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Durchführung der Blutglukosemessung

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Johanna Pfeil, Dr. Eric Martin

Egal ob die Blutglukosemessung durch geschultes Personal in der Apotheke oder durch die Patientin / den Patienten zuhause durchgeführt wird, es erfolgen mit leichten Anpassungen die gleichen Schritte. In der Apotheke sollte eine Standard-Operating-Procedure (SOP) ausgearbeitet werden, an die sich das gesamte Apothekenteam hält und für die es regelmäßig geschult wird.

Die Ersteinweisung zur Blutglukoseselbstbestimmung erfolgt meist durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt. Dennoch sollten immer bei der Abgabe eines Blutglukosemessgeräts mit der Patientin oder dem Patienten alle Schritte der Blutglukoseselbstmessung durchgegangen und idealerweise durch die Patientin / den Patienten demonstriert werden. Nur so können mögliche Fehlerquellen aufgedeckt, behoben und damit eine gute Blutglukosekontrolle erreicht werden.

Im Folgenden sind die Schritte der Blutglukoseselbstmessung übersichtlich dargestellt, inklusive möglicher Fehlerquellen, die es zu beachten gilt:

1. Vorbereitung

Um eine Blutglukosemessung zügig und korrekt durchführen zu können, müssen vor Beginn alle notwendigen Materialien (Messgerät, Teststreifen, Stechhilfe, Taschentuch, Blutglukose-Tagebuch) bereitgelegt werden.

Blutglukosemessung als Dienstleistung in der Apotheke:

Zusätzlich parat legen: Handschuhe für Personal und Desinfektionsmittel sowie Einmallanzette

Fehlerquellen:

  • Wird zuerst gestochen und dann alle notwendigen Materialien gesucht, ist eine Kontamination mit Blut schwer zu vermeiden.
  • Vergeht beim Zusammensuchen aller notwendigen Materialien zu viel Zeit, schaltet sich das Gerät bis zum Auftragen des Blutstropfens wieder aus.

2. Hände waschen

Das Waschen der Hände mit warmem Wasser (und einer neutralen Seife) vor der Blutglukosemessung erfüllt 2 Zwecke:

  1. Die Durchblutung wird angeregt und damit gewährleistet, dass beim Punktieren ein ausreichend großer Blutstropfen gewonnen wird.
  2. Durch das Waschen werden Schweiß und mögliche Zuckerreste von einer vorangegangenen Mahlzeit entfernt.

Blutglukosemessung als Dienstleistung in der Apotheke:

Wie bei der Insulinapplikation ist eine hygienische Wischdesinfektion im häuslichen Umfeld entbehrlich. Wird in der Apotheke eine Desinfektion vorgenommen, muss sichergestellt werden, dass der Alkohol mit circa 30 Sekunden genügend lang einwirken konnte und vollständig verdunstet ist.

Fehlerquellen:

  • Schweiß auf den Fingern lässt das austretende Blut verlaufen (keine Tropfenbildung) und kann zudem das Messergebnis durch Verdünnungseffekte verfälschen.
  • Zuckerreste an den Fingern können zu falsch hohen Messwerten führen.
  • Bei schlechter Durchblutung (Vorsicht: Winterhalbjahr, niedriger Blutdruck, Raucherin / Raucher) tritt beim Punktieren möglicherweise zu wenig Blut für eine Messung aus (Messung mit Fehlermeldung abgebrochen, falsche Ergebnisse).

3. Hände abtrocknen

Die Hände gut abtrocknen, sodass kein Feuchtigkeitsfilm mehr auf den Fingern verbleibt.

Blutglukosemessung als Dienstleistung in der Apotheke:

Überschüssiges Desinfektionsmittel abtupfen, warten bis Desinfektionsmittel getrocknet ist.

Fehlerquelle:

Verbleibende Feuchtigkeit am Finger führt dazu, dass sich kein Blutstropfen bildet, sondern das Blut verläuft.


4. Teststreifen in Blutglukosemessgerät einlegen

Beim Herausnehmen der Teststreifen aus der Verpackung muss darauf geachtet werden, dass das Testfeld bei Einführen in das Messgerät nicht berührt wird. Moderne Messgeräte schalten sich durch das Einführen des Teststreifens automatisch ein. 

Teststreifen nur mit trockenen Fingern anfassen. Die Teststreifendose direkt wieder verschließen, sodass keine Feuchtigkeit hineinkommt. Die Aufbewahrung soll in der Originalverpackung erfolgen. Heruntergefallene Teststreifen sind zu verwerfen.

Fehlerquellen:

  • Manipulationen an den Teststreifen mit feuchten Händen können die Qualität und die Lagerstabilität der Teststreifen beeinträchtigen und auf diese Weise zu Messfehlern führen.
  • Ebenso kann eine länger geöffnete Teststreifendose, wenn Feuchtigkeit in die Dose kommt, zu falschen Werten führen.

5. Neue Lanzette in Stechhilfe einlegen und spannen

Um eine neue Lanzette in die Stechhilfe einlegen zu können, wird zuerst die Verschlusskappe der Stechhilfe geöffnet, dann eine neue Lanzette eingelegt und die Schutzkappe der Lanzette abgedreht. Zuletzt wird die Stechhilfe mit der Verschlusskappe wieder verschlossen.

Die meisten Stechhilfen haben eine variable Einstichtiefe (meist gekennzeichnet, zum Beispiel durch eine unterschiedliche Zahl von Strichen, Tropfengrößen oder mit Zahlen). Je tiefer die Lanzette einsticht, umso größer wird bei gleicher Federkraft der Blutstropfen. Bei ein und derselben Patientin beziehungsweise demselben Patienten reicht es aus, diese Einstellung einmalig vorzunehmen, sofern sich an der Medikation und den Umständen nichts ändert. Bei der Einstichtiefe sind patientinnen- / patientenindividuelle Aspekte (wie zum Beispiel die Einnahme von Antikoagulantien oder Thrombozytenhemmern – geringereTiefe; oder das Vorliegen von Durchblutungsstörungen oder inhalatives Zigarettenrauchen – höhere Einstichtiefe) zu berücksichtigen. Wenn die Durchblutung vorher durch Waschen mit warmem Wasser angeregt wurde, spielen jahreszeitliche Einflüsse keine Rolle.

Gut zu wissen:

Einen Sonderfall stellen Stechhilfen dar, die nicht mit Einzellanzetten, sondern mit Trommeln beschickt werden, die jeweils mehrere Lanzetten enthalten: 

  • Unmittelbar vor dem Stechen das Zählwerk kontrollieren: Steht es auf 1 sind nur noch gebrauchte Nadeln in der Stechhilfe und die Trommel muss gewechselt werden.
  • Mit dem weißen Hebel die Trommel um eine Position weiterdrehen, um eine neue Lanzette nutzen zu können. Dies muss unmittelbar vor dem Stechen erfolgen, da man ansonsten nicht sicher sein kann, dass nach dem letzten Benutzen ein Wechsel durchgeführt wurde.

Blutglukosemessung als Dienstleistung in der Apotheke:

In der Apotheke wird aus hygienischen Gründen eine Einmallanzette verwendet. Hierzu den Nadelschutz der Einmallanzette entfernen und die Einstichtiefe einstellen.

Fehlerquellen:

  • Bei Lanzetten handelt es sich um Einmalartikel. Eine mehrfache Verwendung von Lanzetten führt zu verstärktem Wundschmerz, zu einer stärkeren Traumatisierung der Haut und, durch die fortschreitende Deformation der Nadel, zu vermehrter Hornhautbildung.
  • Wenn es zu starker Hornhautbildung kommt, muss möglicherweise die Einstichtiefe vergrößert werden, um einen ausreichend großen Blutstropfen zu gewinnen.
  • Besonders Personen, die häufig ihre Blutglukose messen, laufen Gefahr, dass es im Hinblick auf die Frequenz der Messungen aufgrund der begrenzten Zahl der Punktionsstellen (nicht an Daumen und Zeigefingern) rasch zu Problemen mit der Gewinnung von ausreichend Probenmaterial (und möglicherweise zu fehlerträchtigen Manipulationen wie Quetschen der Fingerbeere) kommt. 
  • Wird im Anschluss an das Spannen nicht punktiert, muss die Lanzette ohne Stechen ausgelöst werden. Würde die Stechhilfe mit gespannter Feder gelagert, leiert diese mit der Zeit aus. Dies führt zu einer nachlassenden Federkraft und in der Folge zu einer geringeren Blutmenge.

6. Durchblutung anregen

Die Hand kräftig nach unten schütteln (nicht nur hin und her, denn dann fehlt die Mitwirkung der Schwerkraft) und im Anschluss den Finger von der Basis Richtung Spitze ausmassieren. An der Farbe ist abzulesen, dass dadurch die Blutfülle im Bereich der Fingerbeere zunimmt.

Blutglukosemessung als Dienstleistung in der Apotheke:

Da in aller Regel in der Apotheke kein warmes Wasser zum Anregen der Durchblutung genutzt werden kann, ist dieser Schritt wichtig, um eine (bei korrekter Einstellung und ausreichender Andruckfestigkeit des Lanzettengerätes) ausreichende Menge Blut für die Probennahme zu gewinnen.

Fehlerquelle:

Die korrekte Vorbereitung (Hände warm waschen, schütteln, massieren) ist essentiell für die Gewinnung eines ausreichend großen Blutstropfens. Wird sie versäumt, versuchen die Patientinnen und Patienten die Probenmenge nach dem Punktieren (!) durch fehlerträchtige Manipulationen wie ein Quetschen der Fingerbeere zu vergrößern, was zu Messfehlern führen kann. Gegebenenfalls muss auch ein weiteres Mal gestochen werden (Traumatisierung und Schmerzen).


7. Punktieren

Zum Punktieren die Stechhilfe leicht an die ausgewählte Stelle andrücken und auslösen. Gestochen wird meist in die Fingerbeere (Achtung: nur seitlich und zentral stechen und nicht an der Spitze, denn hier ist die Schmerzempfindlichkeit am Größten) oder am Ohrläppchen. Die Stechstelle sollte systematisch durchgewechselt werden. Der Daumen und Zeigefinger sollten besonders bei Personen, die sehr häufig messen, ausgespart werden.

Bei manchen Geräten können auch alternative Punktionsstellen verwendet werden: zum Beispiel Hand- / Daumenballen, Unter- / Oberarm, Oberschenkel, Wade, Bauch. Eine Grundvoraussetzung für die Verwendung von alternativen Punktionsstellen ist die vorherige Zustimmung der Ärztin oder des Arztes sowie die entsprechende Schulung der Patientinnen und Patienten. Es dürfen nur für das jeweilige Gerät zugelassene Punktionsstellen verwendet werden. Da die alternativen Stellen schlechter durchblutet sind, kann es zu Verzögerungen in der Änderung des Blutglukosespiegels kommen. Aus diesem Grund kommen alternative Stechstellen nur für die Ermittlung von Nüchternblutglukosewerten oder Glukosewerten vor einer Mahlzeit sowie deutlich vor / deutlich nach körperlicher Aktivität (Sport) in Betracht. Sie sind nicht geeignet für Messungen nach dem Essen oder während / nach dem Sport.

Fehlerquellen:

  • Die Punktion der Ohrläppchen und in noch stärkerem Maße das Aufnehmen des gebildeten Blutstropfens mit der Teststreifenspitze ist bei der Selbstdurchführung auch vor einem Spiegel übungsbedürftig und störanfällig. Hier sollte geklärt werden, ob Fremdhilfe verfügbar ist.
  • Wird die Stechhilfe beim Punktieren nicht mit mäßigem Druck angedrückt, resultiert eine zu geringe Einstichtiefe / -kraft und in der Folge eine zu geringe Blutmenge.
  • Trotz der Vorteile der alternativen Stechstellen (meist weniger Schmerzen und zusätzliche Orte für Personen, die sehr oft messen) ist die abweichende Kinetik der Blutglukosespiegel-Verläufe als potenzieller Störfaktor zu beachten.

8. Blutstropfen auf Teststreifen aufbringen

Warten bis nach dem Punktieren ein ausreichend großer Blutstropfen ausgetreten ist. Zur Unterstützung Finger nur sanft in Richtung Spitze massieren.

Wenn die Hände vorher gründlich gereinigt wurden, muss der erste Blutstropfen nicht verworfen werden. Kann dies nicht sichergestellt werden, sollte der erste Tropfen verworfen werden.

Den eingelegten Teststreifen an den Blutstropfen halten. Wie der Blutstropfen aufgenommen wird, unterscheidet sich von Gerät zu Gerät (zum Teil an der Spitze, zum Teil an der Ecke, nur noch selten von oben (Packungsbeilage beachten)).

Durch Kapillarwirkung wird der Tropfen aufgesogen und die Messung startet automatisch. Zum Teil haben die Geräte die Option der Nachdosierung von Blut. Man beachte jedoch das zum Teil geringe Zeitfenster (siehe Handbuch).

Außerdem sollte die Lanzette regelmäßig gewechselt werden (Einwegprodukt!) und die Einstichtiefe vergrößert werden, wenn es zu Hornhautbildung kommt.

Fehlerquellen:

  • Durch Quetschen des Gewebes kann Gewebswasser mit austreten und den Blutstropfen verdünnen. Das Ergebnis wäre falsch niedrig.
  • Ein zu kleiner Blutstropfen führt zu einem Messfehler. Händewaschen mit warmem Wasser sowie Massieren können hier Abhilfe schaffen.
  • Es wird versucht, den Blutstropfen an der falschen Stelle auf den Teststreifen aufzubringen (zum Beispiel von oben auf die Deckfolie).

9. Blutglukosewert ablesen und dokumentieren

Die Messung startet automatisch, sobald eine ausreichend große Menge an Blut aufgetragen wurde. Sobald der Blutglukosewert angezeigt wird – dauert nur wenige Sekunden – sollte der Messwert zusammen mit dem Datum und der Uhrzeit zum Beispiel in einem Blutglukose-Tagebuch notiert werden. Hier sollten auch Besonderheiten wie körperliche Aktivität, Infekte, Aufnahme von Kohlenhydraten im zeitlichen Abstand zur Messung und weitere Besonderheiten dokumentiert werden.

Praxistipps für Ihre Patientinnen und Patienten:

Trotz Einhaltung aller Schritte kann es zu einem falschen Ergebnis kommen. Wenn das Ergebnis nicht den Symptomen der Patientin / des Patienten entspricht, sollte die Messung wiederholt werden.


10. Entsorgung

Um Stichverletzungen zu vermeiden, sollen Lanzetten in einem bruchsicheren Behälter (zum Beispiel Glas, Hartplastik) aufbewahrt und später gesammelt entsorgt werden. Um Lanzetten ohne Verletzungsgefahr aus dem Gerät zu entnehmen, entsprechend der Bedienungsanleitung vorgehen. Dabei nicht an der Lanzette selbst anfassen. Viele Geräte erlauben ein Auswerfen der Nadel durch Vorschieben eines Ringes an der Spitze der Stechhilfe. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Dritte die Nadeln entfernen sollen (Schutzhandschuhe schützen nicht!). Teststreifen können im Hausmüll entsorgt werden.

Praxistipps für Ihre Patientinnen und Patienten:

Wenn die Messung durch Angehörige oder durch Pflegepersonal vorgenommen wird, können auch Sicherheitslanzetten zum Einsatz kommen.

Monitoring-Aufgaben durch die Apotheke:

Die Ersteinweisung in die Blutglukosemessung erfolgt in der Regel bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Zusätzlich sollte in unregelmäßigen Abständen den Patientinnen und Patienten angeboten werden, gemeinsam eine Blutglukosemessung durchzuführen. Dabei führt die Patientin / der Patient die Messung unter Aufsicht durch. Die Apothekerin / der Apotheker überprüft, ob die einzelnen Schritte korrekt durchgeführt werden, die Reihenfolge eingehalten wird und eine ausreichende Dokumentation der Messwerte erfolgt.

Mit Hilfe von Zuckertestlösungen kann überprüft werden, ob das Gerät noch präzise misst.

Gut zu wis­sen:

Ein häufiger Gerätewechsel durch die Patientinnen und Patienten sowie die Tatsache, dass Blutglukosemessgeräte als Streuartikel verteilt werden, erschwert das Gerätemonitoring in der Apotheke. Meist ist es nicht möglich, für alle im Umlauf befindlichen Geräte die Testlösungen vorrätig zu haben.

Auf der Webseite der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) steht im Bereich Leitlinien und Arbeitshilfen eine praktische Checkliste zur Qualitätssicherung der Patientinnen- und Patientenberatung zur Blutglukoseselbstkontrolle zur Verfügung.

Eine Informationsgrafik über die einzelnen Schritte der Blutglukosemessung zur Ausgabe an Ihre Patientinnen und Patienten finden Sie im Downloadbereich und im Portal "Leben mit Diabetes".

Quellen:

Bundesapothekerkammer: Physiologisch-chemische Untersuchungen – Durchführung der Blutuntersuchungen. Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung. 2020
Bundesapothekerkammer: Checkliste – Durchführung der Blutuntersuchungen in der Apotheke. Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung. 2020
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.: Beratung zur Selbstkontrolle der Blutglukose. Standardarbeitsanweisung (SOP) für die Apotheke. 2021
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.: Qualitätssicherung der Patientenberatung: Selbstkontrolle der Blutglukose. Checkliste für die Apotheke. 2021
Stand: 14.02.2022