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Ta­bak und Dia­be­tes

Wissenschaftliche Unterstützung: PD Dr. Martin Füchtenbusch

Was haben Zigaretten mit Diabetes zu tun? Sie gehören zu den weniger bekannten – aber einflussreichen – Risikofaktoren, die zu Typ-2-Diabetes führen können. Schätzungen zufolge könnten Zigaretten für 25 Millionen Diabetesfälle weltweit verantwortlich sein.

Dass Menschen, die aktiv oder passiv rauchen, häufiger an Typ-2-Diabetes erkranken als andere, ist mittlerweile durch mehrere große Studien gut belegt. Woran dies genau liegt, ist noch nicht vollständig geklärt. Einige Gründe sind aber bereits bekannt.



1. Wie beeinflusst Rauchen die Blutzuckerwerte?

Nikotin im Tabak beeinflusst den Blutzuckerspiegel gleich durch mehrere Hebel. Personen, die rauchen, zeigen in Untersuchungen einen höheren Blutzuckerspiegel als andere. Wenn dauerhaft zu viel Zucker im Blut ist, fördert dies langfristig die Entstehung von Typ-2-Diabetes.

Mehr Informationen zur Entstehung von Typ-2-Diabetes finden Sie in unserem Portal Leben mit Diabetes!

Insulinproduktion

Die Insulinausschüttung scheint bei Raucherinnen und Rauchern verändert zu sein. Das körpereigene Hormon Insulin ist wichtig, damit der Blutzuckerspiegel nicht unkontrolliert steigt. Es sorgt als eine Art Türöffner dafür, dass der Zucker, der nach einer Mahlzeit ins Blut gelangt, auch in die Zellen kommt, die ihn brauchen.

Nikotin scheint die Produktion dieses wichtigen Stoffes zu bremsen. Und zwar, indem es die Arbeit der „Insulin-Fabriken“ in der Bauchspeicheldrüse hemmt, der sogenannten Betazellen.

Insulinwirkung

Gleichzeitig kommt es durch verschiedene Chemikalien in Zigaretten und anderen nikotinhaltigen Konsumgütern zu mehr Entzündungen im Körper. Insulin kann dann nicht mehr so gut an seinen Zielzellen wirken, weil entzündete Zellen häufig schlechter auf Hormone, Botenstoffe und andere Stoffe im Körper ansprechen. Dadurch braucht es immer mehr Insulin, damit der Zucker aus dem Blut in die Organe wie Gehirn, Muskeln und Leber aufgenommen werden kann.

Giftstoffe

Im Blut von Raucherinnen und Rauchern wurden darüber hinaus erhöhte Werte des Giftstoffes Arsen entdeckt. Diese könnten ebenfalls zu einem höheren Blutzuckerspiegel beitragen. Ein weiterer Giftstoff, der sich teilweise in Tabak findet, ist Cadmium. Das Schwermetall kann zu einer Gewichtszunahme und einem Insulinmangel im Körper führen.

Fett in den Organen

Ein anderer Grund, warum Rauchen das Diabetes-Risiko erhöht, überrascht auf den ersten Blick: Körperfett. Zwar sind Raucherinnen und Raucher oft relativ schlank – doch das Fett, das sie in sich tragen, ist häufig besonders schädlich. Denn Fett ist nicht gleich Fett: Es gibt Körperfett, das eher harmlos ist: das sogenannte Unterhautfettgewebe. Und es gibt solches, das die inneren Organe wie Leber, Nieren und Darm umschließt. Nimmt Letzteres überhand, sondert es einen problematischen Mix aus Botenstoffen und Fettsäuren ins Blut ab und erhöht so das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Besonders ungesund ist Fett, das sich innerhalb von Organen ablagert, wie etwa bei der Fettleber. Denn dieses Fett hemmt die Arbeit der Leber. Dann kann die Leber ihre wichtigen Aufgaben für den Blutzuckerspiegel nicht mehr richtig erledigen. Rauchen wiederum kann die Entstehung einer nicht-alkoholischen Fettleber fördern.


2. Wie hoch ist das Risiko für Diabetes Typ 2 durch Rauchen?

Wie stark Rauchen das Diabetes-Risiko erhöht, hängt davon ab, wie viele Zigaretten pro Tag geraucht werden, und über welchen Zeitraum. Deshalb variieren auch die Zahlen in Studien. Manche Schätzungen gehen von einem 30 bis 40 Prozent höheren Risiko aus. Andere schätzen, dass Rauchen das Diabetes-Risiko verdoppelt. Das heißt, dass unter gleichen Bedingungen von 1.000 Nichtraucherinnen und Nichtrauchern etwa 100 Personen in ihrem Leben irgendwann Typ-2-Diabetes bekämen. Von 1.000 Raucherinnen und Rauchern würden hingegen nach der einen Schätzung 130 bis 140 daran erkranken, nach der anderen 200.

Besonders riskant: Rauchen in der Schwangerschaft

Rauchen in und bereits vor der Schwangerschaft erhöht – neben diversen anderen Risiken – auch die Wahrscheinlichkeit für werdende Mütter, einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln. Für das ungeborene Kind steigt das Risiko, im späteren Leben einen Diabetes zu bekommen. Die betroffenen Kinder sind bei der Geburt zudem häufig kleiner.

Steigt das Diabetes-Risiko auch durch Passivrauchen?

Viele Menschen – besonders Kinder – rauchen nicht selber, sind aber durch sogenanntes Passivrauchen Zigarettenrauch ausgesetzt. Dieser Rauch wirkt sich auf die Gesundheit aus. Das trifft besonders auf Menschen zu, die im Kindesalter und als junge Erwachsene Zigarettenrauch ausgesetzt waren. Sie erkranken im Vergleich deutlich häufiger an Typ-2-Diabetes als Menschen, die weder aktiv noch passiv rauchen. Das Diabetes-Risiko steigt, je mehr im Umfeld geraucht wird. Wer viel Passivrauchen ausgesetzt ist, hat ein höheres Diabetes-Risiko als jemand, der nur gelegentlich neben Rauchenden sitzt.


3. E-Zigaretten: Wie wirken sich Rauchstoffe auf das Diabetes-Risiko aus?

E-Zigaretten werden mit Flüssigkeiten befüllt, die in der E-Zigarette verdampft werden. Dieser Dampf wird inhaliert. Die Flüssigkeiten, auch Liquids, E-Liquids oder E-Juice genannt, enthalten Rauchstoffe. Das können Nikotin, ätherische Öle oder andere Substanzen sein. Es gibt mehr als 7.000 verschiedene Geschmacksrichtungen auf dem Markt, die sich daraus zusammensetzen. Viele dieser Liquids enthalten Zucker. Dieser kann, wenn er in den E-Zigaretten erhitzt wird, unter anderem in schädliche Substanzen wie das krebserregende Formaldehyd umgewandelt werden.

Bisher gibt es zu vielen dieser Liquids kaum wissenschaftliche Studien. Die meisten Studien haben sich bisher auf das Krebsrisiko und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen konzentriert. Besonders Langzeitstudien zu E-Zigaretten und anderen Verdampfern auf das Diabetes-Risiko fehlen, da diese noch nicht so lange auf dem Markt sind. Bekannt ist aber bereits, dass Liquids sowohl mit als auch ohne Nikotin den Blutzucker erhöhen.


4. Was tun?

Nikotin ist eines der stärksten Suchtmittel, daher fällt ein Rauchstopp vielen schwer. Es hilft, sich klar zu machen, wie viel der Zigaretten-Verzicht für einen selber und die eigene Gesundheit bringt:

  • Man erhöht die eigene Chance, deutlich länger gesund zu leben und fitter zu werden.
  • Man senkt das Risiko für Lungenkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Typ-2-Diabetes und tut etwas für Haut und Zähne.
  • Und man hat nicht zuletzt mehr Geld und Zeit zur Verfügung.

Ist der Entschluss einmal gefasst, hören einige Raucherinnen und Raucher erfolgreich auf eigene Faust auf, ohne Hilfsmittel. Doch niemand muss den Ausstieg alleine schaffen. Es gibt zahlreiche Seminare und Rauchstopp-Programme. Das Deutsche Krebsforschungszentrum bietet gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine Suche nach Anbietern in Ihrer Nähe.

Auch Selbsthilfegruppen und Internetportale wie zum Beispiel www.ohnerauchen.de oder www.rauchfrei-info.de geben angehenden Nichtraucherinnen und Nichtrauchern die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten Kontakt aufzunehmen und sich auszutauschen.

Wer konkrete Tipps zur Vorbereitung und Durchführung des Rauchstopps sowie Informationen zu den verschiedenen unterstützenden Methoden braucht, findet auf dem Informationsportal rauchfrei-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vielfältige Informationen, darunter auch ein online Ausstiegsprogramm.

Und wenn man beim Aufhören zunimmt?

Viele Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, nehmen erst einmal an Gewicht zu. Daran könnte es liegen, dass das Diabetes-Risiko nach dem Rauchstopp häufig nicht direkt sinkt, meist sogar vorübergehend steigt und erst verzögert deutlich kleiner wird als zuvor. Dies ist wahrscheinlich vermeidbar, wenn das Gewicht zumindest ungefähr gehalten wird: In Studien hatten Menschen, die nach dem Rauchstopp nicht zunahmen, ein niedrigeres Diabetes-Risiko.

Wie hoch das Diabetes-Risiko ist, nachdem jemand aufgehört hat zu rauchen, hängt zudem davon ab, wie viel vorher geraucht wurde. Menschen, die sehr viel geraucht haben, haben auch nach dem Rauchstopp noch ein höheres Diabetes-Risiko als Menschen, die nur wenig geraucht haben.

Auf Dauer senkt der Tabakverzicht auf jeden Fall das Diabetes-Risiko stark. Es dauert circa 5 bis 10 Jahre, bis es auf das gleiche Niveau gesunken ist wie bei Nichtraucherinnen und -rauchern.

Gut zu wissen:

In Studien wird „viel beziehungsweise sehr viel geraucht“ meist definiert als mindestens 20 Zigaretten pro Tag. Einige Studien verwenden auch die Anzahl der sogenannten Packungsjahre. Die Packungsjahre ergeben sich aus der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten oder Zigarettenpackungen und der Raucherjahre.

Packungsjahre = (gerauchte Zigarettenpackungen pro Tag ODER gerauchte Zigaretten pro Tag / 20) x (Raucherjahre)

Als „viel beziehungsweise sehr viel geraucht“ gelten mindestens 14 Packungsjahre.


5. Wie wirkt sich Rauchen auf einen bestehenden Diabetes aus?

Gerade für Menschen, die bereits an Typ-2- oder Typ-1-Diabetes erkrankt sind, ist Rauchen ein großer Risikofaktor. Nikotin aus Zigaretten kann Folgeerkrankungen beschleunigen. Denn Nikotin setzt den Blutgefäßen und Nervenbahnen im Körper zu und verlangsamt die Wundheilung. So kann sich beispielsweise ein diabetischer Fuß schneller entwickeln als ohne Tabakzufuhr. Auch die Augen leiden bei Menschen mit Diabetes stärker, wenn sie gleichzeitig rauchen. Das kann beispielsweise dazu führen, dass Raucherinnen und Raucher mit Diabetes häufiger erblinden als Menschen, die an Diabetes erkrankt sind und nicht rauchen. Das Herz-Kreislauf-System und die Nieren sind bei Menschen mit Diabetes bereits durch den Diabetes stark belastet. Rauchen betroffene Personen, werden die Blutgefäße im Herzen und in den Nieren zusätzlich geschädigt. Dadurch können sie früher einen Herzinfarkt oder eine Nierenerkrankung (diabetische Nephropathie) bekommen. Daher lohnt es sich, Hilfe zu suchen und mit dem Rauchen aufzuhören – auch, weil die Familie meist passiv mitraucht.

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Stand: 12.12.2022