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Darf man mit Diabetes Auto fahren?

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Kurt Rinnert

Eine Diabetes-Erkrankung bedeutet nicht automatisch, dass man nicht mehr Autofahren oder keinen Führerschein machen darf. Allerdings ist bei Menschen mit Diabetes eine Einschätzung der Fahrtauglichkeit durch eine Ärztin oder einen Arzt notwendig. Dabei wird die Diabetes-Erkrankung, wie beispielsweise Diabetes-Typ und -Verlauf sowie Behandlung und mögliche Folgeerkrankungen, individuell beurteilt. Außerdem wird besprochen, welche Erfahrungen im Straßenverkehr vorliegen, wie mit der Erkrankung umgegangen und sich in bestimmten Alltagssituationen verhalten wird.

Ausschlaggebend ist immer, dass die Person einen gut eingestellten Blutzucker hat und sich mit der Erkrankung auskennt. Das größte Risiko im Straßenverkehr bei Menschen mit Diabetes ist eine plötzliche Unterzuckerung.

Was muss im Vor­feld und wäh­rend der Au­to­fahrt be­ach­tet wer­den?

Menschen mit Typ-2-Diabetes, die mit Sulfonylharnstoffen oder Insulinen behandelt werden, haben ein besonderes Risiko zu unterzuckern. Auch bei einem Typ-1-Diabetes besteht dieses Risiko immer. Ein gutes Blutzuckermanagement wird vorausgesetzt, um am Straßenverkehr teilzunehmen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft liefert hilfreiche Tipps für Menschen mit Diabetes, die vor und während der Autofahrt beachtet werden sollten:

  • Sorgen Sie dafür, dass Sie Unterzuckerungen am Steuer möglichst vermeiden, rechtzeitig erkennen und frühzeitig behandeln! Behalten Sie Ihre normalen Essgewohnheiten und Zeitpunkte der Insulin-Therapie bei.
     
  • Kontrollieren Sie Ihren Blutzucker innerhalb 1 Stunde vor dem ersten Fahrtantritt und dann alle 2 Stunden während der Fahrt. Dokumentieren Sie das Ergebnis der Messung im Tagebuch oder elektronisch.
  • Bei mehreren kurzen Fahrten ist es nicht erforderlich, vor jeder Fahrt den Blutzucker zu messen, so lange der Blutzucker alle 2 Stunden während der Fahrt gemessen wird. Eine erhöhte Messfrequenz kann allerdings in Situationen mit erhöhtem Unterzuckerungsrisiko erforderlich sein. Ein höheres Risiko für Unterzuckerungen besteht zum Beispiel nach körperlicher Belastung oder bei Änderung der routinemäßigen Ernährung.
     
  • Halten Sie im Fahrzeug immer ausreichende Mengen schnell wirksamer Kohlenhydrate (zum Beispiel Traubenzucker) leicht zugänglich griffbereit. Informieren Sie auch Ihre Mitfahrenden über Ihre Diabetes-Erkrankung.

Gut zu wissen:

Eine gut eingestellte Diabetes-Therapie ist das A und O, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen!

  • Besprechen Sie Ihren Blutzuckerzielbereich für die Fahrt mit der behandelnden Ärztin beziehungsweise dem behandelnden Arzt.
     
  • Treten Sie die Fahrt nicht an, wenn Sie eine Unterzuckerung feststellen oder eine Unterzuckerung vermuten! Essen Sie in diesem Fall schnell wirksame Kohlenhydrate, um den Blutzucker anzuheben.
     
  • Unterbrechen Sie die Fahrt sofort und ziehen Sie den Zündschlüssel ab, wenn Sie während der Fahrt eine Unterzuckerung bemerken oder vermuten. Nehmen Sie sofort schnell wirksame Kohlenhydrate zu sich (zum Beispiel Traubenzucker) und warten Sie ab, bis die Unterzuckerung vollständig überwunden ist. Durch zusätzliche langsam wirkende Kohlenhydrate (zum Beispiel Vollkornbrot) können Sie Ihren Blutzucker stabilisieren. Bedenken Sie, dass es Ihnen bei sehr niedrigen Blutzuckerwerten schwerfallen kann, Unterzuckerungen wahrzunehmen.
     
  • Null Promille: Alkohol erhöht das Unfallrisiko stark. Zusätzlich steigert ein Restalkoholspiegel Ihr Risiko für Unterzuckerungen.
     
  • Fahren Sie niemals mit sehr hohen Blutzuckerwerten oder deutlichen Zeichen einer Überzuckerung!
     
  • Während der Einstellung mit blutzuckersenkenden Medikamenten oder Insulin nach der Diabetes-Diagnose kann die Fahrsicherheit vorübergehend eingeschränkt sein. Dies gilt auch bei der Umstellung der Behandlung auf ein neues Medikament. Besonders vorsichtig sollten Sie sein, wenn Ihre Augen schlechter sehen oder Ihr Blutzucker stark schwankt. Ist auch nur eins davon stark ausgeprägt, dürfen Sie nicht selbst fahren!
     
  • Fahren Sie defensiv, vermeiden Sie Überanstrengung (zum Beispiel durch lange Nachtfahrten), passen Sie Ihre Fahrweise an und legen Sie regelmäßige Pausen ein. Nehmen Sie Ihre Utensilien zum Messen des Blutzuckers und zum Spritzen des Insulins, den Diabetes-Ausweis und gegebenenfalls Ihre Glukagonspritze mit.
     
  • Lassen Sie sich regelmäßig ärztlich untersuchen und beraten. Dazu gehört auch die regelmäßige augenärztliche Kontrolle. Beachten Sie, dass Sie nach bestimmten ärztlichen Untersuchungen (zum Beispiel Weitstellung der Pupillen) vorübergehend fahruntauglich sind.
     
  • Informieren Sie, wenn Sie beruflich ein Fahrzeug führen, Ihre zuständige Betriebsärztin oder Ihren zuständigen Betriebsarzt über Ihre Diabetes-Erkrankung.

Plötzlich auftretende Unterzuckerungen sind die größte Gefahr für die Verkehrssicherheit bei Diabetes. Je nach Schwere der Unterzuckerung ist man unaufmerksamer, verarbeitet Informationen verzögert, reagiert langsamer und sieht schlechter. Auch Bewegungen können nicht mehr so präzise ausgeführt werden.

Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann neben einer Unterzuckerung auch die schwerwiegende Stoffwechselentgleisung aufgrund von Insulinmangel (Ketoazidose) die Fahrsicherheit stark verringern. Die Ketoazidose kann das Wahrnehmen und Denken einschränken. Es kann dann riskant bis unmöglich sein, ein Fahrzeug zu führen.

Hier erfahren Sie mehr darüber, was Sie im Notfall tun können!

Neben zu hohen und zu niedrigen Blutzuckerwerten können auch Begleit- und Folgeerkrankungen die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflussen. Beispielsweise treten Herz- und Gefäßerkrankungen bei Menschen mit Diabetes häufiger und früher auf als in der Allgemeinbevölkerung. Insbesondere die verschiedenen Formen von Herzrhythmusstörungen können das Bewusstsein stark beeinträchtigen.

Eine erhöhte Tagesschläfrigkeit (Schlaf-Apnoe-Syndrom) entsteht durch wiederkehrende Atemstörungen im Schlaf. Sie tritt bei etwa 25 bis 50 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes auf und bedeutet ein höheres Unfallrisiko.

Gut zu wissen:

Bereits bei Werten von 70 mg/dl (3,9 mmol/l) können unbemerkt Fahrfehler auftreten!

Auch weitere Begleiterkrankungen können zu Unfällen führen. Menschen mit diabetischen Augenerkrankungen können nicht mehr so gut sehen. Bei diabetischen Nervenerkrankungen kann die Kraft in den Beinen eingeschränkt sein.

Hier erfahren Sie mehr zu Begleit- und Folgeerkrankungen bei Diabetes!

Hat eine Ärztin oder ein Arzt festgestellt, dass die Fahrsicherheit beeinträchtigt ist, gibt es mehrere Möglichkeiten, diese wiederherzustellen und langfristig zu erhalten. Die folgenden Behandlungsstrategien sollten in einem ärztlichen Gespräch besprochen werden:

  • Verbesserung der Diabetes-Therapie, um das Risiko für Unterzuckerungen zu senken
  • Einsatz einer Insulinpumpe und/oder einer kontinuierlichen Gewebezuckermessung (CGM)
  • Teilnahme an einer strukturierten Diabetes-Schulung
  • Teilnahme an einem speziellen Training, um Unterzuckerungen früher und besser wahrnehmen zu können (Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining)

Auch im beruflichen Umfeld dürfen Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes Fahrzeuge der Gruppe 2 (unter anderem Lastkraftwagen, Busse und Fahrzeuge zur Personenbeförderung) führen. Bei einer Therapie mit blutzuckersenkenden Medikamenten (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe, Glinide) oder Insulin wird intensiv geprüft, wie beispielsweise der Blutzucker über die vergangenen 3 Monate eingestellt war und ob die Person zum Fahren geeignet ist. Einziges direktes Ausschlusskriterium, sowohl für Fahrzeuge der Gruppe 1 (unter anderem Auto, Motorrad und Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen) als auch der Gruppe 2, ist die Neigung zu schweren Unterzuckerungen.

Hier erfahren Sie mehr zum Thema Diabetes und Beruf!

Quellen:

Deutsche Diabetes Gesellschaft: S2e-Leitlinie Diabetes und Straßenverkehr. Langfassung. 1. Auflage. 2017
Deutsche Diabetes Gesellschaft: Empfehlungen für Kraftfahrer mit Diabetes unter Behandlung mit Sulfonylharnstoffen und/oder Insulin. Anhang M. 2017
Schubert, W. et al. (Hrsg.) (2018): Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung: Kommentar. 3. Auflage. Kirschbaum Verlag, Bonn, ISBN: 9783781218437
Stand: 06.12.2019