Alkohol: Warum sich ein Verzicht lohnt
Wissenschaftliche Unterstützung: Prof. Dr. Michael Hummel
Das Bier zum Feierabend, der Weißwein zum Risotto, der Sekt zur bestandenen Prüfung – Alkohol im Alltag ist für viele Menschen selbstverständlich. Im Durchschnitt trinkt jede Person in Deutschland pro Jahr mehr als 10 Liter reinen Alkohol. Auch wenn die Menge in den vergangenen Jahren langsam gesunken ist, ist sie aus gesundheitlicher Sicht noch immer bedenklich hoch. Denn Alkohol schadet nicht nur jenen, die abhängig sind und regelmäßig große Mengen trinken.
Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist: Je weniger Alkohol, desto besser. Für die Gesundheit am besten ist es, ganz auf Alkohol zu verzichten. Denn bereits kleine Mengen belasten Leber, Herz und Gehirn und erhöhen unter anderem das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen und potenziell auch Typ-2-Diabetes.
Inhaltsverzeichnis
- Ist eine geringe Menge Alkohol gesund?
- Wie wirkt Alkohol im Körper?
- Warum ist Alkohol schädlich fürs Herz?
- Kann Alkohol Diabetes Typ 2 verursachen?
- Führt Alkohol zu Übergewicht?
- Welche Vorteile hat es, wenn man keinen Alkohol mehr trinkt?
- Welche Langzeitfolgen kann Alkohol haben?
- 3 Tipps, um weniger Alkohol zu trinken
1. Ist eine geringe Menge Alkohol gesund?
Auch wer nur wenig Alkohol trinkt, riskiert negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Lange galten in Deutschland die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen risikoarmen Alkoholkonsum: Für Männer weniger als 24 Gramm reiner Alkohol pro Tag – das entspricht etwa 2 Gläsern Bier à 0,3 Liter oder 0,25 Liter Wein – und für Frauen 12 Gramm reiner Alkohol pro Tag – das entspricht etwa einem Glas Bier à 0,3 Liter oder 0,125 Liter Wein. Außerdem sollte mindestens an 2 Tagen in der Woche gar kein Alkohol getrunken werden.
Inzwischen hat die WHO ihre Vorgaben korrigiert: Es gibt keine gesundheitlich unbedenkliche Menge beim Alkoholkonsum. Auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) betont, dass es nach aktuellem Forschungsstand weder einen gesundheitsförderlichen Effekt noch einen sicheren Alkoholgenuss gibt – auch nicht in kleinen Mengen.
Ursprünglich hatten Studien darauf hingedeutet, dass das Sterberisiko mit dem Alkoholkonsum zwar deutlich anstieg, aber jene am längsten lebten, die wenig Alkohol tranken und nicht komplett auf Alkohol verzichteten. Heute ist bekannt, dass diese Befragungen methodische Schwächen hatten. Unter anderem setzte sich ein Großteil der nach eigenen Angaben Abstinenten aus ehemals alkoholabhängigen Personen und Menschen mit anderen gesundheitlichen Risikofaktoren zusammen. Aktuelle, große Übersichtsstudien zeigen hingegen: Keinen Alkohol zu trinken ist immer gesünder als wenig Alkohol zu trinken.
Gut zu wissen:
Aus den überholten Studien leitet sich auch die weit verbreitete Annahme ab, ein gelegentliches Glas Rotwein sei „gut fürs Herz“. Forschende vermuteten, bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe im Wein – sogenannte Polyphenole – könnten eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System haben. Bei genauerer Betrachtung müsste eine erwachsene Person jedoch mehrere Liter Wein pro Tag trinken, um eine wirksame Menge an Polyphenolen aufzunehmen. Dann wiederum würden die schädlichen Wirkungen des Alkohols deutlich überwiegen. Wer auf die gesundheitsförderlichen Polyphenole aus Rotwein nicht verzichten möchte, greift am besten zu ihrer ursprünglichen Quelle: rote Weintrauben.
2. Wie wirkt Alkohol im Körper?
Nachdem wir ein alkoholisches Getränk getrunken haben, nehmen die Schleimhäute im Körper den Alkohol rasch und nahezu vollständig auf. Das geschieht bereits in Mund und Magen, hauptsächlich aber im Dünn- und Dickdarm. Anschließend transportiert das Blut den Alkohol durch den ganzen Körper, sodass er in nahezu alle Organe und Gewebe gelangt. Am höchsten ist die Alkoholkonzentration im Blut etwa 45 bis 75 Minuten nach dem Konsum.
So erreicht der Alkohol auch rasch das Gehirn: Dort wirkt er sich auf die Funktion verschiedener Botenstoffe (Neurotransmitter) – zum Beispiel Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Serotonin und Dopamin – aus. Ihre Aufgabe ist es, Signale zwischen den Nervenzellen zu vermitteln. Kurzfristig nehmen manche Menschen diese Effekte des Alkohols als positiv wahr, da unter anderem Ängste und Sorgen gedämpft werden. Gleichzeitig erhöht sich jedoch oft auch das Aggressionspotenzial.
Das Gehirn ist allerdings ein sehr empfindliches Gewebe – und Alkohol ein aggressives Zellgift. Wer immer wieder exzessiv trinkt, riskiert somit den Verlust zahlloser Nervenzellen, entzündliche Prozesse und auf Dauer auch strukturelle Veränderungen im Gehirn. Daneben belastet Alkohol weitere wichtige Organe und Funktionen – so kann etwa der Körper weniger Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen und seine Temperatur schlechter regulieren. Die Leber wird durch den Alkoholabbau stark beansprucht und auch das Herz wird belastet.
3. Warum ist Alkohol schädlich fürs Herz?
Alkohol wirkt sich auf verschiedenen Wegen auf das Herz-Kreislauf-System aus. Unter dem Einfluss von Alkohol weiten sich zunächst die Blutgefäße und der Herzschlag beschleunigt sich. Das bedeutet mehr Arbeit für das Herz. Durch regelmäßiges Trinken steigt auch der Blutdruck an, was wiederum ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall und viele weitere Erkrankungen ist.
Nicht selten sind außerdem Herzrasen und Herzstolpern nach dem Konsum von Alkohol. Das erleben auch jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen: Insbesondere nach exzessivem Trinken – etwa auf einer Party – kommt es gehäuft zu Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern. Medizinerinnen und Mediziner bezeichnen dies auch als „Holiday Heart Syndrom“ (deutsch: „Ferien-Herzsyndrom"). Eine Studie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums in Hamburg zeigt: Auch schon kleine Alkoholmengen reichen aus, um die Erregungsleitung im Herzen zu stören und Herzrhythmusstörungen zu begünstigen.
Menschen, die bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, zum Beispiel eine Herzinsuffizienz, oder einen Herzinfarkt, wird der Konsum von Alkohol dringend abgeraten, um das Herz nicht zusätzlich zu belasten.
4. Kann Alkohol Diabetes Typ 2 verursachen?
Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Typ-2-Diabetes: Wer wiederholt in großen Mengen trinkt, steigert nicht nur sein persönliches Risiko für Bluthochdruck, sondern hat auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Einige Studien deuten zwar darauf hin, dass Menschen mit einem regelmäßigen, moderaten Alkoholkonsum das geringste Erkrankungsrisiko haben könnten. Allerdings werden auch in Bezug auf Alkohol und Typ-2-Diabetes verzerrende Effekte innerhalb der verschiedenen Studien diskutiert.
Sowohl zur Vorbeugung von Typ-2-Diabetes als auch bei bestehendem Typ-2- oder Typ-1-Diabetes gilt daher: Je weniger Alkohol, desto besser. Wer mit Diabetes nicht komplett auf Alkohol verzichten möchte, sollte alkoholische Getränke immer mit einer Mahlzeit kombinieren. Der Hintergrund: Auf nüchternen Magen kann Alkohol zu einer schweren Unterzuckerung (Hypoglykämie) führen. Oft wird diese durch den alkoholisierten Zustand erst spät wahrgenommen.
Gut zu wissen:
Jeder Mensch reagiert anders auf Alkohol – die Kombination mit Insulin macht dies noch einmal individueller. Menschen mit Diabetes, die Insulin spritzen oder bestimmte blutzuckersenkende Medikamente einnehmen, sollten deshalb mit ihrer persönlichen Ärztin oder ihrem persönlichen Arzt besprechen, was individuell beachtet werden soll, wenn alkoholische Getränke verzehrt werden möchten.
5. Führt Alkohol zu Übergewicht?
Alkohol enthält mit 7 Kilokalorien (kcal) pro Gramm reichlich Energie. Zum Vergleich: Ein Gramm Kohlenhydrate liefert 4 kcal, ein Gramm Fett 9 kcal. Noch dazu stecken in alkoholischen Getränken auch häufig Zucker und andere „leere Kalorien“, die dem Körper keinen Mehrwert bieten.
Zwar lässt sich in wissenschaftlichen Arbeiten kein sicherer Zusammenhang zwischen einem gelegentlichen, moderaten Alkoholkonsum und Übergewicht feststellen. Bei Menschen, die regelmäßig und exzessiv Alkohol trinken, sieht das jedoch anders aus. So haben diese häufiger einen hohen Body-Mass-Index (BMI) und Bauchumfang. Übergewicht und insbesondere starkes Übergewicht (Adipositas) gelten wiederum als bedeutende Risikofaktoren für weitere Gesundheitsprobleme, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Besonders fatal wirkt sich die „Doppelbelastung“ von Übergewicht und Alkohol auf die Leber aus. Beide Faktoren begünstigen Lebererkrankungen bis hin zur Leberzirrhose.
6. Welche Vorteile hat es, wenn man keinen Alkohol mehr trinkt?
Der gesundheitliche Nutzen durch den Alkoholverzicht unterscheidet sich von Person zu Person. Fest steht jedoch: Jeder Konsum von Alkohol ist schädlich. So kann bereits ein einmonatiger Verzicht auf Alkohol viele verschiedene gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Zunächst profitiert vor allem die Leber. Denn: Ist sie nicht mehr damit beschäftigt, Alkohol abzubauen, kann die Leber sich wieder erholen. Auch eine alkoholische Fettleber kann sich zurückbilden.
Positive Auswirkungen, wenn komplett auf Alkohol verzichtet wird, können sein:
- V erbesserte Schlafqualität
- Gesteigerte Leistungsfähigkeit am Tag
- Möglicher Gewichtsverlust (geringere Kalorienaufnahme)
- Normalisierter Blutdruck
- Erholung der Leber
- Insgesamt fitteres Gefühl
- Verbessertes Hautbild
- Verbesserte mentale und körperliche Gesundheit
Der Verzicht auf Alkohol bringt zudem viele positive Effekte für die allgemeine Gesundheit mit sich. Auch das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes zu erkranken, kann dadurch gesenkt werden.
7. Welche Langzeitfolgen kann Alkohol haben?
Wer regelmäßig Alkohol trinkt – oder gelegentlich sehr viel auf einmal – riskiert verschiedene Langzeitfolgen. Einerseits besteht immer das Risiko, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Ob und wie schnell das geschieht, hängt von verschiedenen neurobiologischen, gesellschaftlichen und individuellen Faktoren ab. Die sozialen, mentalen und persönlichen Folgen können schwerwiegend sein, etwa depressive Symptome oder Probleme am Arbeitsplatz.
Andererseits kann Alkohol auch eine Vielzahl von körperlichen Erkrankungen auslösen oder begünstigen, zum Beispiel:
- Lebererkrankungen, von alkoholischer Fettleber bis zur Leberzirrhose
- Verschiedene Krebserkrankungen, unter anderem Brustkrebs, Darmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Leberkrebs und Kehlkopfkrebs
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen
- Schädigung verschiedener Nerven (Polyneuropathie)
- Magenschleimhautentzündung und Reflux-Krankheit
- Atemstörungen im Schlaf (Schlafapnoe)
- Sexuelle Funktionsstörungen
8. 3 Tipps, um weniger Alkohol zu trinken
Wenn Sie auf Alkohol verzichten oder Ihren Konsum einschränken möchten, ist das ein sehr guter Vorsatz für Ihre Gesundheit. Auch ein begrenzter Zeitraum wie ein nüchterner Januar (“Dry January”) oder die 40-tägige Fastenzeit vor dem Osterfest hilft vielen Menschen, wieder bewusster mit Alkohol umzugehen.
Diese 3 Tipps helfen dabei, auf Alkohol zu verzichten:
1. Tipp: Verändern Sie Ihre Gewohnheiten.
Anstelle sich mit dem Freundeskreis in der Stammkneipe zu treffen, schlagen Sie einen Kinoabend, eine Wanderung oder einen Saunabesuch vor. Statt am Abend ein Bier vor dem Fernseher aufzumachen, bereiten Sie sich einen Tee oder eine Saftschorle zu. Manchmal hilft es auch, bestimmte Orte oder Kontakte, die eng mit Alkohol verknüpft sind, vorerst komplett zu vermeiden – und dafür vielleicht ein neues, „alkoholfreies“ Hobby aufzunehmen.
2. Tipp: Bewegen Sie sich.
Alkohol greift in den Gehirnstoffwechsel ein, was zu einer euphorischen Stimmung führen und Sorgen in den Hintergrund drängen kann. Deutlich gesünder und nachhaltiger erreichen Sie diese Effekte mit Sport. Bewegung ist nicht nur gut für das Herz-Kreislauf-System und die Muskulatur, sondern hilft auch dabei, Stress abzubauen und Glückshormone auszuschütten. Fangen Sie mit etwas an, das Ihnen leichtfällt und Spaß macht – zum Beispiel Radfahren, Tanzen, Klettern oder Schwimmen.
3. Tipp: Üben Sie, nein zu sagen.
Falls Ihnen jemand auf der nächsten Geburtstagsparty oder Vereinsfeier ein alkoholisches Getränk anbietet oder gar aufdrängt, ist es hilfreich, sich bereits im Vorfeld eine passende Entgegnung zurechtzulegen. Wenn Sie Ihre Absichten nicht groß erklären möchten, reicht ein „Nein, danke.“
Mehr Tipps zum Dranbleiben lesen Sie bei unseren Start- und Motivationshilfen.
Wenn Sie bemerken, dass Ihnen der Alkoholverzicht schwerer fällt als erwartet, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen. Geeignete erste Anlaufstellen sind Ihre hausärztliche Praxis oder eine Suchtberatungsstelle. Weitere Informationen rund um das Thema Alkohol finden Sie auf dem Informationsportal "Kenn dein Limit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
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Stand: 07.05.2024