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„Die Diagnose 'Schwangerschaftsdiabetes' hat mich zunächst schockiert“

Steffi P. (35) aus München ist Friseurin, Mutter von 2 Kindern (2 und 4), eine schlanke, aktive Frau. Als sie mit ihrem 2. Kind schwanger war, wurde bei ihr ein Schwangerschaftsdiabetes festgestellt.

2 Jahre danach berichtet sie für diabinfo.de, was sie damals empfunden hat, wie sie damit umgegangen ist und ob diese vorübergehende Erkrankung noch immer Auswirkungen auf ihren Alltag hat. 

Steffi, wie und wann wurde Schwangerschaftsdiabetes für dich zu einem wichtigen Thema?

Ich war 33, als ich mit meinem Sohn Max schwanger war. Unsere Tochter Minna war 2 Jahre alt, die Schwangerschaft mit ihr war traumhaft gewesen, richtig bilderbuchmäßig: keine Übelkeit, keine Wassereinlagerungen, keine Probleme. Ein paar Stimmungsschwankungen, aber es ging mir blendend. Insofern war ich gar nicht darauf eingestellt, dass etwas nicht glatt laufen könnte.

Schon in der 1. Schwangerschaft hatten mein Mann und ich uns für den größeren der beiden angebotenen Tests auf Schwangerschaftsdiabetes entschieden. Beim 2. Mal haben wir es genauso gemacht: Ich kam morgens nüchtern in die Praxis meiner Frauenärztin, bekam Blut abgenommen und habe dann eine Zuckerlösung getrunken. Nach 1 und nach 2 Stunden wurde mir wieder Blut abgenommen – zum Vergleich mit der 1. Messung.

In der 2. Schwangerschaft lag ich um wenige Einheiten über dem Normalbereich, mein Blutzuckerspiegel war etwas zu hoch. Das hat meine Frauenärztin mir direkt nach dem Test gesagt und auch gleich für mich einen Termin in einem Diabetes-Zentrum gemacht.

Gut zu wissen:

Für Schwangere werden 2 verschiedene Formen des Glukosetoleranztests angeboten.

Was hast du bei der Diagnose empfunden?

Ich war ziemlich schockiert! Und habe mir den Kopf zerbrochen, wieso, woher das kam, ob ich etwas falsch gemacht haben könnte. Ich habe das alles nicht nachvollziehen können.

Natürlich hatte ich auch Angst um mein ungeborenes Kind. Welche Auswirkungen meine Erkrankung auf es haben könnte. Und was nun mit mir passieren würde.

Diabetes war ein Thema, mit dem ich mich noch nie beschäftigt hatte. Das hat es auch so beängstigend gemacht. Niemand in meiner Familie hat Diabetes. Ich habe mich immer recht gesund ernährt und seit ich Mutter bin erst recht darauf geachtet, was bei uns gegessen wurde. Ich war auch immer in Bewegung und hatte nie Übergewicht.

Gab es Anzeichen für den Schwangerschaftsdiabetes?

Nein, überhaupt keine. Ich habe gar nichts davon gemerkt. Meine Frauenärztin auch nicht. Dieser Test ab der 24. Schwangerschaftswoche war für uns alle reine Routine.

Was hat dir geholfen, mit der Erkrankung umzugehen?

Zuallererst die Unterstützung von meinem Mann und meiner Familie. Alle haben mich beruhigt, dass das Routine sei, dass man das meistern könne und dass es in 90 Prozent der Fälle nach der Geburt weg sei.

Auch alle Fachleute, mit denen ich sowieso oder auch speziell wegen des Schwangerschaftsdiabetes Kontakt hatte, waren verständnisvoll und gleichzeitig sehr positiv, dass alles gut in den Griff zu kriegen sei.

Wie ging es weiter, nachdem du das Testergebnis kanntest?

Eine Woche später war ich zum 1. Mal im Diabetes-Zentrum. Dort sah ich gleich mehrere schwangere Frauen. Das war auch irgendwie eine Beruhigung.

Das Personal dort war ebenfalls eine große Hilfe. Sie haben mir nicht nur alles gut erklärt, sondern sind auch gefühlvoll auf meine Ängste und Sorgen eingegangen. Der große Test wurde wiederholt – mit demselben Ergebnis. Ich habe dann gleich vor Ort ein Blutzuckermessgerät bekommen und bekam genau gezeigt, was ich damit machen musste.

Und wie ging das mit der Blutzuckermessung?

Ich musste mir mit einer Art Stift in den Finger piksen. Das war gar nicht schlimm. Für den kleinen Tropfen Blut, den ich mit dem Messstäbchen aufnehmen musste, habe ich den Einstich noch zusammendrücken müssen, damit Blut rauskam. So winzig war der Piks. Das Messstäbchen habe ich dann in ein kleines Kästchen gesteckt, das mir sofort meinen Wert angezeigt hat. Der Wert wurde in ein Büchlein eingetragen, das ich auch im Diabetes-Zentrum bekommen hatte. In dem Büchlein habe ich auch notiert, was ich jeweils gegessen habe. So konnte man sehen, welches Essen welche Auswirkungen auf meinen Blutzucker hatte.

Wie oft hast du deinen Blutzuckerwert gemessen?

3-mal pro Tag: morgens, mittags und abends. Das wurde schnell zur Routine, aber etwas gewöhnungsbedürftig war es schon. Ich durfte es nicht vergessen, habe abwechselnd verschiedene Finger hergenommen, damit nicht einer ganz zerstochen wurde.

Wie hat sich dein Alltag durch den Schwangerschaftsdiabetes verändert?

Zuerst haben wir es nur mit einer Ernährungsumstellung probiert. Ich habe immer gern und viel Obst gegessen. Wieviel Fruchtzucker da drin ist, war mir gar nicht bewusst. Das Gleiche galt für Fruchtsaftschorlen. Die habe ich gern und viel getrunken. Nun gab es weniger Obst und dafür mehr Gemüse und Salat. Auch mehr Getreide, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte sollte ich essen. Das habe ich zwar gut vertragen, aber meiner Tochter und auch meinem Mann hat nicht alles davon geschmeckt. Also habe ich relativ getrennt für uns gekocht. Ein Mehraufwand, aber es hat sich gut eingespielt.

Gut zu wissen:

Lesen Sie hier einen weiteren Erfahrungsbericht einer Ernährungswissenschaftlerin. Zusätzlich hat sie ihre Ernährungstipps in Form einer kostenlosen PDF-Datei zusammengefasst.

Wie genau wurde dein Gesundheitszustand kontrolliert?

Meine Werte wurden vom Diabetes-Zentrum genau beobachtet: Jede 2. Woche war ich dort zum Besprechen, wie ich zurechtkam, ob die Einstellungen noch passten und wie es dem Kind ging. Mein Blutzuckerwert wurde dort jedes Mal mit einer einfachen Messung kontrolliert. Und zwischendrin habe ich die Eintragungen in meinem Büchlein mit dem Handy fotografiert und per E-Mail ans Diabetes-Zentrum geschickt.

Außerdem war ich auch öfter bei der Frauenärztin als in der ersten Schwangerschaft und hatte jede oder jede 2. Woche einen Ultraschall. Dem Baby hat man zum Glück gar nichts angemerkt, das hat sich ganz normal entwickelt.

Und wie hat sich die Ernährungsumstellung auf den Schwangerschaftsdiabetes ausgewirkt?

Leider hat es nicht ausgereicht. Meine Blutzuckerwerte blieben doch noch immer über dem Grenzwert. Nach 4 Wochen hieß es dann, ich solle besser Insulin spritzen, um in den Normalbereich zu kommen.

Wie hast du die Nachricht aufgenommen, dass du Insulin nehmen musstest?

Das fand ich zuerst gar nicht lustig. An das Messen und die neue Ernährung hatte ich mich ziemlich gewöhnt, auch wenn es oft nervig war. Aber ich wollte ja das Beste für mein Kind, das war immer das Wichtigste.

Und jetzt Insulin spritzen – oh nein. Das klang so bedrohlich und mehr nach Krankheit. Wobei sich schnell rausstellte, dass das Wort „Spritzen“ nicht so ganz passend ist. Und sogar das Insulin wurde zum Glück Routine. Ein Vorteil war immerhin, dass ich doch auch wieder mehr Sachen essen konnte, auf die ich richtig Gelüste hatte. Das kann ja nicht so ganz falsch sein, dachte ich mir. Der Körper weiß wohl, was er braucht und zeigt es einem in der Schwangerschaft umso mehr. Mir dann alles Mögliche verkneifen zu müssen, hatte ich in der Phase mit der reinen Ernährungsumstellung gar nicht schön gefunden.

Wohin „spritzt“ man das Insulin und warum ist „Spritzen“ nicht der passende Begriff?

Auch das wurde mir wieder alles im Diabetes-Zentrum gezeigt und die entsprechenden Gerätschaften mitgegeben. Ich habe einen Stift, einen sogenannten Pen, bekommen – ähnlich wie das Ding zum Piksen für den Blutstropfen. Nur die Nadel ist doch etwas größer und der Einstich in die Haut auch unangenehmer. Man setzt diesen Pen mit der flachen vorderen Öffnung auf die Haut und drückt dann hinten drauf, wie bei einem Kugelschreiber. Damit drückt man die Nadel aus dem Pen raus in den Körper und das Insulin schießt gleich durch. Diesen Pen fand ich ziemlich cool. Der sieht gar nicht nach einer Spritze aus und war praktisch und einfach zu bedienen.

Lesen Sie hier mehr zum Thema richtig spritzen.

Am oberen Ende des Pens ist eine Skala, wo ich die jeweilige Menge einstellen konnte, die abgegeben wurde. Wieviel Einheiten es jeweils sein sollten, hat der Arzt mir gesagt. Übrigens hatte ich 2 Pens: einen für tagsüber und einen mit einer anderen Art von Insulin für abends. Bei mir war nämlich der Blutzuckerwert am Abend immer besonders hoch. Mit diesem anderen Insulin sollte ich beziehungsweise mein Körper besser durch die Nacht kommen.

Zuerst hieß es, ich solle in den Bauch stechen. Bei einem schwangeren Kugelbauch gibt es aber keine Hautfalte mehr, die man mal zusammendrücken und ein bisschen hochheben könnte. Die Vorstellung nun also auf dem prallen Bauch in Richtung meines Babys abzudrücken, hat mir gar nicht gefallen! Vielen Frauen mache das nichts aus, meinte die Beraterin, aber ich dürfe auch in den Oberschenkel oder eine Hautfalte seitlich über der Hüfte stechen. Anfangs war es eine große Überwindung, sich selbst zu stechen. Ich habe ja Tattoos, und obwohl das Tattoo-Stechen eigentlich mehr weh getan hat, hatte ich größere Angst vor dem „Mich-selber-Stechen“.

Hast du dich in deinem Alltag eingeschränkt gefühlt mit dem Insulin?

In gewisser Weise zuerst schon etwas, ich war ganz schön damit beschäftigt, es gab dauernd was zu tun, zu messen. Aber wie gesagt, man denkt ja in erster Linie an das Kind und das Thema Gesundheit ist in jeder Schwangerschaft wichtig. Und auch an die neuen Abläufe habe ich mich gewöhnt: Eine Stunde vor dem Essen Insulin spritzen, direkt vor und nach dem Essen Blutzucker messen. An Snacks zwischendurch habe ich eh nicht gedacht.

Das Messgerät und der Pen sind nicht besonders groß und in kleinen passenden Täschchen. Das konnte man alles gut mitnehmen.

War bei der Geburt irgendwas anders wegen des Schwangerschaftsdiabetes?

Natürlich war das dem Krankenhaus alles bekannt, meine Messwerte und Insulineinheiten musste ich genau angeben. Man war dort also vorbereitet. Aber das hat mir vorab keine Sorgen gemacht und als es erstmal so weit war, habe ich an den Diabetes überhaupt nicht mehr gedacht. Sobald mir klar war, dass ich Wehen hatte, habe ich auch kein Insulin mehr gespritzt. Da geraten sämtliche Hormone im Körper sowieso so durcheinander, da spielt das Insulin auch keine Rolle mehr, hatte man mir erklärt. Als ich mit einem Wehenabstand von 5 Minuten im Krankenhaus ankam, wurde nochmal der Blutzucker gemessen.

Ich war allerdings viel mehr darauf fokussiert, ob es mit einer natürlichen Geburt klappen würde. Dass es dann tatsächlich so kam, habe ich sehr genossen! Minna war ein Kaiserschnitt gewesen, da sie sich auch nach dem Blasensprung so gar nicht hatte bequemen wollen, auf die Welt zu kommen. Max hatte es da eiliger und alles klappte am Ende wie am Schnürchen. Er wog gute 3 Kilogramm, war etwas kräftiger als seine Schwester mit ihren 2,6 Kilogramm. Aber ob Max ebenfalls weniger gewogen hätte, wenn ich in der Schwangerschaft keinen Diabetes gehabt hätte, konnte man nicht sagen.

Was passierte mit deinem Schwangerschaftsdiabetes nach der Geburt?

Der war sofort weg (lacht). Mein Blutzucker wurde ziemlich bald nach der Geburt gemessen und er war völlig normal! Ich war 4 Tage im Krankenhaus, an denen regelmäßig gemessen wurde. Da immer alle Werte okay waren, brauchte ich kein Insulin mehr und musste auch zu Hause nicht mehr messen. Nach 6 Wochen wurde im Diabetes-Zentrum nochmal der große Test mit dem Kontrollwert nüchtern und den 2 Messungen nach Trinken einer Zuckerlösung gemacht. Auch der fiel völlig normal aus. Jetzt nach 2 Jahren gehe ich nochmal zum Testen, aber ich habe keine Bedenken, dass der Wert nicht normal sein sollte.

Ist Diabetes noch ein Thema in deinem Leben?

Einige Punkte in der Ernährung für die ganze Familie sind mir bewusster geworden und auch geblieben: Wir essen mehr Gemüse als früher, Nudeln kaufe ich aus Vollkorn oder Dinkel. Süßigkeiten, auch für die Kinder, sind etwas Besonderes, die gibt es nicht täglich. Saftschorlen mische ich, wenn überhaupt, dann lieber selbst aus 100-Prozent-Saft und Mineralwasser anstatt fertige zu kaufen.

Aber es belastet mich nicht und ich habe auch eben beim Erzählen gemerkt, dass ich manche Einzelheiten im Ablauf mit dem Messen und den Insulingaben gar nicht mehr so genau weiß – ein gutes Zeichen, finde ich!

Wenn ich demnächst beim Hausarzt eine Routine-Untersuchung für 35-Jährige mache, werde ich natürlich darauf hinweisen, dass ich einen Schwangerschaftsdiabetes hatte. Auch der Kinderarzt weiß Bescheid.

Was würdest du einer Freundin sagen, wenn bei ihr ein Schwangerschaftsdiabetes festgestellt würde?

Sie solle sich keine zu großen Sorgen machen! Man wird so gut betreut und kann das gut handhaben. Natürlich ist es eine Umstellung und man muss sich dran gewöhnen, aber man kann die Schwangerschaft trotzdem genießen.

Danksagung:

diabinfo.de hat sich mit Steffi P. unterhalten und die Gesprächspartnerin hat der Veröffentlichung zugestimmt. Hiermit bedankt sich diabinfo.de herzlich für die Zusammenarbeit.

Der Bericht schildert persönliche Erfahrungen und Eindrücke zum Umgang und Leben mit einem Schwangerschaftsdiabetes. Es handelt sich nicht um Empfehlungen von diabinfo.de.