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Wie Virus-Infektionen das Risiko für Typ-1-Diabetes beeinflussen

Wissenschaftliche Unterstützung: Dr. Ramona Lickert

Viren stehen schon lange im Verdacht das Risiko für Typ-1-Diabetes zu erhöhen. Jetzt zeigt eine Studie: Hartnäckige oder wiederholte Enterovirus B-Infektionen im Kleinkindalter können dazu beitragen, dass das körpereigene Abwehrsystem die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse angreift. Das Entstehen eines manifesten Typ-1-Diabetes scheinen die Infektionen hingegen nicht zu beeinflussen.

Warum entwickeln manche Kinder Typ-1-Diabetes und andere nicht? Die genetische Veranlagung liefert keine ausreichende Erklärung:  Kinder von Menschen mit Diabetes haben zwar ein erhöhtes Risiko zu erkranken, doch viele entwickeln niemals Symptome von Insulinmangel.

Ein internationales Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass Virusinfektionen im Säuglings- und Kleinkindalter den Grundstein legen können für eine Autoimmunreaktion, welche die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse schädigt. Betazellen produzieren das Hormon Insulin, das der Körper braucht, um Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Fehlt Insulin dauerhaft, entwickelt sich eine Diabeteserkrankung.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht, welche Virusinfektionen Autoimmunreaktionen gegen die Betazellen auslösen. Hierfür wurden Stuhlproben von Hunderten von Kindern analysiert, die an der groß angelegten internationalen TEDDY-Studie teilnehmen. Im TEDDY-Projekt werden seit 2004 Kinder mit erhöhtem Typ-1-Diabetes-Risiko medizinisch untersucht und langfristig betreut. Das Ziel ist es, Umweltfaktoren zu identifizieren, die zu Beta-Zell-Autoimmunität und Typ-1-Diabetes führen. 

Mit Hilfe der Stuhlproben konnten die Forscherinnen und Forscher nachweisen, wann und wie lange die Kinder an welchen Virusinfektionen litten und leiden – solange eine Infektion besteht, werden Reste von Viren durch den Darm ausgeschieden.

Gute Viren – schlechte Viren

Das Ergebnis der Untersuchung: Frühkindliche Infektionen mit Enteroviren des Typ B – vor allem, wenn sie mehr als 30 Tage dauern oder wiederholt auftreten – erhöhen das Risiko von Autoimmunreaktionen gegen Betazellen. Enteroviren, zu denen auch die Coxsackieviren gehören, sind weit verbreitete Erreger, die unter anderem grippeartige Symptome oder auch die Hand-Fuß-Mund-Krankheit auslösen können. Dauert eine Infektion länger als einen Monat, könnte dies ein Indikator sein für eine spätere Autoimmunität, jedoch nicht für das Auftreten eines manifesten Typ-1-Diabetes.

Viren können das Risiko einer Autoimmunität aber auch verringern: Säuglinge mit erhöhtem Typ-1-Diabetes-Risiko, die sich mit bestimmten Adenoviren infiziert haben – Erreger, die Atemwegserkrankungen auslösen können –, entwickeln weniger häufig Autoimmunreaktionen gegen Betazellen. Möglicherweise bildet die Infektion einen Schutz vor Enteroviren.


Quelle:
Vehik, K. et. al.: Prospective virome analyses in young children at increased genetic risk for type 1 diabetes. In: Nature Medicine, 2019, 25: 1865-1872