Krankheitsbild Diabetes mellitus
Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Andreas Fritsche, Andreas Vosseler M.A.
Diabetes mellitus – umgangssprachlich auch Zuckerkrankheit genannt – ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Ein Hauptmerkmal ist ein dauerhaft erhöhter Blutglukosespiegel aufgrund einer gestörten Glukoseaufnahme aus dem Blut in die Körperzellen. Man spricht auch von einer chronischen Hyperglykämie (Überzuckerung).
Unbehandelt führt ein dauerhaft erhöhter Blutglukosespiegel zu Folgeerkrankungen an Blutgefäßen, Nerven und Organen. Auch akute Notfallsituationen können auftreten, weshalb eine frühe Diagnosestellung und Behandlung von großer Bedeutung sind. Je nach Diabetesform und individueller Situation kann bereits die Umstellung zu einem gesünderen Lebensstil die Glukosewerte senken oder aber die Einnahme von Medikamenten beziehungsweise das Injizieren von Insulin notwendig werden.
Diabetesformen
Über die Nahrung nehmen wir neben anderen Nährstoffen Kohlenhydrate auf, die nach Aufspaltung im Magen-Darm-Trakt als Glukose in das Blut gelangen. Als Folge steigt der Blutglukosespiegel. Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) schüttet eine bedarfsgerechte Menge des Hormons Insulin aus, wodurch die Glukose aus dem Blut in die Körperzellen gelangt.
Bei Menschen mit Diabetes ist die Wirkung von Insulin vermindert oder die Bauchspeicheldrüse produziert zu wenig beziehungsweise kein Insulin mehr, sodass die Blutglukose ansteigt. Auf Basis dieser Störung wird grundsätzlich zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschieden. Es gibt aber auch seltener auftretende Diabetesformen, die auf anderen Ursachen, beispielweise genetischen Defekten, Infektionen, Stoffwechselstörungen oder chronischen Bauchspeicheldrüsen-Erkrankungen beruhen.
Gestationsdiabetes stellt eine weitere Glukosestoffwechselstörung dar, die erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird, meistens aber direkt nach der Schwangerschaft nicht mehr nachweisbar ist. Das Risiko, nach der Schwangerschaft irgendwann einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, ist erhöht.
Typ-1-Diabetes | Typ-2-Diabetes | |
Allgemeines |
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Auslöser | Autoimmunerkrankung (mögliche Ursachen: genetische Veranlagung, Umweltfaktoren) | In der Regel lebensstilabhängig auf der Basis von erblichen Faktoren |
Diabetes-Diagnose |
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Krankheitsmechanismen |
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Therapie |
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Diabetes Typ 1
Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die bislang nicht heilbar ist und das lebenslange Injizieren von Insulin erfordert. Die Erkrankung entwickelt sich durch eine Fehlreaktion des Immunsystems, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse durch körpereigene Antikörper zerstört werden. In der Folge kann der Körper das lebenswichtige Hormon Insulin nicht mehr produzieren. Personen mit dieser Diabetesform müssen ihre Blutglukosewerte mehrmals täglich messen und sich Insulin injizieren.
Warum Typ-1-Diabetes ausbricht, ist bislang noch nicht eindeutig erforscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass verschiedene Umweltfaktoren einen Einfluss haben könnten, die zu einem Ausbruch führen. Im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes steht Typ-1-Diabetes nicht im Zusammenhang mit einer ungesunden Lebensführung.
Viele weitere Informationen zu Typ-1-Diabetes finden Sie auch in dem Unterportal „Leben mit Diabetes“.
Diabetes Typ 2
Bei Typ-2-Diabetes sprechen die Körperzellen immer schlechter auf das Insulin an. Durch diese sogenannte Insulinresistenz erhöht die Bauchspeicheldrüse zunächst die Insulinproduktion, um das Defizit auszugleichen. Aus diesem Grund ist der Blutglukosewert im nüchternen Zustand bei Personen, die einen Typ-2-Diabetes entwickeln, oft noch im Normbereich. Nach einer gewissen Zeit erschöpft die Bauchspeicheldrüse und kann die Insulinresistenz nicht mehr ausgleichen, weshalb die Blutglukosewerte ansteigen.
Zentrale Risikofaktoren von Typ-2-Diabetes sind Bewegungsmangel, eine energiedichte und ballaststoffarme Ernährung, Adipositas, Rauchen, Gestationsdiabetes, übermäßiger Alkoholkonsum sowie chronischer Stress. Auch genetische Faktoren spielen bei der Entstehung eine Rolle, weshalb Personen mit familiärer Vorbelastung vor allem bei einem gesundheitsschädigenden Verhalten ein erhöhtes Risiko haben, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Von Prädiabetes spricht man, wenn bereits erhöhte Blutglukosewerte im nüchternen Zustand oder nach dem Essen vorliegen beziehungsweise der Blutglukose-Langzeitwert (HbA1c) erhöht ist.
Menschen mit Prädiabetes, aber auch Personen mit bereits manifestiertem Typ-2-Diabetes, können die erhöhten Blutglukosewerte durch Gewichtsreduktion, mehr Bewegung und eine kalorienreduzierte, gesunde, ausgewogene Ernährung bis in den Normbereich senken. Durch die Umstellung des Lebensstils ist es manchen Betroffenen möglich, eine Behandlung mit Medikamenten oder Insulin zu verzögern oder gar zu vermeiden. Im fortgeschrittenen Stadium von Typ-2-Diabetes ist meist die Einnahme von blutglukosesenkenden Medikamenten in Tablettenform oder zum Spritzen (GLP1-Medikamente/Insulin) notwendig.
Viele weitere Informationen zu Typ-2-Diabetes finden Sie auch in dem Unterportal „Leben mit Diabetes“.
In unserem Downloadbereich stehen Ihnen zudem eine Vielzahl an leicht verständlichen Infografiken, Checklisten und Fact Sheets zur Ausgabe an Ihre Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Zum Beispiel zu den Themen:
Zusätzlich finden Sie dort verschiedene Arbeitsmaterialien (Checklisten, Informationsbögen und SOPs) der Kommission Apotheker in der Diabetologie (BAK/DDG) für Ihren täglichen Berufsalltag.
Notfallsituationen und Diabetes-Diagnose
Wenn es Personen mit Diabetes mellitus nicht mehr gelingt, den Blutglukosespiegel im Normalbereich zu halten, kann es zu akuten Komplikationen wie einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) oder einer Hyperglykämie (Überzuckerung) kommen.
Auch bei der Manifestation einer Diabetes-Erkrankung ist es wichtig, erstmals auftretende Symptome, die auf eine Hyperglykämie hinweisen, richtig zu deuten. Obwohl Typ-1- und Typ-2-Diabetes grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten können, bilden sich folgende Muster ab:
Die ersten Anzeichen von Typ-1-Diabetes zeigen sich meist bereits im Kindes- oder Jugendalter und treten innerhalb weniger Tage oder Wochen auf. Da bei der Manifestation eine lebensbedrohliche diabetische Ketoazidose droht, müssen die Symptome des erhöhten Blutglukosespiegels frühzeitig erkannt und schnellstens behandelt werden.
Typ-2-Diabetes entwickelt sich hingegen meist schleichend über mehrere Jahre hinweg und ist oft sogar symptomlos. Diagnostiziert wird die Stoffwechselstörung vorwiegend bei Erwachsenen und älteren Personen.
Hypoglykämie (Unterzuckerung) | Hyperglykämie (Überzuckerung) | |
| Blutglukose unter 70 mg/dl (3,0 mmol/l), klinisch relevante Hypoglykämie unter 54 mg/dl Wird eine Hypoglykämie nicht rechtzeitig behandelt, kann sie zu Koma, Krämpfen und sogar zum Tod führen. | Blutglukose über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) Wird eine ausgeprägte Hyperglykämie nicht rechtzeitig behandelt, kann sie zum diabetischen Koma und sogar zum Tod führen. |
Mögliche Symptome | Zittern, Schweißausbrüche, Heißhunger, Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Gesichtsblässe, Übelkeit, Angst, erhöhter Puls (Herzklopfen), Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, Wesensveränderungen, Verwirrtheit, Schwindel, Orientierungslosigkeit, Bewusstseinsstörungen, Krämpfe, Sprach- (Wortfindungs-) und -Sehstörungen | Starkes Durstgefühl, Mundtrockenheit, verstärkter Harndrang, Müdigkeit, Muskelschwäche, Krämpfe, Benommenheit, Verwirrung, Sehstörungen, trockene und juckende Haut, Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, vertiefte Atmung, Aceton-Geruch in der Atemluft (Geruch nach Nagellackentferner oder überreifem Obst), Bewusstseinsstörungen Bei noch nicht diagnostiziertem Diabetes auch: Schlechte Wundheilung, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust |
Mögliche Ursachen |
Weiterführende Informationen finden Sie im Portal "Leben mit Diabetes". | Diabetische Ketoazidose
Hyperglykämisches hyperosmolares Syndrom bei Typ-2-Diabetes
Weiterführende Informationen finden Sie im Portal "Leben mit Diabetes". |
Was tun? | Person ist bewusstlos
Person ist bei Bewusstsein
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Akute Stoffwechselentgleisungen
Bei stark erhöhten Blutglukosewerten droht die Gefahr eines hyperglykämischen hyperosmolaren Syndroms oder einer diabetischen Ketoazidose mit lebensbedrohlichen Folgen.
Diabetische Ketoazidose
Eine diabetische Ketoazidose kann mit Blutglukosewerten von über 250mg/dl (13,9 mmol/l) einhergehen und ist ein akuter Notfall, der schnell behandelt werden muss. Als Folge eines absoluten oder relativen Insulinmangels kann dabei das Blut übersäuern. Die Wahrscheinlichkeit, eine solche lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung zu entwickeln, ist besonders bei der Manifestation von Typ-1-Diabetes erhöht, kann aber in selteneren Fällen auch bei Typ-2-Diabetes vorkommen.
Eine Ketoazidose kann auch bei Personen mit bereits bekanntem Diabetes auftreten. In der Regel können sich geschulte Patientinnen und Patienten zu Beginn der Entgleisung selbst helfen und schnell wirkendes Insulin spritzen.
Dennoch droht ohne rechtzeitige Behandlung ein lebensbedrohliches diabetisches Koma, weshalb bei Bewusstlosigkeit der Notarzt gerufen werden muss, beziehungsweise bei starkem Unwohlsein oder Unsicherheit ärztliche Hilfe kontaktiert werden sollte.
Eine diabetische Ketoazidose kann zu folgenden Symptomen führen:
- Übelkeit
- Erbrechen
- Bauchschmerzen
- Häufiges Wasserlassen (Polyurie)
- Starker Durst (Polydipsie)
- Vertiefte Atmung
- Süßlicher, nach verdorbenem Obst (Aceton) riechender Atem oder Urin
- Sehstörungen
- Mundtrockenheit
- Müdigkeit
- Benommenheit
- Verwirrung
- Bewusstseinsverlust bis hin zum Koma
Hyperglykämisches hyperosmolares Syndrom
In seltenen Fällen kann es bei Personen mit Typ-2-Diabetes, seltener auch bei Personen mit Typ-1-Diabetes, zu einem hyperglykämischen hyperosmolaren Syndrom kommen. Die Stoffwechselentgleisung geht meistens mit Blutglukosewerten von über 600 mg/dl (33,3 mmol/l) einher und kann zum Koma führen, weshalb der Notarzt kontaktiert werden sollte.
Vor allem ältere Personen mit Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für diese Stoffwechselentgleisung. Ausgelöst werden kann das hyperglykämische hyperosmolare Syndrom durch Infektionen, Durchfall und Erbrechen sowie bestimmte Medikamente wie Diuretika und Glukokortikoide. Auch akute kardiovaskuläre Ereignisse wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall, können Auslöser sein.
Ein hyperglykämisches hyperosmolares Syndrom kann zu folgenden Anzeichen führen:
- Starker Durst (Polydipsie)
- Häufiges Wasserlassen (Polyurie)
- Müdigkeit
- Herzrasen
- Niedriger Blutdruck (Hypotonie)
- Schwindel
- Schwächeanfälle
- Krämpfe
Das metabolische Syndrom geht häufig mit Diabetes Typ 2 einher
Bei dem sogenannten Metabolischen Syndrom treten mehrere Krankheitsbilder gleichzeitig auf, die aus einer genetischen Veranlagung, einem gesundheitsschädigenden Lebensstil und psychosozialen Faktoren resultieren. Dazu zählen Hypertonie, veränderte Blutlipide, Übergewicht, eine Fettlebererkrankung und erhöhte Blutglukosewerte. Je mehr dieser stoffwechselrelevanten Parameter vorliegen, desto höher ist das Risiko für Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie viele weitere Erkrankungen, die mit dem metabolischen Syndrom zusammenhängen.
Zwar gibt es bislang keine klar abgrenzbaren Kriterien für die Diagnose des Metabolischen Syndroms – nach der amerikanischen Gesellschaft für kardiovaskuläre Erkrankungen (American Heart Association) müssen für die Diagnose jedoch mindestens 3 der 5 nachfolgenden Parameter vorliegen:
- Taillenumfang größer als 102 Zentimeter bei Männern oder größer als 88 Zentimeter bei Frauen
- Überhöhte Triglyzeridwerte (größer als 150 mg/dl (1,7 mmol/l)) oder Einnahme von Lipidsenkern
- Zu niedrige HDL-Cholesterinwerte (unter 40 mg/dl (1,05 mmol/l) bei Männern oder unter 50 mg/dl (1,25 mmol/l) bei Frauen)
- Hypertonie (systolisch: 130 mmHg oder größer und diastolisch: 85 mmHg oder größer) oder Einnahme von blutdrucksenkenden Mitteln
- Erhöhte Nüchternblutglukose (über 100 mg/dl (5,6 mmol/l)) oder Vorliegen eines Typ-2-Diabetes
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich dieser Definition im Wesentlichen angeschlossen. Die internationale Diabetes-Föderation (IDF) gibt abweichende Werte für den Taillenumfang an: Männer größer 94 Zentimeter, Frauen größer 80 Zentimeter. Zudem müssen laut IDF zur Diagnose ein erhöhter Taillenumfang und mindestens 2 weitere Kriterien erfüllt sein. Generell ist allerdings zu berücksichtigen, dass das metabolische Syndrom keine klinische Diagnose ist.
Weitere Informationen zum Metabolischen Syndrom finden Sie im Portal Vorbeugen.
Am nachhaltigsten gelingt die Prävention und Behandlung des metabolischen Syndroms und von Typ-2-Diabetes durch eine Umstellung hin zu einem gesünderen Lebensstil. Dabei spielt vor allem regelmäßige körperlichen Aktivität in Kombination mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung eine Rolle.
Viele weitere Information zur Prävention von Diabetes finden Sie in diesem Beitrag.
Quellen:
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes. Teilpublikation der Langfassung. 2. Auflage. Version 1. 2021
Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. Langfassung. 1. Auflage. Version 4. 2014 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Deutsche Adipositas-Gesellschaft: Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. Version 2.0. 2013 (Gültigkeit abgelaufen, in Überarbeitung)
Deutsche Diabetes Gesellschaft et al.: S3-Leilinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM) - Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Langfassung. 2. Auflage. 2018
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. 2. Auflage. 2018
Haak, T. et. al.: Therapie des Typ-1-Diabetes. In: Diabetologie, 2020, 15: S40-S50
International Diabetes Federation: IDF consensus worldwide definition of the metabolic syndrome. 2006 (Letzter Abruf: 02.11.2021)
Landgraf, R. et al.: Therapie des Typ-2-Diabetes. In: Diabetologie, 2020, 15: S65–S92
Schäfer-Graf, U. et al.: Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. In: Diabetologie, 2020, 15: S101-S111
Stand: 02.11.2021