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Darf man mit Diabetes Auto fahren?

Wissenschaftliche Unterstützung: RA Oliver Ebert

Eine Diabetes-Erkrankung bedeutet nicht automatisch, dass man nicht mehr Auto fahren oder keinen Führerschein machen darf. Allerdings ist bei Menschen mit Diabetes eine Einschätzung der Fahrtauglichkeit durch eine Ärztin oder einen Arzt notwendig. Dabei wird individuell beurteilt, inwieweit die Diabetes-Erkrankung das Fahren beeinträchtigen kann und über mögliche Verhaltensempfehlungen gesprochen.

Ausschlaggebend dafür, dass jemand mit Diabetes Auto fahren darf, ist immer, dass die Person einen normnah eingestellten Blutzucker hat und sich mit der Erkrankung auskennt. Das größte Risiko im Straßenverkehr bei Menschen mit Diabetes ist eine starke Unterzuckerung.



1. Warum kann Diabetes die Fahrsicherheit beeinflussen?

Unterzuckerungen sind die größte Gefahr für die Verkehrssicherheit bei Diabetes. Je nach Schwere der Unterzuckerung ist die betroffene Person unaufmerksamer, verarbeitet Informationen verzögert, reagiert langsamer und sieht schlechter. Auch Bewegungen können nicht mehr so präzise ausgeführt werden.

Aber auch Überzuckerungen können dazu führen, dass die Fahrsicherheit beeinträchtigt wird. Besonders bei Menschen mit Typ-1-Diabetes besteht die Gefahr einer diabetischen Ketoazidose, die die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung stark einschränken kann.

Neben zu hohen und zu niedrigen Blutzuckerwerten können Begleit- und Folgeerkrankungen ebenfalls die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflussen. Bei Menschen mit Diabetes treten beispielsweise folgende Erkrankungen häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Tagesschläfrigkeit
  • Augenerkrankungen
  • Nervenerkrankungen

Hier erfahren Sie mehr zu Begleit- und Folgeerkrankungen bei Diabetes!

Tipp:

Menschen mit Diabetes sollten mindestens alle 2 Jahre zur augenärztlichen Kontrolle gehen. Die Kosten werden im Rahmen des Disease Management Programms (DMP) von gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Die Kontrollen sind wichtig, um diabetesbedingte Folgeerkrankungen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Besonders wenn Sie feststellen, schlechter, verzerrt oder verschwommen zu sehen oder Rußregen vor den Augen zu haben, sollten Sie eine zeitnahe augenärztliche Kontrolle wahrnehmen.

Diabetes kann also sowohl die Fahrsicherheit als auch die Fahreignung beeinflussen.

Die Fahrsicherheit, auch Fahrtüchtigkeit genannt, betrifft dabei „die situations- und zeitbezogene Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs“. Das bedeutet, wie sicher jemand zum aktuellen Zeitpunkt ein Fahrzeug führen und auf Situationen reagieren kann.

Die Fahreignung, oder auch Fahrtauglichkeit, hingegen beschreibt, ob jemand überhaupt ein Fahrzeug führen kann, beziehungsweise darf.


2. Wer entscheidet, ob man mit Diabetes Auto fahren darf?

Ihr behandelndes Diabetes-Team informiert Sie über Ihr individuelles Unterzuckerungsrisiko und bespricht mit Ihnen, inwieweit Ihre Diabetes-Erkrankung sowohl Ihre Fahrsicherheit als auch Ihre Fahreignung beeinträchtigen kann. Dies sollte spätestens dann wiederholt werden, wenn Ihre Diabetes-Therapie angepasst wird oder Sie Phasen häufiger Unterzuckerungen haben.

Die Fahrtauglichkeit ist jedoch individuell verschieden und wird bei Menschen mit Diabetes sowohl durch den Diabetes-Typ als auch die Diabetes-Therapie beeinflusst. Bei manchen Diabetes-Therapien ist das Unterzuckerungsrisiko höher – beispielsweise bei der Behandlung mit Insulin oder bestimmten blutzuckersenkenden Tabletten – als bei anderen. Auch ob und wann Unterzuckerungen wahrgenommen werden, ist individuell verschieden.

Wenn aus ärztlicher Sicht keine Notwendigkeit besteht und Sie nicht beruflich ein Kraftfahrzeug führen wollen, ist in der Regel keine offizielle Fahrtauglichkeitsprüfung mit verkehrsmedizinischer Begutachtung erforderlich.

Es liegt jedoch im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde zu entscheiden, ob eine verkehrsmedizinische Begutachtung notwendig ist, damit Sie eine Fahrerlaubnis erhalten oder verlängert bekommen.

Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Sie

  • erstmalig Ihren Führerschein machen wollen und bereits an Diabetes erkrankt sind,
  • weitere Erkrankungen oder diabetesbedingte Folgeerkrankungen haben oder
  • an einem Unfall beteiligt waren und Ihre Fahrsicherheit oder Fahreignung angezweifelt wird.

Regelmäßige verkehrsmedizinische Begutachtungen können verpflichtend werden, wenn Sie beruflich ein Kraftfahrzeug führen oder ein Kraftfahrzeug der Führerscheingruppe 2 führen wollen. Die Kosten dafür werden nicht von den Krankenkassen übernommen.


3. Was muss vor und während der Autofahrt beachtet werden?

Menschen mit Diabetes, die mit Sulfonylharnstoffen, Gliniden oder Insulin behandelt werden, haben ein besonders hohes Risiko zu unterzuckern. Ein gutes Blutzuckermanagement wird vorausgesetzt, um am Straßenverkehr teilzunehmen.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) liefert hilfreiche Tipps für Menschen mit Diabetes, die vor und während der Autofahrt beachtet werden sollten:

Vorbereitung auf die Autofahrt

  • Halten Sie im Fahrzeug immer ausreichend schnell wirkende Kohlenhydrate (zum Beispiel Traubenzucker) griffbereit. Informieren Sie auch Ihre Mitfahrenden über Ihre Diabetes-Erkrankung.
     
  • Sorgen Sie dafür, dass Sie Unterzuckerungen am Steuer möglichst vermeiden, rechtzeitig erkennen und frühzeitig behandeln! Behalten Sie Ihre normalen Essgewohnheiten und Zeitpunkte der Insulintherapie bei.

Blutzuckerkontrollen

  • Kontrollieren Sie Ihren Blutzucker zeitnah zum Fahrtantritt. Die letzte Messung sollte maximal eine Stunde zurückliegen.
     
  • Bei mehreren kurzen Fahrten ist es aber in der Regel nicht erforderlich, vor jeder Fahrt erneut den Blutzucker zu messen, solange der Blutzucker während der Fahrt in vernünftigen Abständen gemessen wird.
     
  • Während der Fahrt sollten Sie Ihren Blutzucker in regelmäßigen Pausen kontrollieren. Wenn bei Ihnen häufig Unterzuckerungen vorkommen, können häufigere Kontrollen notwendig sein. Dokumentieren Sie das Ergebnis der Messung in einem Tagebuch oder elektronisch.
     
  • Auch bei Diabetes gelten die allgemeinen Regeln zur Smartphone-Nutzung am Steuer. Blutzuckermessungen und das Scannen eines kontinuierlichen Glukosemesssystems (CGM-Gerät) während der Fahrt oder bei laufendem Motor sind nicht erlaubt.

Wann Sie nicht fahren dürfen

  • Treten Sie die Fahrt nicht an, wenn Sie eine Unterzuckerung feststellen oder eine Unterzuckerung vermuten! Seien Sie bei Blutzuckerwerten unter 90 mg/dl (5,0 mmol/l) besonders vorsichtig. Sie sollten die Fahrt erst antreten, wenn der Blutzucker wieder in einem sicheren Bereich ist. Essen Sie in diesem Fall schnell wirkende Kohlenhydrate, um die Blutzuckerwerte zu erhöhen.
     
  • Fahren Sie niemals mit sehr hohen Blutzuckerwerten oder deutlichen Zeichen einer Überzuckerung!

Blutzuckerentgleisung am Steuer

  • Fällt Ihr Blutzucker unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) oder treten Symptome einer Unterzuckerung auf, sind Sie wahrscheinlich nicht mehr fahrtüchtig.

    Unterbrechen Sie die Fahrt und ziehen Sie den Zündschlüssel ab. Nehmen Sie schnell wirkende Kohlenhydrate zu sich (zum Beispiel Traubenzucker oder Fruchtsaft). Warten Sie ab, bis die Unterzuckerung vollständig überwunden ist.

    Durch zusätzliche langsam wirkende Kohlenhydrate (zum Beispiel Vollkornbrot) können Sie Ihren Blutzucker stabilisieren.

    Kontrollieren Sie anschließend Ihren Blutzucker. Bitte beachten Sie, dass die geistige Leistungsfähigkeit bei Unterzuckerungen eingeschränkt ist und frühestens nach 20 Minuten die Fahrt fortgesetzt werden sollte.

    Nach einer Unterzuckerung sollten Sie, solange Sie mit dem Auto unterwegs sind, Ihren Blutzucker häufiger kontrollieren, bis er stabil über 90 mg/dl (5,0 mmol/l) liegt und erst danach wieder losfahren.
     
  • Auch eine Überzuckerung am Steuer ist gefährlich. Unterbrechen Sie in diesem Fall die Autofahrt und ergreifen Sie Maßnahmen, um Ihren Blutzuckerspiegel zu senken. Sie sollten erst weiterfahren, wenn Ihr Blutzucker wieder im individuellen Zielbereich und stabil ist.

Hier erfahren Sie mehr darüber, was im Notfall bei einer Unter- oder Überzuckerung zu tun ist!

Gut zu wissen:

Eine gut eingestellte Diabetes-Therapie ist das A und O, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen!

Maßnahmen zur Vermeidung von Blutzuckerentgleisungen

  • Besprechen Sie Ihren Blutzucker-Zielbereich für die Fahrt mit Ihrem Diabetes-Team.
     
  • Es gibt spezielle Schulungen, in denen Sie lernen, wie Unterzuckerungen am Steuer vorgebeugt werden kann und wie im Ernstfall gehandelt werden sollte. Die Kosten für diese Hypoglykämie-Wahrnehmungstrainings oder auch Blutglukose-Wahrnehmungstrainings, kurz BGAT, werden von vielen Krankenkassen übernommen, wenn sie durch geschultes Personal durchgeführt werden.
     
  • Null Promille: Alkohol erhöht das Unfallrisiko stark. Zusätzlich steigert ein Restalkoholspiegel Ihr Risiko für Unterzuckerungen.


Allgemeine Hinweise

  • Während der Einstellung mit blutzuckersenkenden Medikamenten oder Insulin nach der Diabetes-Diagnose kann die Fahrsicherheit vorübergehend eingeschränkt sein. Dies gilt auch bei der Umstellung der Behandlung auf ein neues Medikament. Besonders vorsichtig sollten Sie sein, wenn sich Sehstörungen einstellen oder Ihr Blutzucker stark schwankt. Treten starke Blutzuckerschwankungen oder Sehstörungen auf, dürfen Sie nicht selbst fahren!
     
  • Fahren Sie defensiv, vermeiden Sie Überanstrengung (zum Beispiel durch lange Nachtfahrten), passen Sie Ihre Fahrweise an und legen Sie regelmäßige Pausen ein. Nehmen Sie Ihre Utensilien zum Messen des Blutzuckers und zum Spritzen des Insulins, den Diabetes-Ausweis und gegebenenfalls Ihre Glukagon-Spritze mit.
     
  • Lassen Sie sich regelmäßig ärztlich untersuchen und beraten. Dazu gehört auch die regelmäßige augenärztliche Kontrolle. Beachten Sie, dass Sie nach bestimmten ärztlichen Untersuchungen (zum Beispiel Weitstellung der Pupillen) vorübergehend fahruntauglich sind.
     
  • Informieren Sie, wenn Sie beruflich ein Fahrzeug führen, Ihre zuständige Betriebsärztin oder Ihren zuständigen Betriebsarzt über Ihre Diabetes-Erkrankung.
  • Falls Sie ein rtCGM einsetzen: Schalten Sie die Alarme hörbar ein und stellen im Gerät die mit dem Arzt besprochenen Schwellenwerte zur Alarmierung ein. Beachten Sie die Hinweise des Herstellers, insbesondere zur Notwendigkeit von etwaigen Kalibrierungen

Gut zu wissen:

Bereits bei Werten von 70 mg/dl (3,9 mmol/l) können unbemerkt Fahrfehler auftreten!


4. Wie verhalte ich mich bei einem Unfall?

Trotz großer Vorsicht können Unfälle passieren. Geraten Sie in einen Unfall oder verschulden selbst einen Unfall, sind Sie gegenüber der Polizei nur verpflichtet, Ihre Personalien anzugeben.

Es wird empfohlen, zunächst keine weiteren Angaben zum Unfallhergang oder Ihrer Gesundheit zu machen. Lassen Sie sich erst von einer Anwältin oder einem Anwalt beraten, die oder der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist.

Dokumentieren Sie Ihre Blutzuckermessungen, die Sie vor der Fahrt erhoben haben, sodass Sie sie gegebenenfalls nachweisen können. Es ist möglich, dass Sie nach einem Unfall zu einer Fahrtauglichkeits- oder Fahreignungsprüfung aufgefordert werden. Kommen Sie dem nicht nach, kann Ihnen Ihre Fahrerlaubnis dauerhaft entzogen werden.

Sie sind jedoch nicht verpflichtet, eine verkehrsmedizinische Begutachtung bereits bei einem Unfall nachzuweisen, sofern Sie Ihre Fahrerlaubnis vor der Diabetes-Diagnose erhalten haben und Ihre behandelnde Ärztin oder Ihr behandelnder Arzt Ihre Fahreignung nicht eingeschränkt hat.

Gut zu wissen:

Hat Ihr Arzt oder Ihre Ärztin festgestellt, dass Ihre Fahreignung eingeschränkt ist? Dann sollten Sie sich unbedingt an die ärztlichen Anweisungen halten. Haben Sie sich nachweislich darüber hinweggesetzt und es kommt zu einem Unfall, können Ihnen straf- und zivilrechtliche Konsequenzen drohen.


5. Wie kann die Fahrsicherheit wiederhergestellt und langfristig erhalten bleiben?

Wenn aus ärztlicher Sicht die Fahrsicherheit beeinträchtigt ist, gibt es mehrere Möglichkeiten, diese wiederherzustellen und langfristig zu erhalten. Die folgenden Behandlungsstrategien sollten in einem ärztlichen Gespräch besprochen werden:

  • Verbesserung der Diabetes-Therapie, um das Risiko für Unterzuckerungen zu senken
  • Einsatz einer Insulinpumpe und/oder einer kontinuierlichen Gewebezuckermessung (CGM-System)
  • Teilnahme an einer strukturierten Diabetes-Schulung
  • Teilnahme an einem speziellen Training, um Unterzuckerungen früher und besser wahrnehmen zu können (Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining)

6. Was muss bei der beruflichen Nutzung eines Fahrzeugs beachtet werden?

Auch im beruflichen Umfeld dürfen Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes Fahrzeuge der Gruppe 2 (unter anderem Lastkraftwagen, Busse und Fahrzeuge zur Personenbeförderung) führen.

Bei einer Therapie mit bestimmten blutzuckersenkenden Medikamenten (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe, Glinide) oder Insulin ist ein spezielles verkehrsmedizinisches Gutachten nötig. Dabei wird geprüft, wie beispielsweise der Blutzucker über die vergangenen 3 Monate eingestellt war und ob eine Fahreignung vorliegt.

Einziges direktes Ausschlusskriterium, sowohl für Fahrzeuge der Gruppe 1 (unter anderem Auto, Motorrad und Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen) als auch der Gruppe 2, ist die Neigung zu schweren Unterzuckerungen.

Hier finden Sie mehr zum Thema Diabetes und Beruf!

Quellen:

Bundesanstalt für Straßenwesen et al.: Begutachtungsleitlinie zur Kraftfahreignung. 2022
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S2e-Leitlinie Diabetes und Straßenverkehr. Langfassung. 1. Auflage. 2017
Deutsche Diabetes Gesellschaft: Empfehlungen für Kraftfahrer mit Diabetes unter Behandlung mit Sulfonylharnstoffen und/oder Insulin. Anhang M. 2017
Deutsche Diabetes Gesellschaft: Patientenleitlinie Diabetes und Straßenverkehr. 1. Auflage. 2019
Ebert, O. et al.: Diabetes und Straßenverkehr. In: Diabetologie, 2022, 18: 184-197
Schubert, W. et al. (Hrsg.) (2018): Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung: Kommentar. 3. Auflage. Kirschbaum Verlag, Bonn, ISBN: 9783781218437
Stand: 03.08.2023