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Genetische Defekte der Betazellfunktion: MODY-Diabetes

Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Robert Wagner

Als MODY wird eine Gruppe relativ seltener, vererbbarer Diabetesformen bezeichnet. Die Diabetes-Erkrankung macht sich typischerweise im jüngeren Lebensalter – in der Regel zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahrzehnt – bemerkbar.

Bei den verschiedenen MODY-Formen ist jeweils ein einzelnes Gen verändert beziehungsweise defekt. Die Genveränderung, eine sogenannte Mutation, führt zu erhöhten Blutzuckerspiegeln und damit zum Diabetes mellitus.

Da ein MODY-Diabetes oft anders behandelt wird, als ein Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, ist eine korrekte Diagnose bei Verdacht auf eine dieser seltenen Diabetesformen wesentlich. Ob ein MODY-Diabetes vorliegt, lässt sich nur anhand einer genetischen Untersuchung feststellen.



1. Was versteht man unter MODY-Diabetes?

MODY ist die Abkürzung für englisch „Maturity onset diabetes of the young“ und tritt typischerweise erstmals bei jüngeren Menschen auf. Zu MODY gehören verschiedene Diabetesformen. Da diese durch Veränderungen beziehungsweise Defekte in einem einzelnen Gen verursacht werden, spricht man auch von einem „monogenen“ Diabetes. In Deutschland wurde MODY-Diabetes früher auch als Typ-3a-Diabetes bezeichnet.

Die Genveränderungen bewirken Störungen in den insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, den sogenannten Betazellen. Als Folge produzieren die Betazellen weniger Insulin und die Blutzuckerwerte steigen an.

MODY ist erblich und kann von Generation zu Generation weitergegeben werden. Allerdings kann der Gendefekt manchmal auch spontan – das heißt ohne Vererbung – auftreten. Schätzungsweise 1 bis 5 Prozent aller jungen Menschen mit einer Diabetes-Erkrankung haben einen MODY-Diabetes. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, da MODY-Diabetes oft nicht als solcher erkannt wird.

Die Behandlung von MODY kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt zum Beispiel eine MODY-Form, die in der Regel keine Therapie erfordert. Bei anderen MODY-Formen kann hingegen eine Behandlung mit blutzuckersenkenden Tabletten oder auch eine Insulintherapie notwendig sein.

Gut zu wissen:

MODY tritt aufgrund einer Veränderung in einem einzelnen Gen auf, das von betroffenen Eltern in einem autosomal-dominanten Erbgang an die Kinder weitergegeben wird: Wenn ein Elternteil ein defektes Gen besitzt, kann entweder das unveränderte oder das defekte Gen an das Kind vererbt werden. Jedes der Kinder hat damit eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, das defekte Gen zu erben. Rund 80 Prozent der Kinder, die das defekte Gen geerbt haben, entwickeln später einen MODY-Diabetes.


2. Wie unterscheidet sich MODY-Diabetes von Typ-1- und Typ-2-Diabetes?

Bei normalgewichtigen Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen mit erhöhten Blutzuckerwerten ist die häufigste Ursache ein Typ-1-Diabetes. Aber auch ein Typ-2-Diabetes kann zugrunde liegen, vor allem bei jungen Menschen mit Übergewicht. Da ein MODY-Diabetes eher selten vorkommt, wird er zunächst oft mit einem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes verwechselt. Manchmal dauert es mehrere Jahre, bis der MODY-Diabetes korrekt erkannt wird.

Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes und MODY-Diabetesformen haben unterschiedliche Ursachen. Auslöser des Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunreaktion: Körpereigene Abwehrzellen des Immunsystems greifen mit sogenannten Autoantikörpern die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse an und zerstören diese nach und nach. Typ-2-Diabetes entsteht auf der Grundlage einer Insulinresistenz.

Sowohl beim Typ-1- als auch beim Typ-2-Diabetes gibt es zahlreiche Gene, die an der Diabetes-Entstehung beziehungsweise an der Neigung zur Diabetes-Entstehung mitbeteiligt sein können. Beim Typ-2-Diabetes entsteht aus einem genetisch erhöhten Risiko in der Regel nur dann eine Diabetes-Erkrankung, wenn Umwelteinflüsse hinzukommen (zum Beispiel Bewegungsmangel, Fehlernährung, bauchbetontes Übergewicht). Ursache der MODY-Diabetesformen sind hingegen Veränderungen in einem einzelnen Gen („monoger Diabetes“). Eine Rolle von Umwelteinflüssen ist hier nicht bekannt.

Typisch für alle MODY-Diabetesformen ist, dass die Erkrankung schleichend und im jüngeren Lebensalter beginnt, mit einer anfangs meist nur leichten Erhöhung der Blutzuckerspiegel. Menschen mit MODY-Diabetes sind in der Regel normalgewichtig und die Werte für den Fettstoffwechsel oder den Blutdruck liegen im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes meist im Normbereich. Zudem lassen sich bei MODY-Diabetes in der Blutuntersuchung keine Autoantikörper gegen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse nachweisen. Dies kann als Abgrenzung zum Typ-1-Diabetes genutzt werden, da bei fast allen Menschen mit Typ-1-Diabetes entsprechende Autoantikörper im Blut vorliegen.

diabinfo-Podcast MODY-Diabetes (Prof. Dr. Robert Wagner)

Prof. Dr. Robert Wagner vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) informiert in unserem Podcast über den MODY-Diabetes und gibt Tipps für eine angemessene Diagnose und Behandlung der genetisch verursachten Erkrankung.


3. Wie wird MODY-Diabetes diagnostiziert?

Das Erkennen einer MODY-Diabetesform ist wichtig, da sich die Behandlung von der Therapie des Typ-1- oder Typ-2-Diabetes wesentlich unterscheiden kann.

Um festzustellen, ob eine MODY-Diabetesform vorliegt, ist eine genetische Untersuchung notwendig. Hierfür wird eine Blutprobe auf entsprechende Gendefekte untersucht. Dies ist vergleichsweise kostenintensiv und es kann mehrere Wochen dauern, bis das Ergebnis vorliegt. Eine genetische Diagnostik wird daher in der Regel nur bei einem begründeten Verdacht durchgeführt.

Ein solcher Verdacht kann unter anderem bei den folgenden Hinweisen gegeben sein:

  • Auftreten erhöhter Blutzuckerspiegel in der Kindheit, Jugend oder im jungen Erwachsenenalter
  • Keine Autoantikörper, die sich gegen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse richten, im Blut nachweisbar
  • Diabetes-Erkrankung in der Familie (mindestens 2 Generationen)
  • Diabetes ohne Übergewicht
  • Keine Insulinresistenz
  • Erstmaliges Auftreten erhöhter Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft

Wenn eine MODY-Diabetesform festgestellt wurde, sollten auch die Familienmitglieder informiert werden, da MODY weitervererbt werden kann.

Gut zu wissen:

Circa 60 Prozent der Fälle mit MODY-Diabetes werden vor dem 25. Lebensjahr festgestellt.

Auch wenn es keine Diabetesfälle in der Familie gibt, schließt dies einen MODY nicht aus, da

  • der Diabetes bei den milden Formen häufig nicht erkannt wird oder
  • der Gendefekt auch spontan auftreten kann, das heißt ohne Vererbung (circa 8 Prozent der MODY-Fälle).

Mehr als 90 Prozent der MODY-Patientinnen und -Patienten sind normalgewichtig.


4. Wie viele Formen des MODY-Diabetes gibt es?

Allen MODY-Diabetesformen ist gemeinsam, dass sie aufgrund eines Gendefekts in einem einzelnen Gen entstehen. Der Gendefekt wird autosomal-dominant vererbt. Bislang sind solche Defekte für insgesamt 14 Gene bekannt. Entsprechend werden 14 MODY-Diabetesformen unterschieden. Am häufigsten sind „GCK-MODY“, „HNF1A-MODY“, „HNF4A-MODY“ und „HNF1B-MODY“. Diese 4 Diabetesformen machen über 80 Prozent aller MODY-Fälle aus. Alle weiteren MODY-Formen sind sehr selten.

GCK-MODY (früher: MODY-Typ 2)

Dieser MODY-Diabetes wird durch einen Defekt im GCK-Gen ausgelöst. Letzteres liefert die Information für die Herstellung des Enzyms Glukokinase (GCK). Das Enzym ist eine Art „Blutzuckersensor“ in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse, indem es die Insulinausschüttung reguliert. Zudem leitet es im gesunden Zustand die Speicherung von Zucker (Glukose) in der Leber ein. Wenn die Glukokinase infolge des Gendefekts in ihrer Funktion gestört ist, wird Insulin erst bei höheren Blutzuckerwerten ausgeschüttet. Die betroffenen Personen haben daher lebenslang leicht erhöhte Nüchternblutzuckerwerte.

Gut zu wissen:

Der Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) liegt beim GCK-MODY typischerweise unter 7 Prozent (53 mmol/mol). Zum Vergleich: Der HbA1c-Wert bei stoffwechselgesunden Personen liegt unter 5,7 Prozent (39 mmol/mol).

Eine Behandlung mit Medikamenten ist beim GCK-MODY in aller Regel nicht notwendig. Wird beim GCK-MODY versucht, den Blutzuckerspiegel mit Insulin oder blutzuckersenkenden Tabletten in den Normbereich zu bringen, nimmt der Körper dies als Unterzuckerung wahr – selbst wenn die Blutzuckerwerte eigentlich optimal sind. Infolgedessen wird Zucker (Glukose) aus der Leber ausgeschüttet, um den Blutzucker wieder zu erhöhen. Aus diesem Grund wird von einer medikamentösen Therapie des GCK-MODY-Diabetes meist abgeraten. Eine Anpassung der Ernährung ist auch nicht nötig. Eine Ausnahme bildet die Schwangerschaft bei GCK-MODY.

Da diese Diabetesform nur zu einer leichten Erhöhung der Blutzuckerwerte führt, sind typische diabetesbedingte Folgeerkrankungen eher selten.

Manchmal wird ein GCK-MODY erstmals in der Schwangerschaft festgestellt. Wenn nur die Mutter, nicht aber das ungeborene Kind, den GCK-Gendefekt trägt, kann das Geburtsgewicht erhöht sein. Betroffene Schwangere sollten daher entsprechend überwacht werden.

HNF1A-MODY (früher: MODY-Typ 3)

Das ist die häufigste MODY-Diabetesform. Hier liegt ein Defekt im HNF1A-Gen vor. Dieser wirkt sich auf die Betazellen der Bauchspeicheldrüse aus. Die Folge ist ein fortschreitender Insulinmangel. In der Kindheit macht sich dies zunächst als leichte Blutzuckererhöhung bemerkbar. Im frühen Erwachsenenalter verschlechtern sich dann die Blutzuckerwerte: Neben einer Ernährungsanpassung wird eine medikamentöse Therapie notwendig, um diabetesbedingte Langzeitfolgen zu verhindern oder zu verringern. Bei vielen Patientinnen und Patienten lässt sich der HNF1A-MODY gut mit blutzuckersenkenden Tabletten behandeln. Einige betroffene Personen benötigen Insulin.

Gut zu wissen:

Eine Besonderheit des HNF1A-MODY ist, dass bei betroffenen Personen häufig noch vor dem Auftreten erhöhter Blutzuckerspiegel bereits Zucker im Urin nachgewiesen werden kann („Glukosurie“).

HNF4A-MODY (früher: MODY-Typ 1)

Diese MODY-Diabetesform zeichnet sich durch einen Defekt im HNF4A-Gen aus. Dieses Gen spielt eine Rolle bei der Entwicklung von Leber, Niere und Darm. Durch den Gendefekt wird die Regulation der Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Ähnlich wie beim HNF1A-MODY lässt sich der Diabetes in der Regel gut mit blutzuckersenkenden Tabletten behandeln.

HNF1B-MODY (früher: MODY-Typ 5)

Bei dieser seltenen MODY-Form mit Defekt im HNF1B-Gen liegen neben der Diabetes-Erkrankung häufig weitere Störungen und Fehlbildungen vor. Beispiele sind Nierenzysten, Leberfunktionsstörungen, Fettstoffwechselstörungen, Anomalien des Genitaltrakts und eine Rückbildung von Bauchspeicheldrüsengewebe („Pankreasatrophie“). Die Nierenerkrankung und deren Folgen steht bei den betroffenen Personen oft mit Mittelpunkt.

Für diese MODY-Diabetesform reichen blutzuckersenkende Tabletten in der Regel nicht aus. Hier ist meist relativ rasch eine Behandlung mit Insulin erforderlich.

Quellen:

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Stand: 30.06.2022