Sport bei Diabetes Typ 1: So bleibt der Blutzucker unter Kontrolle
Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Ulrike Becker
Es ist eine der größten Herausforderungen im Diabetes-Alltag: Den Blutzucker während und nach dem Sport im optimalen Bereich zu halten. Wenn man aber die blutzuckerbeeinflussenden Faktoren kennt und lernt, die Therapie auf die Sporteinheit anzupassen, können sich auch Sporttreibende mit Typ-1-Diabetes unbeschwert bewegen.
Sport ist für viele Menschen mit Typ-1-Diabetes ein wichtiger Teil des Lebens und hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Die körperliche Aktivität birgt jedoch auch Risiken. So kann es während des Sports oder danach zu Stoffwechselentgleisungen kommen. Das Risiko für eine Unterzuckerung kann noch Stunden nach der Aktivität und in der Nacht erhöht sein.
Diese Sorge schreckt viele Personen mit Typ-1-Diabetes davon ab, regelmäßig Sport zu treiben. Doch wenn man einige Faktoren beachtet und die Blutzuckerverläufe versteht, kann die Therapie Schritt für Schritt angepasst und optimiert werden.
Generell können Personen mit Typ-1-Diabetes alle Sportarten ausüben, wenn sie ihre Blutzuckerwerte überwachen. Kinder mit Typ-1-Diabetes sollten am Schulsport teilnehmen, sofern die Lehrkräfte informiert sind und die Kinder während des Sports im Auge behalten. Auch unter den Hochleistungssportlerinnen und -sportlern sind immer wieder Menschen mit Typ-1-Diabetes zu finden.
Besondere Vorsicht ist allerdings geboten bei Sportarten wie Tauchen, Fallschirmspringen oder Extremklettern. Bei Bewusstseinsstörungen – beispielsweise infolge einer Unterzuckerung – gehen diese mit einem erhöhten Risiko einher. Diese Extremsportarten erfordern ein besonders sorgfältiges Verhalten mit vorausgehender individueller Vorbereitung sowie intensiver Schulung.
Inhaltsverzeichnis
- Wie profitieren Menschen mit Diabetes Typ 1 von Sport?
- Wie reagiert ein gesunder Zuckerstoffwechsel auf Sport?
- Wie beeinflusst Sport den Blutzucker bei Diabetes Typ 1?
- Wie können Sie Stoffwechselentgleisungen beim Sport vermeiden?
- Therapieanpassung: Gibt es Orientierungshilfen?
- Wie kann die Diabetes-Technik beim Sport unterstützen?
1. Wie profitieren Menschen mit Diabetes Typ 1 von Sport?
Bewegung reduziert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und viele weitere diabetesbedingte Folgeerkrankungen. Auch kann Sport dazu beitragen, ein gesundes Körpergewicht zu erreichen und dieses langfristig zu halten.
Bei einer vorliegenden Insulinresistenz bewirkt regelmäßige Bewegung, dass die Körperzellen sensibler auf das Hormon Insulin reagieren. In der Folge kann sich auch der Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c-Wert) verbessern.
2. Wie reagiert ein gesunder Zuckerstoffwechsel auf Sport?
Bei Sport nutzen die Körperzellen den Zucker im Blut, um Energie zu produzieren. Daher sinkt der Blutzuckerspiegel bei Bewegung. Der Körper von Stoffwechselgesunden, also von Personen ohne Diabetes, reagiert auf den Blutzuckerabfall sofort:
- Bei niedrigem Blutzucker gibt die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin in den Blutkreislauf ab. Denn Insulin würde den Blutzucker zusätzlich zu der körperlichen Bewegung senken.
- Auch die Leber kommt ins Spiel, wenn der Zuckergehalt zu niedrig ist. Sie speichert für solche Fälle Zucker in Form von Glykogen, das bei Bedarf ausgeschüttet wird.
Damit der Blutzucker anschließend in einem bestimmten Bereich bleibt und nicht weiter steigt, reguliert der Köper wieder dagegen:
- Die Bauchspeicheldrüse beginnt wieder, Insulin auszuschütten. Dadurch nehmen die Zellen den Zucker aus dem Blut auf, woraufhin der Blutzucker sinkt.
Durch diese Stoffwechselvorgänge ist der Körper in der Lage, den Blutzucker auch während und nach dem Sport im optimalen Bereich zu halten.
Bei Typ-1-Diabetes fehlt die körpereigene Insulinausschüttung. Stattdessen müssen sich betroffene Personen das Insulin selbst spritzen. Dadurch, dass der Insulinbedarf von Situation zu Situation und Uhrzeit zu Uhrzeit sehr individuell ist, kann es für Menschen mit Typ-1-Diabetes herausfordernd sein, den Blutzucker ständig im optimalen Bereich zu halten.
3. Wie beeinflusst Sport den Blutzucker bei Diabetes Typ 1?
Bei Sport müssen Menschen mit Typ-1-Diabetes darauf achten, dass der Blutzuckerspiegel nicht zu sehr abfällt oder ansteigt. Das Wichtigste ist also, eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) oder Überzuckerung (Hyperglykämie) zu vermeiden.
Wenn mögliche Blutzuckerauswirkungen je nach Sportart eingeschätzt werden können und entsprechend gehandelt wird, kann beiden Stoffwechselentgleisungen – Unter- und Überzuckerung – in der Regel gut vorgebeugt werden.
Wie genau sich Sport auf den Blutzucker auswirkt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Maßgeblich ist dabei die Art, Intensivität und Dauer der Bewegung. Doch auch die Tageszeit, zu der die körperliche Aktivität stattfindet und einige weitere Aspekte beeinflussen den Blutzucker.
Gut zu wissen:
Auch der Frühjahrsputz, ein kurzer Spaziergang oder das Toben auf dem Pausenhof beansprucht Energie und kann den Blutzucker senken.
Art und Intensivität der Bewegung
Unterschieden wird zwischen der aeroben und anaeroben Bewegung. Während aerobe Belastungen wiederholte und anhaltende Bewegungen großer Muskelgruppen umfassen (zum Beispiel Wandern, Fahrradfahren, Laufen oder Schwimmen), beruhen kurze, schnelle Trainingseinheiten (zum Beispiel Sprints oder intensives Krafttraining) eher auf der anaeroben Energiegewinnung. In der Regel werden bei Sportarten beide Energiesysteme zu unterschiedlichen Anteilen beansprucht.
Die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel können sich je nach Art und Intensität der Bewegung unterscheiden: Länger andauernde Sportarten (Ausdauersport) – also aerobe Bewegungen – senken den Blutzucker, während kurze, intensive Übungen – also anaerobe Bewegungen – zu einem Anstieg des Blutzuckers führen können.
Wie Blutzuckerentgleisungen während und nach dem Sport vermieden werden können, lesen Sie in diesem Abschnitt.
Gut zu wissen:
Der Umfang und die Intensität der Bewegung entscheidet darüber, wie Energie bereitgestellt wird. Bei kurzen, hoch intensiven Belastungen von bis zu 2 Minuten werden durch die anaerobe Energiebereitstellung in kürzester Zeit große Energiemengen geliefert. Bei mittel-intensiven Belastungen von 1 bis 2 Stunden ist die Zuckerfreisetzung aus Glykogen relevant – die Speicherkapazitäten sind hier allerdings begrenzt. Mit zunehmender Dauer tritt schließlich die Fettverbrennung in den Vordergrund.
Tageszeit und Insulinbedarf
Gegen Mittag und Mitternacht ist der Insulinbedarf aufgrund natürlicher Hormonschwankungen meist niedriger, als am frühen Morgen und am Abend. Daher wird empfohlen, das Insulin beim Sport während Tageszeiten mit hohem Insulinbedarf nicht zu stark zu reduzieren, um das Risiko für Überzuckerungen zu mindern.
Insulinwirkung und Art und Menge der zuvor verzehrten Mahlzeit
Auch muss überlegt werden, wie viel Insulin zum Zeitpunkt des Sports noch im Körper wirkt. Je nach Dosis und Injektionsort kann das Insulin von vorherigen Mahlzeiten noch über mehrere Stunden im Körper wirken. Treibt eine Person mit Typ-1-Diabetes während dieser Wirkdauer Sport, kann der Blutzucker sehr stark abfallen.
Zudem wirken sich die Art und Menge der zuvor aufgenommenen Kohlenhydrate auf den Blutzucker aus: Komplexe Kohlenhydrate (wie sie zum Beispiel in Vollkornbrot, Gemüse und Obst enthalten sind) gehen langsamer ins Blut über. Auch der Verzehr von Kohlenhydraten in Kombination mit Fett kann den Blutzucker noch mehrere Stunden nach der Mahlzeit beeinflussen.
Unterzuckerung nach dem Sport: Der Muskel-Auffülleffekt
Eine Unterzuckerung kann auch noch mehrere Stunden nach dem Sport auftreten. Dies ist auf eine verbesserte Insulinempfindlichkeit und den sogenannten Muskel-Auffülleffekt nach dem Sport zurückzuführen. Der Körper versucht, die leeren Glykogenspeicher im Muskel wieder aufzufüllen. Er nimmt dafür Zucker (Glukose) aus dem Blut auf, was Unterzuckerungen für mindestens 24 Stunden nach dem Training auslösen kann. Besonders nachts besteht die Gefahr für Unterzuckerungen, weshalb Menschen mit Typ-1-Diabetes nach dem Sport ihre Blutzuckerwerte regelmäßig kontrollieren sollten.
Für Personen mit Typ-1-Diabetes, die zu nächtlichen Unterzuckerungen neigen, empfiehlt sich das Training daher eher am Morgen im Vergleich zum Training am Abend.
Wichtig: Auch nach kurzen, intensiven anaeroben Belastungsformen kann es zu einem Abfall des Blutzuckers kommen. Je nach Intensität können bei Sportarten, bei denen ein Wechsel zwischen aerober und anaerober Energiegewinnung stattfindet, sowohl Unter- als auch Überzuckerungen auftreten.
Gut zu wissen:
Lassen Sie sich von einem erfahrenen Diabetes-Team schulen – vor allem wenn die Typ-1-Diabetes-Diagnose noch nicht lange zurückliegt oder Sie neue Sportarten ausprobieren möchten. Recherchieren Sie auch in Internet-Foren, um Erfahrungsberichte von anderen Personen mit Typ-1-Diabetes zu lesen.
Die Internationale Diabetes Föderation (IDF) Europa hat gemeinsam mit dem TSV Bayer 04 Leverkusen e.V. und weiteren europäischen Sportvereinen ein Handbuch zum Thema Typ-1-Diabetes und Sport entwickelt. Der Leitfaden "Diabetes mit Sport begegnen" richtet sich an Kinder mit Typ-1-Diabetes, deren Familien sowie Lehrkräfte und Betreuungspersonen und ist in verschiedenen Sprachen verfügbar.
4. Wie können Sie Stoffwechselentgleisungen beim Sport vermeiden?
- Häufige Blutzuckerkontrollen
Kontrollieren Sie Ihren Blutzucker regelmäßig (vor, während und nach dem Sport), um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können.
Ausgangsblutzucker
Der Blutzuckerwert sollte vor Beginn der körperlichen Aktivität unter 270 mg/dl (15 mmol/l) liegen. Empfehlenswert ist ein Blutzuckerwert von 126 bis 180 mg/dl (7,0 bis 10,0 mmol/l) bei aeroben Sporteinheiten. Bei Blutzuckerwerten größer 270 mg/dl (15 mmol/l) und Ketonnachweis in Blut oder Urin sollten Sie keinen Sport treiben. Es besteht die Gefahr einer diabetischen Ketoazidose.
Liegt der Blutzuckerwert unter 90 mg/dl (5,0 mmol/l) sollten Sie mit dem Sport nicht starten. Es droht eine Unterzuckerung. Essen Sie Kohlenhydrate und warten Sie etwas ab. Geeignet sind Obst (beispielsweise reife Bananen) oder flüssige Kohlenhydrate (zum Beispiel Saft).
Individueller Blutzuckerverlauf je nach Sportart
Beachten Sie, dass der Blutzucker abhängig von der Sportart unterschiedlich reagieren kann. Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen senken den Blutzucker. Dagegen kann der Blutzucker bei intensiver Belastung wie bei Kraft- oder Sprintsportarten vorübergehend ansteigen. Weiter unten erfahren Sie, wie die Therapie an die Trainingseinheit angepasst werden kann. Da es auch später noch zu einer Unterzuckerung kommen kann, sollte nur vorsichtig mit Insulin korrigiert werden. Behalten Sie den Blutzucker nach dem Sport im Blick.
- Kohlenhydrate griffbereit halten
Nehmen Sie zum Sport immer schnellwirksame Kohlenhydrate mit. Flüssige Kohlenhydrate wie Saft eignen sich besonders. So können Sie bei einer Unterzuckerung sofort reagieren. Bei mehrstündigem Training wie einer Wanderung macht es Sinn, auch langsam wirkende Kohlenhydrate bei sich zu haben (beispielsweise Müsliriegel oder Sandwiches), um den Blutzucker zu stabilisieren.
- Stress kann den Blutzucker erhöhen
Stress, wie vor sportlichen Wettkämpfen, und die damit verbundene Adrenalinausschüttung kann die Blutzuckerwerte vorübergehend erhöhen. Bei einer Gegenregulierung mit Insulin ist Vorsicht geboten, um eine spätere Unterzuckerung zu vermeiden. Messen Sie in solchen Situationen engmaschig den Blutzucker.
- Sporttagebuch führen
Wie der Körper auf Sport reagiert, ist sehr individuell und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Um Erfahrungswerte zu gewinnen, ist es sinnvoll, ein Sporttagebuch zu führen. Das Protokollieren von Blutzuckerwerten, Insulindosis und aufgenommenen Kohlenhydraten im Sporttagebuch hilft, ein Schema zu erkennen. So fällt es leichter, die Diabetes-Therapie während dem Sport zu optimieren.
- Langsam wirkende Kohlenhydrate nach Ausdauersport
Unterzuckerungen können auch noch mehrere Stunden nach einer Ausdauerbelastung und intensiven Belastungen auftreten. Um nächtliche Unterzuckerungen zu vermeiden, essen Sie nach dem Ausdauersport gegebenenfalls abends zusätzlich langsam wirkende Kohlenhydrate (Vollkornbrot, Vollkornnudeln oder Hülsenfrüchte).
Hier erfahren Sie, was im Notfall zu tun ist.
- Die Umgebung über den Diabetes informieren
Informieren Sie Freunde, Trainerinnen oder Trainer sowie Lehrkräfte über Ihre Erkrankung und die erforderlichen Maßnahmen bei einer Unterzuckerung.
Gut zu wissen:
Bei Fragen zum Thema Sport und Diabetes bietet die IDAA, die Internationale Vereinigung diabetischer Sportler, viele Informationen und Ansprechpersonen sowie Hinweise auf interessante Veranstaltungen.
5. Therapieanpassung: Gibt es Orientierungshilfen?
Die Therapieanpassung vor dem Sport kann grundsätzlich über 3 Wege erfolgen:
- Die zusätzliche Einnahme von Kohlenhydraten
- Eine Reduktion der Insulindosis
- Die Kombination beider Wege
Allgemeingültige Richtwerte, um wie viel die Insulinzufuhr vor der körperlichen Aktivität abzusenken ist, sind schwer zu geben. Menschen mit Typ-1-Diabetes sollten ihr geplantes Trainingsprogramm daher unbedingt vorher mit einer Diabetes-Fachkraft absprechen. In gezielten Schulungen lernen Sie, die individuelle Reaktion Ihres Stoffwechsels auf körperliche Belastung einzuschätzen.
Wie sollte der Blutzucker vor dem Sport sein?
Als Faustregel gilt: Vor Beginn der körperlichen Belastung unbedingt den Blutzucker messen.
Bei aerobem Training bis zu 1 Stunde (zum Beispiel Spazieren, Wandern, Laufen oder Schwimmen) sind Ausgangswerte von 126 bis 180 mg/dl (7,0 bis 10,0 mmol/l) optimal.
Bei geplantem hoch-intensivem Training mit anaeroben Belastungen (zum Beispiel intensives Krafttraining oder Sprints) sind etwas niedrigere Blutzuckerausgangswerte von 90 bis 124 mg/dl (5,0 bis 6,9 mmol/l) besser, da der Blutzucker eher stabil bleibt und weniger sinkt, als bei aerobem Training.
Die folgende Tabelle gibt Orientierung, wie Sie sich je nach Ausgangsblutzuckerwert bei geplantem Sport verhalten können.
Ausgangsblutzucker |
|
unter 90 mg/dl | |
+10 bis 20 g Kohlenhydrate | |
90 bis 124 mg/dl | +10 g Kohlenhydrate vor aerobem Training |
126 bis 180 mg/dl | Start aerobes Training |
182 bis 270 mg/dl | |
Start aerobes Training | |
über 270 mg/dl | Wenn unerwartet, Blutketone überprüfen:
|
Modifiziert nach Riddell, M. C. et al.: Exercise Management in type 1 diabetes: a consensus statement. In: Lancet Diabetes Endocrinol, 2017, 5: 377-390
Anpassung des Bolus- und Basalinsulins
Die Insulinanpassung selbst kann über eine Reduktion des Insulingrundbedarfs (Basalinsulin beziehungsweise Basalrate) geschehen und/oder über eine Reduktion des Bolusinsulins (Mahlzeiteninsulin). Welcher Weg im Einzelfall der richtige ist, wird auch hier von vielen individuellen Faktoren beeinflusst. Im Folgenden finden Sie einige Hinweise, die zur Anpassung der Insulindosis hilfreich sein können:
- Bolusinsulin (Mahlzeiteninsulin): Wenn Sie eine Sporteinheit innerhalb von 2 bis 3 Stunden nach einer Mahlzeit mit Bolusinsulin-Abgabe planen, sollten Sie das Bolusinsulin je nach der Intensität der Sporteinheit reduzieren. Eine Orientierung liefert die nachfolgende Tabelle.
- Basalinsulin (Insulingrundbedarf): Vor mehrstündigem oder ganztägigem Sport sollten Sie sich bis zu 25 Prozent weniger Basalinsulin verabreichen (zusätzlich zu der Reduktion des Mahlzeiteninsulins). Dies ist jedoch individuell sehr unterschiedlich und muss ausgetestet werden in Abhängigkeit der Belastungsintensität und Dauer.
- Basalrate (Insulingrundbedarf bei Pumpentherapie): Wenn möglich sollte die Basalrate bereits 60 bis 90 Minuten vor der Trainingseinheit um 50 bis 80 Prozent reduziert werden. Wird diese hingegen erst kurz vor Beginn des Sports reduziert, kann der Blutzucker noch abfallen. Die Reduzierung der Basalrate ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig und muss daher individuell festgelegt werden. In der Regel wird jedoch empfohlen, bei Verwendung eines kurzwirksamen Insulinanalogon die Basalrate für maximal 2 Stunden zu pausieren.
Wurde die Insulindosis zu stark reduziert, kann eine Überzuckerung entstehen – insbesondere dann, wenn das Training intensiv war.
Reduktion des Bolusinsulins (Mahlzeiteninsulin)
In Abhängigkeit von Dauer und Intensität des Trainings (wenn das Training 2 bis 3 Stunden nach der letzten Mahlzeit stattfindet)
| Trainingsdauer 30 Minuten | Trainingsdauer 60 Minuten |
Leichtes aerobes Training (z. B. Spazieren, Wandern, gemütliches Fahrradfahren) | ||
Reduktion um 25 Prozent | Reduktion um 50 Prozent | |
Moderates aerobes Training (z. B. Laufen, zügigeres Fahrradfahren, Schwimmen) | Reduktion um 50 Prozent | Reduktion um 75 Prozent |
Schweres aerobes Training (z. B. Fußball, Volleyball, Krafttraining) | Reduktion um 75 Prozent | Trainingseinheiten dieser Intensität werden in der Regel nicht über 60 Minuten am Stück aufrecht erhalten |
Intensives aerobes oder anaerobes Training (z. B. Sprints, intensives Krafttraining oder Intervalltraining) | ||
Keine Reduktion | Trainingseinheiten dieser Intensität werden in der Regel nicht über 60 Minuten am Stück aufrecht erhalten |
Modifiziert nach Rhabasa-Lhoret, R. et al.: Guidelines for Premeal Insulin Dose Reduction for Postprandial Exercise of Different Intensities and Durations in Type 1 Diabetic Subjects Treated Intensively With a Basal-Bolus Insulin Regimen (Ultralente-Lispro). In: Diabetes Care, 2001, 24: 625-630
Gut zu wissen:
Die Therapieanpassungen bei Trainingseinheiten können nur funktionieren bei passend eingestellter Diabetestherapie, regelmäßigen Blutzuckerkontrollen und Trainings unter Alltagsbedingungen.
Empfehlungen für die Kohlenhydrataufnahme
Neben der Anpassung der Insulindosis ist die Aufnahme von Kohlenhydraten meist unabdingbar, um Unterzuckerungen zu vermeiden.
- Wirkt bei bis zu 60-minütigen Sporteinheiten noch Bolusinsulin, sollten alle 30 Minuten bis zu 30 Gramm Kohlenhydrate gegessen werden.
- Bei Trainings zwischen 60 und 150 Minuten sollten je Stunde 30 bis 60 Gramm Kohlenhydrate eingenommen werden. Bei noch wirkendem Bolusinsulin bis zu 90 Gramm Kohlenhydrate.
- Bei Trainings über 150 Minuten werden 30 bis 90 Gramm zusätzliche Kohlenhydrate je Stunde empfohlen.
Unterzuckerungen nach dem Sport vermeiden
Nach einer Sporteinheit versucht der Körper, die leeren Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufzufüllen. Für Personen mit Typ-1-Diabetes bedeutet das ein erhöhtes Unterzuckerungsrisiko. Dies sollte insbesondere bei intensiven Trainingseinheiten am späten Nachmittag oder Abend beachtet werden, da dann Unterzuckerungen in der Nacht auftreten können. Entgegengewirkt werden kann mit der Reduktion des Bolusinsulins um 50 Prozent für die Mahlzeit nach dem Training. Zusätzlich kann vor dem Schlafengehen ein Snack mit niedrigem glykämischen Index (GI) eingenommen werden. Auch die Reduktion der Basalrate um 20 Prozent kann das nächtliche Unterzuckerungsrisiko mindern. Gegebenenfalls wird nachts auch die Kontrolle des Blutzuckers notwendig.
Gut zu wissen:
Der Konsum von Alkohol nach dem Sport erhöht das Risiko für eine nächtliche Unterzuckerung zusätzlich.
6. Wie kann die Diabetes-Technik beim Sport unterstützen?
Insulinpumpen, Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-Systeme) und hybride Closed-Loop-Systeme erleichtern Menschen mit Typ-1-Diabetes die Therapieanpassung beim Sport.
Bei einer Insulinpumpe kann die Basalrate für eine gewisse Zeit reduziert werden.
Wer ein CGM-System trägt, hat den Zuckerwert beim Sport immer im Blick. Während des Trainings kann sich allerdings eine größere Zeitverzögerung zwischen dem tatsächlichen Blutzuckerwert und dem gemessenen Gewebezucker ergeben. Daher empfiehlt es sich, falls das System eine Alarmfunktion aufweist, die untere Alarmgrenze so hoch wie möglich einzustellen – zum Beispiel auf 100 mg/dl (5,6 mmol/l). So wird die Person rechtzeitig auf einen niedrigen Blutzucker aufmerksam gemacht, auch wenn der Gewebezuckerwert (noch) höher ist, als der Blutzuckerwert.
Es gibt inzwischen auch Systeme, die die aktuellen Zuckerwerte via Smartphone an andere Nutzerinnen oder Nutzer übertragen. So können beispielsweise Eltern die Werte ihrer Kinder beim Sport im Blick haben.
Zudem gibt es hybride Closed-Loop-Systeme, die die Insulintherapie bei Sport automatisch anpassen. Wenn möglich sollte hierzu idealerweise eine Stunde vor geplanter Sporteinheit die Dauer und Intensität in das Gerät eingegeben werden. Der Algorithmus reduziert daraufhin automatisch die Basalrate und bei Mahlzeiten auch das Bolusinsulin. Hybride Closed-Loop-Systeme können das Diabetes-Management bei körperlicher Aktivität daher durchaus erleichtern.
Quellen:
Becker, U. et al.: Sport mit Typ 1 Diabetes. In: Diabetologe, 2021, 17: 121-130
Bohn, B. et al.: Impact of Physical Activity on Glycemic Control and Prevalence of Cardiovascular Risk Factors in Adults With Type 1 Diabetes: A Cross-sectional Multicenter Study of 18,028 Patients. In: Diabetes Care, 2015, 38: 1536-1543
Eckstein, M. L. et al.: Time in Range for Closed-Loop Systems versus Standard of Care during Physical Exercise in People with Type 1 Diabetes: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: J Clin Med, 2021, 10: 2445
Esefeld, K. et al.: Diabetes, Sport und Bewegung. In: Diabetologe, 2020, 16: 292-299
Internationale Vereinigung diabetischer Sportler: Anpassung der Diabetes-Therapie an körperliche Belastung und Sport. (Letzter Abruf: 09.11.2022)
Moser, O. et al.: Glucose management for exercise using continuous glucose monitoring (CGM) and intermittently scanned CGM (isCGM) systems in type 1 diabetes – Position Statement of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) and of the International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISAD) endorsed by JDRF and supported by the American Diabetes Association (ADA). In: Diabetologia, 2020, 63: 2501-2520
Rhabasa-Lhoret, R. et al.: Guidelines for Premeal Insulin Dose Reduction for Postprandial Exercise of Different Intensities and Durations in Type 1 Diabetic Subjects Treated Intensively With a Basal-Bolus Insulin Regimen (Ultralente-Lispro). In: Diabetes Care, 2001, 24: 625-630
Riddell, M. C. et al.: Exercise Management in type 1 diabetes: a consensus statement. In: Lancet Diabetes Endocrinol, 2017, 5: 377-390
Tikkanen-Dolenc, H. et al.: Frequent and intensive physical activity reduces risk of cardiovascular events in type 1 diabetes. In: Diabetologia, 2017, 60: 574-580
Stand: 09.11.2022