oder ohne – ist ein gesunder Lebensstil: Fehlernährung, mangelnde Bewegung und Übergewicht wirken sich nicht nur negativ auf die Diabetes-Behandlung aus, sondern erhöhen auch das Risiko für weitere Erkrankungen wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Komplikationen. Ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung wirkt hingegen vorbeugend und verbessert zudem den Stoffwechsel.

Weitere Informationen, Hilfestellungen und Tipps rund um einen gesunden Lebensstil finden Sie auf unserem Portal „Diabetes vorbeugen“.

Gut zu wissen:

Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen und einen gesunden Lebensstil pflegen.

Zusätzlich sollten Menschen mit Diabetes genauso wie stoffwechselgesunde Personen regelmäßig an Krebsvorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Denn je früher ein Tumor erkannt wird, desto besser sind die Behandlungschancen. Beispielsweise haben alle Versicherten in Deutschland ab einem Alter von 50 Jahren Anspruch auf regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung von Darmkrebs. Jährlich kann dazu der Stuhl auf verborgenes Blut untersucht und ab 50 Jahren bei Männern und 55 Jahren bei Frauen eine Darmspiegelung durchgeführt werden. Ist sie unauffällig, kann sie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr laden die Krankenkassen alle Versicherten dazu schriftlich ein. Auch für andere Formen wie Brust- oder Gebärmutterhalskrebs gibt es entsprechende Vorsorgeprogramme. Ob bei Diabetes eine frühere Kontrolle ratsam ist, sollten Sie mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Das Bundesministerium für Gesundheit bietet eine Übersicht zum gesetzlich anerkannten Früherkennungsprogramm.

Da auch die Therapie mit sehr hohen Insulinmengen im Verdacht steht, eine Krebserkrankung zu begünstigen, rät die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) bei der Therapie: So viel Insulin wie nötig, aber so wenig wie möglich. Eine Therapie mit dem blutzuckersenkenden Medikament Metformin scheint hingegen bei manchen Krebsarten eine schützende Wirkung zu haben. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte gerade bei stark übergewichtigen (adipösen) Menschen mit Typ-2-Diabetes, die hohe Insulindosen spritzen, eine Kombination mit Metformin oder anderen blutzuckersenkenden Medikamenten erwägen, um Insulin einzusparen.


6. Diabetes und Krebs: Was passiert im Körper?

Wie genau Diabetes zur Bildung von Tumoren beitragen kann, ist noch nicht geklärt. Mehrere Faktoren werden als mögliche Ursache in Betracht gezogen: Eine Vermutung ist, dass erhöhte Insulinspiegel (Hyperinsulinämie) und erhöhte Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) dafür verantwortlich sind.

Bei Typ-2-Diabetes bildet der Körper anfangs mehr Insulin als normal, um die schwächer werdende Wirkung des Hormons an den Körperzellen (Insulinresistenz) auszugleichen.

Insulin reguliert im Körper aber nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern kontrolliert auch Zellwachstum und Zellteilung. Langfristig erhöhte Insulinspiegel können damit vorhandene Tumorzellen zu vermehrtem Wachstum anregen. Zusätzlich ist auch der insulinähnliche Wachstumsfaktor IGF-1 (engl.: Insulin-like growth factor 1) am Zucker- und Fettstoffwechsel beteiligt. Er regt die Zellteilung weiter an.

Neben dem Insulin spielen auch erhöhte Blutzuckerwerte eine wichtige Rolle. Überzuckerungen sind assoziiert mit einem höheren Risiko für Darm-, Leber-, Magen-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Verantwortlich dafür könnte der sogenannte „Warburg Effekt“ sein. Er beschreibt einen veränderten Zuckerstoffwechsel in Krebszellen, wodurch Tumore schnell wachsen können. Zusätzlich sorgen Überzuckerungen dafür, dass der Zucker vermehrt an verschiedene Stoffwechselprodukte binden kann und sogenannte Advanced Glycation End Products (AGEs) entstehen. Diese wiederum erhöhen den oxidativen Stress im Körper und wirken entzündungsfördernd.

Besonders Typ-2-Diabetes geht häufig mit Übergewicht einher. Bei Übergewicht werden vermehrt bestimmte Botenstoffe (Adipokine) aus dem Fettgewebe ausgeschüttet. Diese Botenstoffe, unter anderem das Hormon Leptin, regulieren nicht nur den Appetit und den Stoffwechsel, sondern können auch direkt in die Kontrolle von Zellteilung und -wachstum eingreifen. Darüber hinaus werden aufgrund des Übergewichts auch mehr Hormone wie Östrogen aus den Fettzellen ausgeschüttet. Östrogen ist ein Risikofaktor für Brustkrebs. Gleichzeitig geraten bei Übergewicht auch andere Hormone und Botenstoffe häufiger aus dem Rhythmus. Dazu zählen neben den Adipokinen und Östrogen auch die Zytokine. Sie werden normalerweise bei Infektionen, Entzündungen und zur Tumorbekämpfung vermehrt ausgeschüttet, können aber auch bei Übergewicht erhöht sein und entzündungsfördernd wirken.


7. Diabetes und Krebs: Welche Forschungsansätze gibt es?

Entscheidend wird in den kommenden Jahren vor allem sein, die möglichen Verknüpfungen zwischen Krebs und Diabetes weiter zu entschlüsseln oder zu widerlegen. Bedingt die eine Erkrankung die andere oder beruhen beide Krankheiten schlichtweg auf den gleichen Risikofaktoren? Nur wenn eindeutig geklärt ist, welche Mechanismen sich in die eine oder andere Richtung auswirken, können Forschende anfangen, passende Behandlungen zu entwickeln.

Auch die Langzeitwirkung von Diabetes-Medikamenten steht unter Beobachtung: Sollte es sich bestätigen, dass bestimmte Mittel das Krebsrisiko erhöhen, würde das Konsequenzen in der Therapie nach sich ziehen. Ebenso werden Krebstherapien genau beobachtet, denn auch sie können dazu führen, dass sich Diabetes und andere Erkrankungen entwickeln.

Darüber hinaus werden therapeutische Möglichkeiten erforscht: So untersuchen Forscherinnen und Forscher beispielsweise, ob die bei starkem Übergewicht (Adipositas) eingesetzte Adipositas-Chirurgie, zum Beispiel eine Magenverkleinerung, sich auch hemmend auf das Wachstum von Tumoren auswirkt. Bereits bekannt ist, dass sich Adipositas-Chirurgie positiv auf Typ-2-Diabetes und diabetesbedingte Folgeerkrankungen auswirken kann.

Ein weiterer Ansatz ist das Intervallfasten, das positive Effekte auf den Stoffwechsel zeigt. Nach ersten Befunden kann es bei manchen Menschen auch schützend gegen Tumorwachstum wirken und die Wirksamkeit von Chemotherapien verbessern.

Auch wird weiterhin untersucht, wie genau sich Übergewicht und Adipositas auf Diabetes auswirken und zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes beitragen. Denn: Es ist zwar bekannt, dass Übergewicht und Adipositas Prädiabetes und Typ-2-Diabetes fördern. Warum aber manche Menschen trotz jahrzehntelangem Übergewicht kein Typ-2-Diabetes entwickeln, lässt sich häufig nicht erklären.

Das relativ junge Feld der Epigenetik bietet ebenfalls neue Ansätze zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Diabetes und Krebs. Im Gegensatz zur Genetik bezeichnet der Begriff Epigenetik die Vererbung von Eigenschaften, die nicht in den Genen sondern auf der „Verpackung“ der Gene fixiert sind. Chemische Veränderungen (Methylierungen) der Erbsubstanz – also des DNA-Stranges oder seiner „Verpackung“, der sogenannten Histone – nehmen indirekt Einfluss auf die genetische Information, indem sie steuern, wann welche Gene abgelesen werden. Umweltfaktoren, Ernährung und Lebensumstände sind mögliche Auslöser dieser epigenetischen Veränderungen.

Neben epigenetischen Veränderungen gibt es noch weitere Faktoren, die steuern, wie oft und welche Gene abgelesen werden, zum Beispiel Transkriptionsfaktoren. Sie sind notwendig, damit Gene überhaupt abgelesen werden können. Auch ihre Funktion wird durch die Ernährung, Umweltfaktoren, Medikamente und Lebensumstände beeinflusst. Gerade im Hinblick auf Medikamente wird hierzu viel geforscht.


Video: Erhöhtes Krebsrisiko bei Typ-2-Diabetes

Hier befindet sich ein Video von YouTube. Mit Ihrer Zustimmung wird eine Verbindung zu YouTube aufgebaut. YouTube setzt gegebenenfalls auch Cookies ein. Für weitere Informationen klicken Sie hier: YouTube-Datenschutzerklärung 

Auf Werbeinhalte, die vor, während oder nach Videos von WEBSITE-URL eingeblendet werden, hat WEBSITE-URL keinen Einfluss. Wir übernehmen keine Gewähr für diese Inhalte. Weitere Informationen finden Sie hier.

Quellen:

Akturk, H. A. et al.: Immune checkpoint inhibitor-induced Type 1 diabetes: a systematic review and meta-analysis. In: Diabetes Medicine, 2019, 36: 1075-1081
Butler, A. E. et al.: Marked Expansion of Exocrine and Endocrine Pancreas with Incretin Therapy in Humans with increased Exocrine Pancreas Dysplasia and the potential for Glucagon-producing Neuroendocrine Tumors. In: Diabetes, 2013, 62: 2595-2604
Carstensen, B. et al.: Cancer incidence in persons with type 1 diabetes: a five-country study of 9,000 cancers in type 1 diabetic individuals. In: Diabetologia, 2016, 59: 980-988
Coughlin, S. S. et al.: Diabetes mellitus as a predictor of cancer mortality in a large cohort of US adults. In: Am J Epidemiol, 2004, 159: 1160-1167
Currie, C. J. et al.: Mortality after incident cancer in people with and without type 2 diabetes: Impact of metformin on survival. In: Diabetes Care, 2012, 35: 299-304
Currie, C. J. et al.: The influence of glucose-lowering therapies on cancer risk in type 2 diabetes. In: Diabetologia, 2009, 52: 1766-1777
Dai, X. et al.: Altered profile of serum microRNAs in pancreatic cancer-associated new-onset diabetes mellitus. In: J Diabetes, 2016, 8: 422-433
Delaunay, F. et al.: Pancreatic beta cells are important targets for the diabetogenic effects of glucocorticoids. In: J Clin Invest, 1997, 100: 2094-2098
Giovannucci, E. et al.: Diabetes and cancer: A consensus report. In: Diabetes Care, 2010, 33: 1674-1685
Gordon-Dseagu, V. L. Z. et al.: Epidemiological evidence of a relationship between type‐1 diabetes mellitus and cancer: A review of the existing literature. In: Int J Cancer, 2013, 132: 501-508
Hemkens, L. G. et al.: Risk of malignancies in patients with diabetes treated with human insulin or insulin analogues: a cohort study. In: Diabetologia, 2009, 52: 1732-1744
Keesari, P. R. et al.: S141 Long-term risk of colorectal cancer in patients with prediabetes: a systematic review and meta-analysis. In: Am J Gastroenterol, 2022, 117: e103
Khan, U. A. et al.: Personal History of Diabetes as Important as Family History of Colorectal Cancer for Risk of Colorectal Cancer: A Nationwide Cohort Study. In: Am J Gastroenterol, 2020, 115: 1103-1109
Kooijman, R.: Regulation of apoptosis by insulin-like growth factor (IGF)-I. In: Cytokine Growth Factor Rev, 2006, 17: 305-323
Krebsinformationsdienst: Krebsvorsorge und Krebsfrüherkennung – eine Übersicht. (Letzter Abruf: 01.06.2023)
Krebsinformationsdienst: Darmkrebs-Früherkennung. (Letzter Abruf: 01.06.2023)
Kuo, T. et al.: Regulation of Glucose Homeostasis by Glucocorticoids. In: Adv Exp Med Biol, 2015, 872: 99-126
Lauby-Secretan, B. et al.: Body Fatness and Cancer - Viewpoint of the IARC Working Group. In: N Engl J Med, 2016, 375: 794-798
Longo, V. D. et al.: Fasting: molecular mechanisms and clinical applications. In: Cell Metab, 2014, 19: 181-192
Moses, A. C. et al.: Recombinant Human Insulin-Like Growth Factor I Increases Insulin Sensitivity and Improves Glycemic Control in Type II Diabetes. In: Diabetes, 1996, 45: 91-100
National Cancer Institute: Obesity and Cancer Risk. (Letzter Abruf: 01.06.2023)
Nolde, E.: Erst Krebs, dann Diabetes? Endokrinoe Nebenwirkungen mit fulminantem Verlauf. In: Diabetes Update, 2020 (Letzter Abruf: 01.06.2023)
Rahman, I. et al.: Type 2 diabetes, obesity, and cancer share some common and critical pathways. In: Front Oncol, 2020, 10: 600824
Roy, A. et al.: Diabetes and pancreatic cancer: exploring the two-way traffic. In: World J Gastroenterol, 2021, 27: 4939-4962
Ryu, T. Y. et al.: Hyperglycemia as a risk factor for cancer progression. In: Diabetes Metab J, 2014, 38: 330-336
Sah, R. P. et al.: New insights into pancreatic cancer-induced paraneoplastic diabetes. In: Nat Rev Gastroenterol Hepatol, 2013, 10: 423-433
Schmidt, F. M. et al.: Inflammatory cytokines in general and central obesity and modulating effects of physical activity. In: PLoS One, 2015, 10: e0121971
Schlesinger, S. et al.: Prediabetes and risk of mortality, diabetes-related complications and comorbidities: umbrella review of meta-analyses of prospective studies. In: Diabetologia, 2022, 65: 275-285
Sciacca, L. et al.: Long-acting insulin analogs and cancer. In: Nutr Metab Cardiovasc Dis, 2018, 28: 436-443
Shikata, K. et al.: Diabetes mellitus and cancer risk: review of the epidemiological evidence. In: Cancer Sci, 2013, 104: 9-14
Sona, M. F. et al.: Type 1 diabetes mellitus and risk of cancer: a meta-analysis of observational studies. In: Jpn J Clin Oncol, 2018, 48: 426-433
Tseng, C.-H.: The relationship between diabetes mellitus and gastric cancer and the potential benefits of metformin: an extensive review of the literature. In. Biomolecules, 2021, 11: 1022
Vigneri, P. et al.: Diabetes and cancer. In: Endocr Relat Cancer, 2009, 16: 1103-1123
Wang, C. et al.: Increased risk of hepatocellular carcinoma in patients with diabetes mellitus: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. In: Int J Cancer, 2012, 130: 1639-1648
Zhang, Z.-J. et al.: The prognostic value of metformin for cancer patients with concurrent diabetes: a systematic review and meta‐analysis. In: Diabetes Obes Metab, 2014, 16: 707-710
Zhao, H. et al.: Sulfonylurea and Cancer Risk Among Patients With Type 2 Diabetes: A Population-Based Cohort Study. In: Front Endocrinol (Lausanne), 2022, 13: 874344
Zhong, W. et al.: Daily insulin dose and cancer risk among patients with type 1 diabetes. In: JAMA Oncology, 2022, 8: 1356-1358
Zhu, B. et al.: The relationship between diabetes mellitus and cancers and its underlying mechanisms. In: Front Endocrinol, 2022, 13: 800995
Stand: 01.06.2023