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Forschung

Beeinträchtigen bestimmte Aminosäuren die Insulinproduktion der Betazellen?

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Yanislava Karusheva

Vor Kurzem wurde belegt, dass die Reduktion von verzweigtkettigen Aminosäuren in der Nahrung von Personen mit Typ-2-Diabetes zwar die Insulinwirkung erhöht, zugleich aber die Insulinfreisetzung nach der Mahlzeit senkt. In einer weiteren Studie stellen die Forschenden nun fest, dass Insulinmangel mit anhaltend hohen verzweigtkettigen Aminosäuren-Konzentrationen einhergeht, was zur Erschöpfung der Insulinsekretionsreserve bei kürzlich aufgetretenem Typ-1-Diabetes beitragen könnte.

 

Betazellen sind die Zellen, die das blutglukosesenkende Hormon Insulin ausschütten. Die Betazellen werden im Verlauf eines Typ-1-Diabetes durch das eigene Immunsystem zerstört. Bei einem Typ-2-Diabetes produzieren die Betazellen zunächst vermehrt Insulin, um der Insulinresistenz entgegen zu wirken, bis die Betazellen erschöpft sind und die Insulinproduktion versiegt.

Im frühen Verlauf eines Typ-1-Diabetes ist der Erhalt der Restfunktion der Betazellen ein wesentliches Ziel der Behandlung, wobei die Ernährungsgewohnheiten eine wesentliche Rolle spielen. Bei Typ-2-Diabetes können Veränderungen des Lebensstils einen weiteren Betazellverlust verhindern.

 

Die Rolle der Aminosäuren bei der Insulinsekretion

Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Proteine aufgebaut sind. Es gibt insgesamt 20 verschiedene Aminosäuren, die der Körper größtenteils selber herstellen kann. Nur die sogenannten unentbehrlichen Aminosäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden.

Aminosäuren stimulieren die Insulinausschüttung. Diese kurzfristigen Effekte sind überwiegend auf verzweigtkettige Aminosäuren (Branched-chain amino acids, BCAA) zurückzuführen. Zu den BCAA gehören die Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, die etwa 20 Prozent der diätischen Proteinzufuhr ausmachen. Erhöhte Aminosäuren-Spiegel und insbesondere erhöhte BCAA-Spiegel sind aber auch mit einer Insulinresistenz in Übergewichtigen assoziiert. Dennoch ist der Zusammenhang zwischen BCAA und der Betazellfunktion bislang umstritten.

 

Studie bestätigt den Einfluss von BCAA auf den Glukosestoffwechsel

Im November 2019 wurde eine Studie veröffentlicht, in der die Wirkung von reduzierter BCAA-Einnahme auf die Entwicklung und Behandlung des Typ-2-Diabetes in Menschen untersucht wurde. Genauer gesagt wurde der Einfluss von BCAA auf den Glukosestoffwechsel, die Insulinsekretion sowie die Darmmikrobiom-Zusammensetzung bei Typ-2-Diabetes analysiert. Nach einer 1-wöchigen Diät mit 60 Prozent reduziertem Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren konnte festgestellt werden, dass die Reduktion dieser in der Nahrung zwar die Insulinwirkung erhöht, zugleich aber die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse nach der Mahlzeit senkt. Zudem wurde nach nur 7 Tagen eine Verbesserung der Funktion der Mitochondrien im Fettgewebe sowie eine Veränderung des Darmmikrobioms festgehalten.

 

Gibt es Zusammenhänge zwischen BCAA und der Betazellfunktion?

In einer weiteren Fragestellung beschäftigten sich die Forschenden damit, ob durch erhöhte BCAA-Spiegel die Funktion der pankreatischen Betazellen langfristig beeinträchtigt wird. Hierzu wurden bei Personen mit einem gut eingestellten Typ-1- und Typ-2-Diabetes mit einer Diabetes-Dauer von weniger als 12 Monaten sowie bei Personen ohne Diabetes Testmahlzeiten durchgeführt. Neben der Messung des BCAA-Spiegels wurde die postprandiale Betazellfunktion anhand der C-Peptid-Spiegel beurteilt und die Insulinsensitivität bestimmt.

Die Auswertung ergab, dass die postprandialen Gesamt-BCAA-, Valin- und Leucin-Werte um 25 Prozent, 18 Prozent und 19 Prozent höher waren als bei der dazugehörigen Kontrollgruppe. Sowohl die Gesamt- als auch die einzelnen postprandialen BCAA-Werte standen in umgekehrter Beziehung zu den C-Peptid-Werten. Bei Typ-2-Diabetes war der postprandiale Isoleucin-Spiegel im Vergleich zu den jeweiligen Kontrollen um 16 Prozent höher, während weder die Gesamtmenge noch einzelne BCAA mit den C-Peptid-Spiegeln korrelierten. Die Insulinsensitivität war in beiden Diabetes-Gruppen niedriger als bei den entsprechenden Kontrollen.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass ein Insulinmangel mit anhaltend hohen BCAA-Konzentrationen einhergeht. Dies könnte zur schnelleren Erschöpfung der Insulinsekretionsreserve bei neu entdecktem Typ-1-Diabetes beitragen.

 

Allerdings könnten die Ergebnisse der vorliegenden Studie durch die teilweise erhaltene Restfunktion der Betazellen der Teilnehmenden mit kürzlich diagnostiziertem Typ-1-Diabetes beeinflusst sein. Um diese Beeinflussung bei Teilnehmenden mit Typ-2-Diabetes und bestehender Metformin-Therapie zu minimieren, wurde die Behandlung 3 Tage vor der Studie unterbrochen. Eine weitere Limitation ist die relativ kleine Studienpopulation (10 Studienteilnehmende pro Untersuchungsgruppe).

 

Quellen:
Karusheva, Y. et al.: Branched-Chain Amino Acids Associate Negatively With Postprandial Insulin Secretion in Recent-Onset Diabetes. In: J Endocr Soc, 2021, 5: bvab067

Karusheva, Y. et al.: Short-term dietary reduction of branched-chain amino acids reduces meal-induced insulin secretion and modifies microbiome composition in type 2 diabetes: a randomized controlled crossover trial. In: Am J Clin Nutr, 2019, 110: 1098-1107

Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ): Förderpreis der Deutschen Diabetes Gesellschaft an Frau Dr. med. Yanislava Karusheva. Pressemeldung vom 31.05.2021 (Letzter Abruf: 04.06.2021)