Kontinuierliche Gewebezuckermessung (CGM)
Wissenschaftliche Unterstützung: Andreas Vosseler M.A.
Häufiges Blutzuckermessen kann schmerzhaft und lästig sein. Hinzu kommt, dass die Blutzuckermessung nur eine Momentaufnahme des aktuellen Blutzuckerspiegels abbildet: Dadurch bleibt so manche Blutzuckerschwankung bis hin zur Über- oder Unterzuckerung trotzdem unerkannt.
Um den Glukoseverlauf besser kontrollieren und um einem Anstieg und Abfall des Zuckers rechtzeitig entgegenwirken zu können, wurden Messsysteme zur kontinuierlichen Glukosemessung, kurz CGM (engl.: Continuous Glucose Monitoring) entwickelt.

CGM-Systeme messen den Zuckerwert (Glukosewert) im Unterhautfettgewebe und tragen zur besseren Steuerbarkeit der Insulintherapie bei. Sie können den Umgang mit der Diabetes-Erkrankung erleichtern und die Diabetes-Therapie verbessern. Individuell einstellbare Alarmfunktionen ermöglichen ein frühzeitiges Erkennen von Unter- und Überzuckerungen. Die Koppelung mit einer Insulinpumpe bei einem AID-System (engl.: Automated Insulin Delivery) ermöglicht die automatisch an den aktuellen Glukosewert angepasste Abgabe des Insulingrundbedarfs (Basalrate) sowie die zusätzliche Abgabe bei erhöhten Glukosewerten.
Inhaltsverzeichnis
1. Was bedeutet CGM?
Als CGM werden kontinuierliche Glukosemesssysteme bezeichnet, die im Abstand von Minuten den Glukosewert kontrollieren. Dabei ist zu beachten: CGM-Systeme messen den Glukosewert nicht im Blut, sondern im Unterhautfettgewebe. Das bedeutet, es wird der sogenannte „Gewebezucker“ und nicht direkt der Blutzucker bestimmt. Bei der Interpretation der Werte ist zu berücksichtigen, dass der Gewebezuckerwert dem aktuellen Blutzuckerwert um einige Minuten hinterherhinken kann. Abweichungen können besonders bei raschen Veränderungen des Blutzuckerspiegels, zum Beispiel nach dem Essen oder bei Sport auftreten. In Situationen mit stabilen Blutzuckerwerten sind beide Werte vergleichbar.
Da die Systeme in Echtzeit die Glukosewerte ermitteln und kontinuierlich Werte anzeigen, werden sie auch als Real-Time-CGM (rtCGM) bezeichnet.
2. Wie funktioniert CGM?
CGM-Systeme bestehen aus 3 Komponenten: einem Sensor, einem Sender (auch Transmitter genannt) und einem Empfangsgerät. Der Sensor wird je nach Produkt am Bauch oder am Oberarm aufgeklebt. Mit ihm ist ein Messfaden verbunden, der mittels einer Setzhilfe unter die Haut in das Unterhautfettgewebe eingeführt wird. Dort misst der Sensor-Faden den Zuckergehalt in der Gewebeflüssigkeit.
Der Sensor kann auch beim Baden, Duschen oder Schwimmen getragen werden. Je nach System ist ein Sensor-Wechsel alle 7 bis 15 Tage notwendig. Dieser kann von der Nutzerin oder dem Nutzer selbstständig durchgeführt werden. Eine Ausnahme stellt ein System dar, bei dem der Sensor von geschultem, ärztlichem Fachpersonal unter die Haut am Oberarm eingesetzt wird. Anschließend wird darüber ein Sender (Transmitter) auf der Haut platziert, der die Glukosewerte drahtlos an ein Empfangsgerät überträgt. Bei diesem System kann der Sensor bis zu 6 Monate unter der Haut verbleiben. Der Austausch erfolgt ebenfalls durch geschultes Fachpersonal.
Bei anderen CGM-Systemen ist der Sender fest mit dem Sensor verbunden oder kann vom Sensor entfernt und wieder verwendet werden. Als Empfangsgerät kann zum Beispiel ein kleines, tragbares Empfangsgerät, ein Smartphone, eine Smartwatch oder ein Tablet mit entsprechender App genutzt werden, die die gemessenen Glukosewerte anzeigt und speichert. Auch eine Insulinpumpe kann als Empfangsgerät dienen.
Die aktuellen Glukosewerte sind somit jederzeit auf dem Display des jeweiligen Empfangsgeräts ablesbar. Neben dem eigentlichen Wert zeigt das Display zudem noch Trendpfeile an. Anhand dieser Trendpfeile lässt sich erkennen, ob der Glukosewert gerade ansteigt, abfällt oder stabil ist.
Wenn eine Über- oder Unterzuckerung droht, löst das Empfangsgerät einen akustischen oder einen Vibrationsalarm aus, damit rechtzeitig gegengesteuert und beispielsweise eine schwere Unterzuckerung verhindert werden kann.
Die am Tag und in der Nacht gespeicherten Messwerte lassen sich elektronisch auswerten oder in einer Cloud speichern. So können die Nutzenden einen längerfristigen Überblick über den Verlauf ihrer Glukosewerte erhalten.
3. Gibt es Schulungsprogramme für CGM-Systeme?
Bevor ein System zur kontinuierlichen Glukosemessung bei der Krankenkasse beantragt werden kann, ist es sinnvoll, dass die Nutzerin oder der Nutzer sich über die verfügbaren CGM-Systeme informiert und sich zu den möglichen Vor- und Nachteilen von Diabetes-Fachpersonal beraten lässt. Darüber hinaus gibt es spezielle Schulungsprogramme für die Anwendung von CGM-Systemen:
Das herstellerunabhängige Schulungsprogramm für CGM-Systeme heißt SPECTRUM.
4. Für wen werden CGM-Systeme erstattet?
Seit 2016 gehören CGM-Systeme mit Alarmfunktion als Hilfsmittel zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen.
Dies bedeutet allerdings nicht automatisch, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die Systeme in jedem Fall übernimmt: Denn die GKV ist nicht verpflichtet, die Kosten zu tragen. Wenn die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt ein Rezept für das entsprechende Hilfsmittel ausgestellt hat, prüft die Krankenkasse anschließend, ob die Kosten dafür erstattet werden können. In der Regel werden die Kosten für ein CGM-System bei einer intensivierten Insulintherapie (mehrmaliges Verabreichen von Insulin am Tag) von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Bei anderen Therapieformen muss gegebenenfalls die medizinische Notwendigkeit für ein solches Messsystem ausführlicher begründet werden.
Gut zu wissen:
Die Kostenübernahme kann bei der gesetzlichen Krankenkasse beantragt werden. Eine Pflicht zur Kostenübernahme besteht jedoch nicht. Auch eine befristete Kostenerstattung durch die Krankenkasse ist möglich.
Die private Krankenversicherung (PKV) muss nur die Leistungen erbringen, die im Versicherungsvertrag vereinbart sind. Wenn dazu ein offenes Hilfsmittelverzeichnis gehört beziehungsweise CGM-Systeme explizit aufgenommen wurden, ist die PKV verpflichtet, solche Systeme bei medizinischer Notwendigkeit zu erstatten.
5. Wie genau funktioniert die Kostenübernahme von CGM-Systemen?
Die Kosten für CGM-Systeme übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen bei medizinischer Notwendigkeit auf Antrag.
Diese Voraussetzungen muss die Patientin oder der Patient für eine mögliche Kostenübernahme erfüllen:
- Es liegt ein Diabetes mellitus vor.
- Die betroffene Person benötigt eine (intensivierte) Behandlung mit Insulin.
- Die betroffene Person hat bereits an einer Schulung zur intensivierten Insulintherapie teilgenommen.
In Frage kommen vor allem Patientinnen und Patienten, bei denen
- eine erhöhte Unterzuckerungsgefahr besteht, zum Beispiel bei intensivierter Insulintherapie.
- die Therapieziele zur Stoffwechseleinstellung trotz maximaler Bemühungen nicht erreicht werden.
- in der Vergangenheit Unterzuckerungen oder sogar schwere Unterzuckerungen aufgetreten sind und/oder eine Unterzuckerungs-Wahrnehmungsstörung vorliegt.
- eine Schwangerschaft geplant ist oder eine Schwangerschaft mit unzureichender Stoffwechselkontrolle trotz Therapie besteht.
- mehr als 10 Blutzuckermessungen am Tag notwendig sind, um die angestrebte Stoffwechselkontrolle zu erreichen.
Zusätzlich kann es notwendig sein, an Schulungen teilzunehmen und die Therapietreue nachzuweisen.
Bei Kindern und Jugendlichen wird eine Beantragung für CGM-Systeme oftmals erleichtert.
Das ausgefüllte Rezept für Hilfsmittel wird bei der zuständigen Krankenkasse oder bei einem Diabetes-Fachhandel eingereicht.
Tipp:
Sollte die Kostenübernahme des CGM-Systems nicht genehmigt werden (zum Beispiel, wenn keine intensivierte Insulintherapie vorliegt), kann Widerspruch eingelegt werden. Ratsam ist es, eine Diabetologin oder einen Diabetologen zu Rate zu ziehen und eine detaillierte Begründung über die medizinische Notwendigkeit eines CGM-Systems erneut bei der Krankenkasse einzureichen.
6. Kontinuierliche Glukosemessung und Insulinpumpen
CGM-Systeme werden immer häufiger mit Insulinpumpen gekoppelt. Die gekoppelten Systeme werden „AID-Systeme“ (Systeme zur automatisierten Insulindosierung) genannt und werden auch als Hybrid-Closed-Loop-Systeme bezeichnet. Die Kombination aus Gewebezuckermessung und Insulinabgabe ermöglicht eine automatisierte oder zumindest teilautomatisierte Insulinsteuerung. Bei diesen Systemen ist es auch heute noch notwendig, Informationen zu den Mahlzeiten (Kohlenhydratmenge) in das System einzugeben, um die Insulinabgabe zu steuern. Deshalb auch die Bezeichnung Hybrid-AID-System, da sowohl der Mensch mit Diabetes als auch die Technik (Insulinpumpe und CGM) die Insulingaben steuern.
Forschende arbeiten aktuell an vollautomatisierten Closed-Loop-Systemen, sogenannten „künstlichen Bauchspeicheldrüsen“. Auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz soll die Zeit im Zielbereich (Glukosewerte im Zielbereich) weiter optimiert werden.
Quellen:
Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft: Aktualisierte Empfehlung – Praktische Hinweise zum Ersatz von Blutglukosemessungen durch Messungen mit rtCGM oder FGM. (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft: Gewebezuckermessung (CGM). (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Bundesverband Medizintechnologie e.V.: Sensor-basierte Glukosemessung bewährt sich im Alltag. 2019 (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Deutsche Diabetes Gesellschaft: Diabetes Schulungsprogramme DDG. (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. 5. Version. 2023
Deutsche Diabetes Gesellschaft: Immer mehr Menschen mit Typ-2-Diabetes nutzen CGM-Systeme. 2024 (Letzter Abruf: 13.10.2025)
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe: Leitfaden kontinuierliche Glukosemessung (CGM): Das müssen Sie wissen, wenn Sie ein CGM beantragen. (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Gemeinsamer Bundesausschuss: Beschluss über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus. 2016
Gemeinsamer Bundesausschuss: Kontinuierliche Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten künftig GKV-Leistung für insulinpflichtige Diabetiker. 2016 (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Spitzenverband Bund der Krankenkassen: Hilfsmittelverzeichnis. (Letzter Abruf: 13.10.2025)
Stand: 13.10.2025










