Hauptinhalt anzeigen

Was macht die Forschung bei Schwangerschaftsdiabetes?

Wissenschaftliche Unterstützung: PD Dr. Sandra Hummel

Um die Erkrankung Schwangerschaftsdiabetes noch besser zu verstehen, laufen weltweit zahlreiche Studien.

Diese untersuchen zum Beispiel, inwieweit die Diagnose durch verschiedene Tests, Mess-Zeitpunkte oder Biomarker verbessert werden kann. Auch untersuchen sie, welche Lebensstilanpassungen oder technischen Hilfsmittel eine Verbesserung der Blutzuckerwerte erzielen und gesundheitliche Langzeitfolgen für Mutter und Kind verhindern können.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt stellt die Rolle der Gene für die Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes dar.

Sie haben Interesse, an einer geeigneten Studie teilzunehmen? Im Rahmen unserer Studienplattform finden Sie mehr Informationen zur Teilnahme an klinischen Studien.

Forschung zur Diagnose von Schwangerschaftsdiabetes

Biomarker bei Schwangerschaftsdiabetes

Mittlerweile ist bekannt, dass entzündungsfördernde Moleküle wie Zytokine und Adipokine (zum Beispiel Interleukin 6 (IL-6), Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha), Adiponektin oder Resistin) die Entstehung einer Insulinresistenz und damit eines Schwangerschaftsdiabetes begünstigen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass es deutliche Unterschiede in der Menge an Adipozytokinen in der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes gab verglichen mit Frauen ohne Schwangerschaftsdiabetes. Die Bestimmung der Adipozytokine in der 12. SSW könnte daher eine Möglichkeit darstellen, einen Schwangerschaftsdiabetes künftig frühzeitiger zu diagnostizieren.

 

Vorhersage Schwangerschaftsdiabetes

Andere Forschungsgruppen beschäftigen sich mit Vorhersagemodellen, die die Wahrscheinlichkeit für einen Schwangerschaftsdiabetes, einen späteren Typ-2-Diabetes oder für Komplikationen während der Schwangerschaft berechnen. Mithilfe von maschinellem Lernen und dem Verarbeiten riesiger Datenmengen werden bereits andere Erkrankungen erfolgreich vorhergesagt. Für die Vorhersage der Zuckerstoffwechselstörung während einer Schwangerschaft ist dies noch nicht häufig angewendet worden. Verschiedene Forschungsgruppen arbeiten jedoch daran.

 

Mikrobiom bei Schwangerschaftsdiabetes

Seit 20 Jahren beschäftigt sich die Forschungswelt vermehrt mit dem Mikrobiom – den Mikroorganismen, die unter anderem unsere Darmflora besiedeln. Beim Mikrobiom des Darms gehen Forschende mittlerweile davon aus, dass es im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen steht. Das Mikrobiom im Darm beeinflusst unter anderem auch das Immunsystem und den Stoffwechsel von Kohlenhydraten (Zucker) und Fett. Studien konnten nun zeigen, dass das Mikrobiom bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes verändert ist. Ob aber das veränderte Mikrobiom Auslöser des Schwangerschaftsdiabetes oder eher eine Folge davon ist, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Derzeit laufen zudem eine Vielzahl an Studien in Bezug auf die Zusammensetzung des Mikrobioms und den Einsatz von Probiotika bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes. Allerdings ist die Datenlage noch nicht aussagekräftig genug, um Empfehlungen beispielsweise zur Gabe oder zum Verzicht von Probiotika aussprechen zu können.

 

Lebensstilanpassung

Eine gesunde Lebensweise kann die Risiken der Mutter für einen späteren Typ-2-Diabetes deutlich verringern. Oft haben Mütter nach der Entbindung jedoch wenig Zeit für sich selbst und eine Lebensstilanpassung ist häufig schwer umzusetzen. Forschende untersuchen deshalb, ob sich App-basierte Angebote eignen, um eine gesunde Lebensweise in den Alltag der Mutter nach der Geburt einzubauen.

 

Derzeit laufende Studien – Studienteilnahme möglich

In der Deutschen Gestationsdiabetesstudie (PREG-Studie) werden schwangere Frauen mit und ohne Schwangerschaftsdiabetes über 10 Jahre nachuntersucht. Ziel der Studie ist es, Frauen mit einem erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes frühzeitig zu erkennen und ihnen vorbeugende Maßnahmen anbieten zu können. Die Teilnahme ist an 5 Standorten in Deutschland möglich und wird im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt.

Erfahren Sie hier mehr über die kostenlose Studienteilnahme an der Deutschen Gestationsdiabetesstudie (PREG).

 

In einer groß angelegten Studie der Universität Tübingen wird derzeit untersucht, inwieweit sich die erhöhten Blutzuckerwerte der Mutter auf die Hirnaktivität des Kindes auswirken. Denn bisherige Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass bestimmte Einflüsse und Erfahrungen bereits im Mutterleib die kindliche Entwicklung bis ins Erwachsenenalter beeinflussen können. Um die Gehirnaktivität und die Reaktion des kindlichen Gehirns im Mutterleib zu erforschen, nutzen die Forschenden die fetale Magnetresonanztomographie (fMEG). Diese wird über die mütterliche Bauchoberfläche durchgeführt und ist für das Ungeborene unbedenklich.

Erfahren Sie hier mehr über die Studie und die Möglichkeit einer Teilnahme.

 

Der Einfluss von Ernährungsberatung und Blutzuckerkontrollen zur Vermeidung eines Schwangerschaftsdiabetes wird in einer weiteren Studie (NupreGDM Studie) der Universität Tübingen untersucht. Es soll festgestellt werden, inwieweit eine gesunde Ernährung das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes verringern kann und wie sich dies auf die Entwicklung des Kindes auswirkt.

Lesen Sie hier mehr über die Studienbedingungen und Teilnahmemöglichkeiten an der NupreGDM-Studie.

 

Anhand einer Online-Befragung möchten Forschende der Universität Tübingen zudem erfahren, welche Art der Lebensstilanpassung von Frauen nach einem Schwangerschaftsdiabetes bevorzugt wird. Ziel ist es herauszufinden, welche vorbeugenden Maßnahmen gewünscht und umsetzbar sind. Anhand der Erkenntnisse können zukünftige Programme zur Vorbeugung entwickelt werden, die das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes in einer weiteren Schwangerschaft verringern könnten.

Hier geht es zum Online-Fragebogen.


Welche Rolle spielen erbliche Faktoren bei Schwangerschaftsdiabetes?

Bei manchen Frauen ist die Wahrscheinlichkeit an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken höher, weil sie Gene von ihren Eltern geerbt haben, die sie dafür anfälliger machen (genetische Disposition).

Am Universitätsklinikum Dresden wird erforscht, welche Rolle die Vererbung (Genetik) bei der Entstehung des Schwangerschaftsdiabetes spielt. Dabei werden genetische Faktoren untersucht, die das Erkrankungsrisiko erhöhen: Beispielsweise Faktoren, die die Insulinempfindlichkeit herabsetzen und ein Versagen der Betazellen, also der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, bewirken.

Die Insulinempfindlichkeit gibt an, wie stark Körperzellen auf das Hormon Insulin ansprechen. Die Insulinwirkung ist bei Schwangerschaftsdiabetes, wie auch bei Typ-2-Diabetes, stark beeinträchtigt. Dadurch wird nicht mehr ausreichend Insulin produziert, um den Blutzucker zu senken. Kommt es zum Versagen der Betazellen, wird kein Insulin mehr von der Bauchspeicheldrüse produziert.

Beim Versagen der Betazellen können auch erblich bedingte Störungen des sogenannten Glukosesensors eine Rolle spielen. Der Glukosesensor befindet sich in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Er reguliert die Freisetzung von Insulin aus diesen Zellen abhängig von der Blutzuckerkonzentration.

Erforscht wird außerdem, wie es zu genetischbedingten Störungen der Betazellentwicklung kommt. Dadurch ist die Zahl an Betazellen vermindert und es wird zu wenig Insulin hergestellt. Welche Veränderungen der Erbanlagen und Mechanismen die Insulinausschüttung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse beeinflussen, wird ebenfalls untersucht.

Mittlerweile sind die Technologien so ausgereift, dass alle aktiven Gene im Körper einer Schwangeren untersucht werden können. Wird ein Gen aktiviert, entsteht von ihm eine Kopie, die sogenannte mRNA. Die Gesamtheit aller mRNAs wird Transkriptom genannt. Anhand dieses können Aussagen, zum Beispiel über eine entstehende Insulinresistenz und mögliche gesundheitliche Auswirkungen auf den gesamten Organismus, getroffen werden.

Indem "genetische" oder "transkriptionelle“ Risikogruppen identifiziert werden, könnten Risikopersonen künftig vor Beginn eines Schwangerschaftsdiabetes erkannt werden. Dies ist für die Vorbeugung von Schwangerschaftsdiabetes, auch im Hinblick auf eine spätere Typ-2-Diabetes-Erkrankung, wichtig. Allerdings sind weitere Studien notwendig, um die Genetik für eine verlässliche Vorhersage zu verwenden.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Epigenetik. Untersucht wird derzeit in einem europäischen Forschungskonsortium, ob erhöhte Blutzuckerwerte während der Schwangerschaft zu epigenetischen Veränderungen der kindlichen DNA führen. Durch epigenetische Veränderungen kann die Aktivität von Genen beeinflusst werden. Es soll geklärt werden, ob und wie epigenetische Veränderungen dazu beitragen können, dass Kinder von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes und damit einhergehende Erkrankungen aufweisen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, neue Interventionsstrategien zur generationenübergreifenden Vorbeugung von Übergewicht und Diabetes zu entwickeln.



Quellen:

Bogdanet, D. et al.: Emerging Protein Biomarkers for the Diagnosis or Prediction of Gestational Diabetes - A Scoping Review. In: J Clin Med, 2021, 10: 1533
Clinical Trials: Gestational Diabetes (PREG). (Letzter Abruf 14.12.2022)
Joint Programming Initiative a Healthy Diet for a Healthy Life: A precision nutri-epigenetic approach to tackle the mother-to-child transmission of impaired glucose metabolism.(Letzter Abruf: 14.12.2022)
Potzel, A. L. et al.: A novel smartphone app to change risk behaviors of women after gestational diabetes: A randomized controlled trial. In: PLoS One, 2022, 17: e0267258
Ramachandrayya, S. A. et al.: Maternal circulating levels of Adipocytokines and insulin resistance as predictors of gestational diabetes mellitus: preliminary findings of a longitudinal descriptive study. In: J Diabetes Metab Disord, 2020, 19: 1447-1452
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus: Genetik des Gestationsdiabetes. (Letzter Abruf: 14.12.2022)
Universitätsklinikum Tübingen: Deutsche Studie Schwangerschaftsdiabetes – PREG. (Letzter Abruf: 14.12.2022)
Universitätsklinikum Tübingen: fMEG. (Letzter Abruf: 14.12.2022)
Universitätsklinikum Tübingen: Frauen nach Schwangerschaftsdiabetes. (Letzter Abruf: 14.12.2022)
Universitätsklinikum Tübingen: NupreGDM Studie. (Letzter Abruf: 14.12.2022)
Stand: 14.12.2022